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PolitikAfrika

Afrika: Navigieren durch die Gefahren des Feiertagsverkehrs

Martina Schwikowski | Al-Amin Mohammed Maiduguri | Andrew Wasike Nairobi
29. Dezember 2022

Auf afrikanischen Straßen sterben überdurchschnittlich viele Menschen bei Autounfällen - gerade zur Weihnachtszeit. Gründe liegen in Korruption und mangelnder Infrastruktur. Teils zeigen Aufklärungskampagnen Wirkung.

Ghana | Reger Straßenverkehr mit Autos und Fußgängern in Accra (Foto: Thomas Imo/ picture alliance/photothek)
Auf Afrikas Straßen sterben jedes Jahr viele Menschen durch Autounfälle, mehr als in anderen WeltregionenBild: Thomas Imo/photothek/picture alliance

Alle Jahre wieder häufen sich die Unfälle auf afrikanischen Straßen. Die Gründe liegen auf der Hand und ähneln der Situation in anderen Weltregionen: In den Weihnachts- und Osterferien sind besonders viele Reisende unterwegs. Wenn dann wegen der Feiertage noch Alkohol im Spiel ist oder die Müdigkeit zunimmt, steigt auch die Gefahr, dass Verkehrszeichen missachtet und Geschwindigkeitsgrenzen überschritten werden.

In Afrika sind die Gefahren im Straßenverkehr besonders groß, die Zahl der Verkehrsunfälle höher als auf anderen Kontinenten: Laut Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Sterblichkeit hier mit 26,6 Todesopfern pro 100.000 Einwohnern fast dreimal so hoch wie in Europa - die schlimmste Rate weltweit. In einem Ranking, das die Gesundheitsservice-Plattform World Life Expectancy mit WHO-Daten erstellt hat, belegt zwar die Dominikanische Republik den ersten Platz. Doch dann folgen - angeführt von Simbabwe und Malawi im Süden über das westafrikanische Liberia und Eritrea am Horn - nur afrikanische Länder, bis Venezuela die Reihe auf Platz 26 durchbricht.

Kenia: Härteres Vorgehen "ohne Ausnahme"

Kenia belegt auf dieser Rangliste mit 48 Verkehrstoten pro 100.000 Einwohnern den  zwölften Platz. Hier ist die Zahl der Todesopfer in Relation zur Bevölkerung seit 2013 kontinuierlich gestiegen. Innenminister Kithure Kindiki kündigte denn auch ein härteres Vorgehen gegen Autofahrer an, die sich nicht an die Verkehrsregeln hielten.

Raus aus der Metropole: Glück, wenn es gerade mal rollt auf Nairobis AusfallstraßenBild: Tony Karumba/AFP/Getty Images

Er habe die Polizei angewiesen, ohne Ausnahme gegen alle vorzugehen, die gegen die Verkehrsregeln verstoßen, sagte er gegenüber Pressevertretern: "Wir erwarten, dass alle Vorschriften, die den Verkehr auf unseren Straßen regeln, zu hundert Prozent eingehalten werden, und zwar von allen Menschen, unabhängig von ihrem Rang oder ihrer sozialen Stellung", so der Minister.

Südafrika: "Arrive Alive" zeigt Wirkung

Auch in Südafrika warnen Verkehrsbehörden in der Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel Autofahrer verstärkt, auf den Straßen achtsam zu sein. Mit Slogans wie "Be safe - get there" weisen Radiosender beinahe stündlich auf die Gefahren hin. Die seit Jahren aktive "Arrive Alive"-Kampagne gibt wertvolle Tipps zu verantwortungsbewusstem Verhalten am Steuer, zu Staus und weiteren Störungen, aber auch für die Planung von Fahrten in einem bei Touristen beliebten Reiseland. Mit einigem Erfolg: In den vergangen Jahren ist hier ein Rückgang bei der relativen Zahl der Verkehrstoten zu beobachten.

Dennoch: Auch auf den Straßen Südafrikas sind bei Verkehrsunfällen im Jahr 2019 laut WHO immer noch etwa 22,2 Menschen pro 100.000 Einwohner gestorben. Im afrikanischen Vergleich ist das schon gar nicht so schlecht - aber immer noch deutlich über dem weltweiten Durchschnitt. In Deutschland etwa starben 2018 etwa vier Personen pro 100.000 Einwohnern im Straßenverkehr.

Korruption bei Knöllchen und Führerscheinerwerb

Alkohol sei in Südafrika ein wichtiger Faktor für Unfälle, schreibt das South African Journal of Science auf seiner Website. Die Wissenschaftszeitung empfiehlt deshalb, eine Nulltoleranz bei Alkohol am Steuer einzuführen. Insgesamt wird der Ruf nach härteren Strafen für Vergehen im Straßenverkehr in dem Land am Kap lauter - nicht zuletzt, weil korrupte Polizeibeamte häufig die effiziente Bestrafung der Verkehrssünder erschweren, wenn sich diese für kleines Geld freikaufen können.

Fußgänger (hier auf Kap Verde) sind oft Gefahren ausgesetzt und zählen zu den häufigsten Todesopfern im VerkehrBild: Ângelo Semedo/DW

Auch in Kenia tragen die Auswüchse der Korruption zur Unsicherheit auf den Straßen bei: Diejenigen, die fahren wollten, sollten erst einmal Fahrstunden nehmen und einen Führerschein machen, sagt Eunice Imwenda, Geschäftsführerin einer Fahrschule in der Hauptstadt Nairobi, zur DW. "Unsere Fahrer kürzen das ab - sie kaufen einfach Papiere am Schalter und am nächsten Tag sind sie auf der Straße, fahren zu schnell - und wir müssen auf der Hut sein."

Mängel am Fahrzeug? Beten ist nicht genug

Im westafrikanischen Nigeria gehören Straßenverkehrsunfälle neben Aufständen und Bandentum zu den häufigsten Todesursachen, so die Angaben des Federal Road Safety Corps (FRSC), des Bundesamtes für Verkehrssicherheit. 41.709 Verkehrstote meldet das Nationale Amt für Statistik zwischen 2013 und 2020. 

Vielfach müsse man eigentlich von Zusammenstößen ("crashes") und nicht von Unfällen sprechen, mahnt Gbenga Akimbule, ein politischer Analyst. Ein Unfall sei etwas, das man nicht geplant habe: "Aber wenn man einen schlechten Reifen hat und weiß, dass der Reifen einen vielleicht nicht an sein Ziel bringen könnte und man betet und glaubt, dass Gott einen schon hinbringen wird, dann ist das etwas anderes", sagt er zur DW.

Was fehlt: Investitionen in öffentlichen Nahverkehr

"Straßenunfälle und Zusammenstöße sind so normal geworden, dass kaum ein Tag vergeht, an dem nicht von einem Verkehrsunfall berichtet wird, der Menschenleben kostet oder bei Opfern zu bleibenden Behinderungen führt", sagt Badiya Sani aus Maiduguri in einem DW-Interview. "Diejenigen von uns, die kein Auto besitzen, haben keine andere Wahl, als auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Aber das tun wir mit viel Angst",  betont sie.

Wie in vielen afrikanischen Ländern fehlt es an einem guten Netz des öffentlichen Nahverkehrs oder die Verkehrsmittel - wie Busse und Minibustaxen - sind in schlechtem Zustand, technisch nicht geprüft und häufig in Unfälle verwickelt. Die Regierung müsse mehr dagegen tun, fordert Sani.

Auch Motorradfahrer sind auf Afrikas Straßen häufig in Verkehrsunfälle verwickeltBild: Halil Sagirkayapicture alliance / AA

In Kenia sind die lokalen Motorradtaxis - genannt Bodaboda - ein beliebtes Mittel des öffentlichen Nahverkehrs. Sie seien aber auch für besonders viele Unfälle verantwortlich, sagt Evans Langat von der Nationalen Behörde für Verkehr und Sicherheit (NTSA) der DW. Die Behörde lege hierauf deshalb einen Schwerpunkt in der Aufklärungsarbeit, sagt Langat - und gibt sich optimistisch: "Wir haben alle Fahrer sensibilisiert, und ich glaube, die Botschaft ist angekommen." Ob er damit richtig liegt, werden die Zahlen der kommenden Jahre zeigen. Erst einmal wird manch eine kenianische Familie aufatmen, wenn der Feiertagsverkehr überstanden ist.

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