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KriminalitätIndien

Vergewaltigung in Indien: Ärzte fordern mehr Sicherheit

Murali Krishnan
17. August 2024

Eine brutale Vergewaltigung und Ermordung einer jungen Ärztin in einem Krankenhaus in Kolkata hat eine Debatte über die Sicherheit von Ärztinnen und Frauen im Allgemeinen ausgelöst.

Inderinnen protestieren gegen Gewalt gegen medizinisches Personal
"Die Nacht zurückfordern": Inderinnen protestieren gegen Gewalt, der medizinisches Personal ausgesetzt istBild: Satyajit Shaw/DW

Sie verzichteten auf ihren Schlaf, um ihre Empörung auszudrücken: Hunderttausende indischer Frauen gingen in mehreren Städten Indiens zu nächtlicher Stunde auf die Straße und protestierten gegen die brutale Vergewaltigung und Ermordung einer jungen Ärztin in einem Krankenhaus im östlichen Bundesstaat Westbengalen.     

Die 31-jährige Ärztin wurde am Freitag vergangener Woche in einem Krankenhaus in Kolkata tot aufgefunden. Ihr Körper wies zahlreiche Verletzungen auf. Ein Autopsiebericht erwähnt zudem Hinweise auf sexuelle Gewalt. Im Rahmen der Ermittlungen nahmen die Behörden eine polizeiliche Hilfskraft fest.

Unter dem Motto "Reclaim the Night" gingen die Frauen am Vorabend des 78. Unabhängigkeitstages Indiens auf die Straße. Die späte Stunde soll die Sorgen der Frauen angesichts mangelnder Sicherheit zum Ausdruck bringen.

Premierminister Narendra Modi griff das Thema in seiner Rede zum Unabhängigkeitstag am Donnerstag auf. "Als Gesellschaft müssen wir über die Gräueltaten nachdenken, die an unseren Müttern, Töchtern und Schwestern begangen werden. Die Empörung darüber ist groß. Ich spüre diese Empörung", sagte Modi.

"Ich spüre diese Empörung": Premier Narendra Modi während seiner Ansprache am indischen Unabhängigkeitstag, 15.8. 2024Bild: Altaf Hussain/REUTERS

"Es war erschreckend" 

Derweil geht die Gewalt weiter. So randalierten in der Nacht zum Mittwoch dieser Woche zahlreiche Menschen auf dem Campus des RG Kar Medical College, attackierten Fahrzeuge und plünderten Krankenstationen aus.

Sie sei durch diese Ereignisse traumatisiert, sagt Shreya Shaw, Assistenzärztin an dem Krankenhaus. "Wir haben hier für sichere Räume für Ärzte und Frauen im Allgemeinen gekämpft. Doch nun mussten wir sehr schnell handeln und die Türen schließen, damit uns der Mob nichts antun konnte. Es war erschreckend."

Die Angriffe seien "einfach widerlich" gewesen, sagt der Arzt Arif Ahmed Laskar, auch er ein Angestellter des Krankenhauses. "Wir alle waren empört über das, was unserer Kollegin passiert ist. Wir forderten Gerechtigkeit. Dann sahen wir uns mit einem Mal der Gewalt dieser Hooligans gegenüber", so Laskar zur DW.

Strengere Gesetze notwendig?

Seit der Vorfall bekannt wurde, haben staatliche Krankenhäuser in mehreren Städten des Landes den Dienst mit Ausnahme der Notaufnahmen eingestellt.

Ärzte und andere Angehörige der Gesundheitsberufe fordern entschiedene Schritte zum Schutz des medizinischen Personals. "Wir brauchen ein angemessenes und wirksames Gesetz. Es geht um ein sicheres Umfeld", sagt Indra Shekhar Prasad, Präsident der Ärztevereinigung am All India Institute of Medical Sciences (AIIMS) in Delhi, der DW. "Wir sind auf Schutzmaßnahmen angewiesen. Der Vorfall in Kolkata ist nicht der erste Fall dieser Art, und er wird auch nicht der letzte sein. Die Sicherheit der Ärzte muss an erster Stelle stehen."

Vertreter von 23 medizinischen Hochschulen in Westbengalen erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, es gehe nicht um Belange von Ärzten im Allgemeinen. "Vielmehr ist dies eine Bewegung, um die Sicherheit aller Frauen am Arbeitsplatz im gesamten Land zu gewährleisten."

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Angriffe auf medizinisches Personal

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Ärzte in Indien über mangelnde Sicherheit am Arbeitsplatz beschweren: Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren kam es zu Angriffen auf medizinisches Personal.

So wurde im vergangenen Mai im südlichen Bundesstaat Kerala ein junger Chirurg von einem Patienten erstochen. Einige Monate zuvor attackierte eine Gruppe den leitenden Kardiologen eines Privatkrankenhauses wegen der angeblich mangelhaften Behandlung eines Patienten. Tatsächlich aber hatte der Arzt mit der Behandlung nichts zu tun.

Im Jahr 2019 reichten in Westbengalen zahlreiche Ärzte ihren Rücktritt ein, nachdem ein Mob einen jungen Arzt angegriffen hatte. Auslöser des Angriffs war der Tod eines Patienten. Die Familie warf dem Arzt Nachlässigkeit im Dienst vor.

Angaben der Indian Medical Association zufolge sahen sich bereits rund 75 Prozent aller Ärzte in Indien Form von Gewalt am Arbeitsplatz gegenüber. Diese reichten von Beschimpfungen bis hin zu körperlichen Angriffen. 

Wird nicht genug getan?

Indischen Ärzten zufolge wird nicht genug getan, um die Gewalt jener einzudämmen, die über die medizinische Versorgung verärgert sind.

Bhawna Arora, eine leitende Ärztin am AIIMS, forderte die Regierung auf, der Sicherheit des Gesundheitspersonals Priorität einzuräumen. "Ständig machen wir uns Sorgen um unsere Sicherheit, vor allem während der langen Arbeitszeiten. Krankenhäuser müssen zu sicheren Zonen erklärt werden", sagt sie im Gespräch mit der DW.

Die Regierung des Bundesstaates Kerala habe nach entsprechenden Protesten "endlich ein Gesetz erlassen, das wirksam ist", sagt Sulphi Noohu, Mitglied des Zentralkomitees der IMA, der DW. Die Angriffe seien seitdem dramatisch zurückgegangen. "In den Krankenhäusern herrscht nun Sicherheit."

Die derzeitigen Proteste sind nur die jüngsten in einer langen Reihe: So reagierten indische Frauen im Jahr 2012 mit großem Protestaktionen auf eine Gruppenvergewaltigung und anschließende Ermordung einer Studentin.Bild: Subrata Goswami/DW

Sexuelle Gewalt im Rampenlicht

Sexuelle Gewalt und Vergewaltigung stehen seit längerem im Fokus der Öffentlichkeit. Ausgelöst wurde die Empörung bereits im Jahr 2012. Damals wurde eine 23-jährige Studentin durch eine Gruppe junger Männer vergewaltigt und anschließend ermordet.

Der Angriff löste landesweit Massenproteste und Forderungen nach einer härteren Bestrafung derartiger Verbrechen aus. Als Reaktion darauf wurden Schnellgerichte für Vergewaltigungsfälle eingerichtet. Im Jahr 2013 wurden Stalking und Voyeurismus unter Strafe gestellt. Das Alter, von dem eine Person als prozessfähig gilt, wurde von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt.

Doch trotz strengerer Gesetze hat sich die Situation für Frauen nach Ansicht von Aktivisten nicht verbessert. In diese Richtung deuten auch Daten des National Crime Records Bureau (NCRB): Demnach sind die Straftaten gegen Frauen im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um 4 Prozent gestiegen.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.