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Luftverpester Verkehr

Christoph Hasselbach8. Juni 2013

Saubere Luft ist das Thema der diesjährigen europäischen Green Week in Brüssel. Doch massenhafter Autoverkehr ist der Feind sauberer Luft, gerade auch in Brüssel.

Qualmender Auspuff (Foto: picture-alliance/dpa)
Gute Luft ist meist nicht selbstverständlichBild: picture-alliance/dpa

Jeder Mensch will gute Luft, jeder braucht sie. Doch vor allem in den Städten ist gute Luft im weltweiten Maßstab alles andere als selbstverständlich. Nach EU-Umweltkommissar Janez Potočnik leben gerade mal zwei Prozent der weltweiten Stadtbevölkerung mit Luft unterhalb der Verschmutzungsgrenzwerte, wie sie die Weltgesundheitsorganisation festgelegt hat. Schlechte Luft, sagt Potočnik voraus, entwickelt sich unter den Umweltfaktoren zur Todesursache Nummer eins und ist dabei, verschmutztes Wasser und mangelnde Hygiene als wichtigste Todesursache zu überholen.

Staus, Lärm, Atemnot

Wer in den Städten für gute Luft sorgen will, muss sich vor allem Gedanken über den Verkehr machen. Die meisten Großstädte ersticken geradezu im motorisierten Verkehr, im doppelten Sinne. Und das gilt längst nicht nur für Entwicklungs- und Schwellenländer. Brüssel selbst, der Gastgeber der Green Week, ist ebenfalls ein schlechtes Beispiel. Davon kann der Italiener Vincenzo Belletti ein trauriges Lied singen. Er zog vor einigen Jahren aus Neapel in die belgische Hauptstadt: "Im Brüsseler Berufsverkehr gibt es überhaupt kein Weiterkommen, man kann nicht atmen, die Staus und der Lärm sind einfach schrecklich." Er ist Mitglied einer Initiative europäischer Städte, die einmal im Jahr einen autofreien Sonntag organisieren. An 363 Tagen aber leiden er und andere am Autoverkehr.

Das reine Elektroauto ist bisher Nischenfahrzeug gebliebenBild: picture-alliance/dpa

Grenzwerte als Innovationsschub

Die schlechte Situation in Brüssel bestätigt auch Edgar Freund, der als hoher Beamter im hessischen Umweltministerium an der Green Week teilnimmt. Das hessische Frankfurt habe gute Erfahrungen mit einer Umweltzone gemacht, in die nur abgasarme Fahrzeuge einfahren dürfen. Allgemein müsse man "an den Quellen ansetzen. Wir müssen Motoren entwickeln, die nur noch sehr geringe Schadstoffe ausstoßen", sagt Freund. Gerade den Deutschen wird auf europäischer Ebene aber immer wieder vorgeworfen, sie verwässerten Abgasgrenzwerte, um ihre meist großen, PS-starken Autos besser zu verkaufen.

Deutsche Industrievertreter kontern dann gern, die Autoindustrie sei für Deutschland einfach zu wichtig, als dass sie zu sehr mit Einschränkungen belastet werden dürfe. Doch Edgar Freund unterstützt strenge Umweltauflagen. Die Erfahrung der vergangenen 30 Jahre mit dem Katalysator oder dem Feinstaubfilter habe gelehrt, "dass sich industrieller Fortschritt immer an Grenzwerten orientiert." Der Staat oder die EU müsse Rahmenbedingungen schaffen, "und das ergibt dann immer einen Innovationsschub."

Brennstoffzelle oder Batterie?

Eine Alternative zur reinen Verbrauchsverminderung ist für Edgar Freund eine Umstellung auf Elektroautos. Doch vor allem ihre bisher geringe Reichweite ist ein großes Problem. Auch sei Elektromobilität nur dann wirklich umweltfreundlich, "wenn die Elektrizität aus nachwachsenden Rohstoffen oder aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Und da sind wir noch nicht am Ziel angelangt." Gerade was die Reichweite angeht, sieht sich Luciano Gaudio auf dem richtigen Weg.

Wenig Aufwand, keine Abgase: das FahrradBild: DW/S. Wünsch

Er arbeitet für ein öffentlich-privates Gemeinschaftsprojekt, das Elektroautos mit Brennstoffzelle und Wasserstoffbetankung entwickelt. Bei der Green Week kann man sogar ein solches Fahrzeug Probe fahren. Es stellt den Strom für seinen Elektroantrieb selbst her, bisher fehlt es aber noch an einem ausreichend engen Tankstellennetz. Luciano Gaudio sieht batteriebetriebene Elektroautos als mögliche Lösung für den Stadtverkehr. Für mittlere und lange Strecken bis etwa 600 Kilometer sei dagegen die Brennstoffzelle ideal.

Oder sogar zu Fuß

Für den Österreicher Thomas Eitzenberger sind dagegen viele technische Lösungen viel zu aufwendig. Er hat die radikal klingende europäische Bürgerinitiative "Stoppen wir den Ökozid in Europa" mitgegründet und sammelt Unterschriften gegen das, was er als Verbrechen an der Natur sieht. Er plädiert für Strecken von wenigen Kilometern für das klassische Fahrrad und von etwa zehn bis 20 Kilometer für das Elektrorad. Das sei eine Distanz, "was die Menschen akzeptieren, mit dem Rad zurückzulegen", ohne verschwitzt im Büro anzukommen.

Vincenzo Belletti, der sich über den Brüsseler Verkehr ärgert, kommt es mit seiner Einen-Tag-autofrei-Aktion vor allem auf einen Bewusstseinswandel an. Die Leute sollten einfach darauf gebracht werden, "dass es in der Stadt verschiedene Fortbewegungsarten gibt." Viele könnten sogar gut zu Fuß zur Arbeit gehen. "Aber der Umstieg ist ein großer Schritt. Die Leute hängen einfach sehr an ihren Autos und Motorrollern." Doch Belletti gibt nicht auf. Er hat alternative Verkehrsprojekte überall in Europa gesehen und kommt zu dem Schluss: Der Fortschritt mag langsam sein, aber er kommt.

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