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Politik

Demokratieaktivisten in Hongkong festgenommen

Dang Yuan
10. August 2020

Nach dem chinakritischen Medienmogul Jimmy Lai ist in Hongkong eine weitere bekannte Aktivistin festgenommen worden. Dissident Joshua Wong erwartet weitere Verhaftungen - auch seine eigene.

Hongkong Festnahme Medienunternehmer Jimmy Lai
Bild: picture-alliance/AP Photo

Die Verhaftung des Medientycoons Jimmy Lai lässt die schlimmsten Befürchtungen der Hongkonger Demokratiebewegung wahr werden. Demokratieaktivist Joshua Wong erwartet eine Verhaftungswelle. Auch seine Stellvertreterin Agnes Chow und weitere ihrer Mitstreiter wurde bereits verhaftet, er rechnet stündlich mit der eigenen Verhaftung. Er sagte der Deutschen Welle, dass er zwar nicht wisse, wann er verhaftet und nach Festlandchina ausgelierfert werde, aber er habe sich entschieden, weiter für die Freiheit zu kämpfen, "auch wenn Peking immer neue Ausreden erfindet, um uns zum Schweigen zu bringen."

Der prominente Anwalt und Vorsitzende der "Democratic Party" Albert Ho sagte der DW, auch er sei besorgt: "Wenn sie Anklage gegen mich erheben wollen, können sie das leicht tun. Unabhängig davon habe ich mich entschieden, in Hongkong zu bleiben, weil ich mich der Stadt, meiner Gemeinde und meinem Land, China, verpflichtet fühle."

Festnahme von Lai beunruhigt EU

Amnesty International erklärte in einer Pressemitteilung : "Die Verhaftung von Jimmy Lai wegen vermeintlicher Absprache mit fremden Mächten ist eine erschütternde Demonstration dafür, wie die Hongkonger Behörden das neue nationale Sicherheitsgesetz nutzen, um die Pressefreiheit zu bedrohen." Die Verhaftungen von Lai, Chow und weiteren Aktivisten sind der bislang größte Schlag gegen die Hongkonger Demokratiebewegung seit Einführung eines umstrittenen Sicherheitsgesetzes durch China. 

Die Europäische Union äußerte sich besorgt. Das Vorgehen gegen Lai und andere Personen sowie die Razzia in den Büros der Zeitung "Apple Daily" verstärke die Befürchtung, dass das von China eingeführte Sicherheitsgesetz zur Einschränkung der Meinungsfreiheit und der Medien genutzt werde, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit. Der Grüne Europaabgeordnete und Chinakritiker Reinhard Bütikofer forderteauf Twitter: "Jimmy Lai sollte umgehend frei und alle Angklagepunkte sollten fallen gelassen werden."

Der Unbeugsame

Jimmy Lai ist eine wichtige Figur für die Demokratiebewegung, da sein Medienimperium und insbesondere die Tageszeitung "Apple Daily" eines der wenigen in Hongkong verbliebenen Publikationsorgane mit relativ unabhängiger Berichterstattung ist. Die pekingkritische Linie hat Lai über viele Jahre hartnäckig durchgehalten. 

Lai, Jahrgang 1948, wurde in der südchinesischen Provinz Guangdong geboren. Nach eigenen Angaben wurden seine Eltern ins Arbeitslager geschickt. 1960 reiste er illegal nach Hongkong ein und arbeitete als Kind zuerst in einer Textilfabrik. 1981 kaufte er mit seinem Ersparten ein insolventes Bekleidungsunternehmen auf und etablierte erfolgreich die Modemarke Giordano, deren jährlicher Umsatz heute auf neun bis zehn Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Gleichzeitig betätigte sich Lai als Zeitungsherausgeber.

Laut "Economist" trennte sich Lai 1994 von dem Modegeschäft, nachdem einige der Giordano-Läden auf dem Festland unerklärliche Probleme bekamen und schließen mussten. Kurz zuvor hatte Lai in einer seiner Zeitungen unter seinem Namen einen kritischen und wenig schmeichelhaften Artikel über den damaligen chinesischen Premier Li Peng veröffentlicht.

Mit "Apple Daily" erfolgreich in Hongkong und Taiwan

Mit dem Veräußerungserlös seiner Anteile an Giordano gründete er 1995 das Medienunternehmen Next Media, das später unter Next Digital firmierte. Gleichzeitig gründete er die chinesischsprachige Tageszeitung "Apple Daily".

Neben scharfen pekingkritischen Artikeln zeichnet sich das Blatt vor allem durch "Sex and Crime"-Inhalte aus. Mit dieser Mischung hatte Lai auch auf Taiwan Erfolg. Next Digital gibt seit 2003 auch eine taiwanische Ausgabe von "Apple Daily" heraus. Als 2013 Pläne zur Übernahme von "Apple Daily" durch ein Konsortium vom Festland bekannt wurden, löste dies massive Straßenproteste aus - die Übernahme scheiterte.

Die Sicherheitskräfte durchsuchten auch das Hauptquartier der Zeitung "Apple Daily"Bild: picture-alliance/AP Photo/Apple Daily

"Sprachrohr" der pro-demokratischen Bewegung.

Insbesondere nach den als "Regenschirm-Revolution" bekannt gewordenen Straßenprotesten im Herbst 2014 wurden die ohnehin nicht einfachen Bedingungen für Hongkonger Journalisten und Herausgeber schwieriger, wenn es um politisch heikle, das heißt chinakritische Themen ging.

Nach Angaben des Hongkonger Journalistenverbands hat die Hälfte der Herausgeber der 18 Hongkonger Tageszeitungen die Berufung als Abgeordneten des chinesischen Volkskongresses und der Konsultativkonferenz angenommen. Weitere vier seien gut befreundet mit Festlandpolitikern. Das zeigt, dass sich der größere Teil der Medienmacher mit Peking wenigstens arrangiert haben.

Lai hielt und hält dagegen Distanz zu Peking; "Apple Daily" setzt auch "unerwünschte" Themen weiterhin auf die journalistische Agenda. Politisch tritt die Zeitung wie ihr Herausgeber für Demokratie und Bürgerrechte ein. Auf ihrer Titelseite forderte "Apple Daily" die Hongkonger immer wieder zu Kundgebungen auf. Die chinafreundlichen Zeitungen in Hongkong bezeichnen ihr Konkurrenzblatt als "Sprachrohr" der pro-demokratischen Bewegung.

Dadurch zog Lai den Unmut der chinesischen Regierung auf sich. Das Parteiorgan "Volkszeitung" bezeichnete ihn 2019 als "Anführer der unruhestiftenden Viererbande in Hongkong". Eine Anspielung auf die "Viererbande" der Kulturrevolution (1966-1976), die großes Leid in China verursachte. Neben Lai sind drei Veteranen der Hongkonger Demokratiebewegung gemeint: Martin Lee, Albert Ho und Anson Chan, frühere Abgeordnete im Stadtparlament Legco.

Des weiteren verteufelte die Volkszeitung Lai als "antichinesisch" und warf ihm vor, mit chinafeindlichen Kräften zu kollaborieren. So soll er angeblich in Diensten eines CIA-Agenten in Hongkong gestanden haben. Zudem habe er die "Occupy"-Bewegung finanziert, obwohl er mit seinem Zeitungsgeschäft nur rote Zahlen schreibe. Woher das Geld komme, sei - so die "Volkszeitung" - "für jeden ersichtlich".

Lai ließ sich nicht einschüchtern

Lais Medienunternehmen wurde nicht nur wirtschaftlich unter Druck gesetzt, etwa durch Anzeigenboykotte. Im Juni 2013 krachte jemand mit einem gestohlenen Auto in das Tor zum Anwesen von Lai und hinterließ ein Beil und eine Machete als Warnung. Lai wollte standhaft bleiben: "'Apple Daily' ist Teil der Hongkonger Zivilgesellschaft. Wir werden 'Apple Daily' weiter drucken, bis uns die Lizenz entzogen wird", sagte Lai im Interview mit der DW Ende Juni. Wie es nun, nach seiner Verhaftung, mit der Zeitung weitergeht, ist offen.