Autonomes Fahren: VW stiehlt Tesla die Show
18. Juni 2025
Gerade auf dem Land in Deutschland können viele Menschen nicht auf ein eigenes Auto verzichten, weil die Anbindung durch den öffentlichen Nahverkehr nicht oder kaum gegeben ist. Trotzdem wird allein der Umstieg auf E-Fahrzeuge das Verkehrsproblem nicht lösen. Auch private E-Autos verbrauchen weiter Ressourcen, wenn auch kein Öl, und sie benötigen viel Platz, Straßen und Parkplätze.
Viel besser sähe es da aus, wenn die Menschen einfach auf Robotertaxis umsteigen könnten. Pilotprojekte mit selbstfahrenden Autos und fahrerlosen Kleinbussen gibt es seit Jahren, beispielsweise in den USA und in China. Auch in Deutschland werden solche Fahrzeuge getestet. Eine Typ-Genehmigung für sogenannte Level-4-Systeme, also für komplett autonom fahrende Fahrzeuge ohne Fahrerin oder Fahrer, gibt es in Deutschland bisher aber nicht - auch wenn das rechtlich in Deutschland und in der EU möglich wäre, wie es beim Kraftfahrtbundeamt heißt. Somit erschien auch eine flächendeckende Einführung weit entfernt.
Robotaxi ab 2026: VW will führender Anbieter werden
Nun prescht VW vor. Mit einem fahrerlosen E-Bulli ID Buzz AD (für Autonomous Driving) , der auf Level-4, auf festgelegten Strecken fährt. In Hamburg präsentierte Europas größter Autobauer am Dienstag (17.6.25) die Serienversion dieses selbstfahrenden Elektro-Bullis. Der VW-Bulli soll ab 2026 zunächst nur in Hamburg und Los Angeles eingesetzt werden. Dabei soll es aber nicht bleiben.
Für das Werk in Hannover gilt: "Nichts davon ist auf Kleinserie ausgelegt", wie Christian Senger sagt. Er ist im Vorstand von VW Nutzfahrzeuge für das autonome Fahren zuständig. Es gehe um große Stückzahlen. Mehr als 10.000 Fahrzeuge sollen im Werk in Hannover von VW Nutzfahrzeuge produziert werden. "Wir glauben, dass wir in Europa der führende Anbieter sein können."
Einen Abnehmer hat VW bereits mit dem Fahrdienst Uber gefunden. Im April vereinbarten beide Konzerne eine Kooperation in den USA. Innerhalb von zehn Jahren plane Uber bis zu 10.000 E-Bullis von VW zu beziehen, so Senger.
Eine Autolänge vor Tesla
Mit der Präsentation des ID Buzz AD ist VW Tesla zuvorgekommen. Elon Musk hatte angekündigt, am kommenden Sonntag (22.6.) sein selbstfahrendes Auto zu präsentieren. Ganz sicher ist das aber nicht. "Wir sind super paranoid, was die Sicherheit angeht, daher könnte sich das Datum verschieben". so Musk auf seiner Online-Plattform X.
Tesla plant öffentliche Robo-Taxi-Fahrten mit dem Model-Y-Geländewagen erst einmal mit nur zehn bis 20 Fahrzeugen in einem Teil der texanischen Stadt Austin. Musk denkt dabei wie so oft ganz groß. In einem Interview mit dem Sender CBS im Mai hatte er verkündet: Innerhalb weniger Monate sollen etwa 1000 Tesla-Robotaxis unterwegs sein und bis Ende des kommenden Jahres Hunderttausende.
Außerdem kündigte Musk schon im Mai an, dass bis Jahresende in mehreren US-Städten autonomes Fahren für private Tesla-Besitzer freigeschaltet werden solle. Kein neues Versprechen. Schon 2017 hatte er versprochen innerhalb der kommenden zwei Jahre diese Funktion freizuschalten.
Waymo: Google mischt bei Robotaxis mit
Beim autonomen Fahren liegt aktuell mit deutlichem Abstand die Google-Schwesterfirma Waymo vorn. Die fahrerlosen Robotaxis von Waymo sind in mehreren US-Städten unterwegs und machten inzwischen mehr als 250.000 bezahlte Fahrten mit Passagieren pro Woche. Im Einsatz sind vor allem umgebaute Elektroautos von Jaguar.
Im Mai verkündete Waymo zudem, dass im kommenden Jahr die Zahl ihrer Fahrzeuge mehr als verdoppelt werden soll.
Auch der Tech-Konzern Amazon ist Teil des Rennens um den Zukunftsmarkt für autonomes Fahren. Die Robotaxi-Firma Zoox will Fahrzeuge ohne Lenkrad und Pedale mit Platz für vier Passagiere auf die Straßen in Las Vegas und San Francisco bringen.
Konkurrenz aus China beim autonomen Fahren
China will seine Verkehrsprobleme ebenfalls mit autonomem Fahren lösen. Der Google-Rivale Baidu betreibt eine Flotte von rund 1000 Apollo Go Robotaxis, die im ersten Quartal mehr als 1,4 Millionen Fahrten durchgeführt haben. Das chinesische Unternehmen Pony.ai hat eine Flotte von über 300 Robotaxis und will bis Ende 2026 bis zu 3000 Fahrzeuge im Einsatz haben. Die Flotte von WeRide umfasst rund 400 Fahrzeuge.
Goldman Sachs schätzt, dass bis 2030 rund 500.000 Robotaxis in mehr als 10 Städten Chinas unterwegs sein werden. Es gehe in China nicht mehr darum, ob autonomes Fahren möglich ist, sondern darum, wie die Unternehmen die rasante Entwicklung des autonomen Fahrens kommerziell nutzen werden.
Die Zukunftsvisionen sind vielversprechend. Laut der Investmentbank liegt das gesamte Umsatzpotenzial im chinesischen Robotaxi-Sektor in diesem Jahr bei 54 Millionen US Dollar, bis 2035 aber schon bei 47 Milliarden US-Dollar.
VW setzt auf Flottenbetreiber und Verkehrsverbünde
VW zielt mit seinem neuen E-Bulli AD nicht auf Privatkunden. Vielmehr will VW an Unternehmerkunden, Flottenbetreiber und Verkehrsverbünde liefern, inklusive kompletter Softwarelösung, Buchungsapp, Flottensteuerung und Wartungspaket. In Hamburg etwa kooperiert der Konzern mit dem Verkehrsverbund HVV. Mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wurde eine Absichtserklärung geschlossen.
Bis Ende 2026 hofft VW, in Europa und den USA die Zulassung für den fahrerlosen Betrieb zu erhalten. Der bisher vorgeschriebene Sicherheitsfahrer wäre dann nicht mehr nötig. Es wäre die erste solche Zulassung zum autonomen Fahren nach Level 4 in Europa, so der Autobauer.
Einen Haken hat das Ganze. Der Platzhirsch der gebeutelten deutschen Autoindustrie wird zunächst kein Geld verdienen. Davon geht Senger aus. Langfristig sei das autonome Fahren aber ein lukratives Zukunftsfeld, das deutlich höhere Gewinne verspreche als das klassische Autogeschäft. "Genau das ist die große Chance, auch eine Zukunftsmöglichkeit für den VW-Konzern zu schaffen."
Ein genauer Preis wurde noch nicht bekannt gegeben, aber günstig wird der ID Buzz AD eher nicht. Die Käufer müssten einen kleinen sechsstelligen Euro-Betrag für das Auto hinlegen, so Senger.
Öffentliche Förderung ist nötig
Es wird somit teuer für die Verkehrsbetreiber. Daher fordert der Verband der Verkehrsbetriebe (VDV) eine bundesweit koordinierte, langfristig finanzierte Strategie und ein durch öffentliche Mittel unterstützter Markthochlauf, um den Leitmarkt im Land zu etablieren.
Immerhin habe die aktuelle Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt: "Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für autonomes Fahren und werden mit den Ländern Modellregionen entwickeln und mitfinanzieren." Es brauche eine Anschubfinanzierung von etwas drei Milliarden Euro für die Transformation vom Pilotprojekt zum Regelbetrieb, wie Ingo Wortmann vom VDV sagt.