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Michael Krüger: Eine Verlegerlegende blickt zurück

Jochen Kürten1. Januar 2014

45 Jahre im Hanser-Verlag: Krüger prägte das literarische Leben in Deutschland wie kaum ein Zweiter. Im DW-Gespräch schildert er den Wandel im Buchhandel und die Vor- und Nachteile des Internets für die Welt der Bücher.

Schriftsteller, Verleger und Übersetzer Michael Krüger (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Verleger Michael Krüger war 45 Jahre beim renommierten Hanser-Verlag in München, die letzten 18 Jahren als dessen Chef. Der Hanser-Verlag gilt als einer der wichtigsten Buchverlage in Deutschland, insbesondere im Bereich Belletristik. Kein anderer Verlag hatte in den letzten Jahren so viele Nobelpreisträger oder Preisträger des Deutschen Buchhandels im Programm. Zum 31. Dezember 2013 geht Krüger in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird Jo Lendle, der ehemalige Verlagsleiter von DuMont.

Deutsche Welle: Nach 45 Jahren als Verleger hören Sie zum Jahresende beim Hanser-Verlag auf. Welche Gefühle - außer Wehmut - beschleichen Sie derzeit?

Michael Krüger: Mich beschleichen so viele Gefühle, dass ich sie gar nicht alle ausdrücken kann. Das erste ist, dass ich hier mein Zimmer voller Bücher und Bilder ausräumen muss. Und dabei muss ich jedes einzelne Buch in die Hand nehmen, um zu entscheiden, ob es ins Antiquariat oder nach Hause kommt. Immer wenn ich eines weglege, sagt das Buch: 'Warum schmeißt du mich weg? Ich habe dir doch einmal einige großartige Stunden vermittelt.' Dann nehme ich es wieder in die Hand. Sie können sich vorstellen, dass diese Prozedur sehr lange dauert.

In einem Interview haben Sie einmal von einem großen Hoover-Staubsauger gesprochen, den Sie bräuchten…

Ja, das wäre gut. Man muss sich überlegen, welche Bücher man in den letzten acht Jahren, in denen man noch klar im Kopf ist, lesen kann? Man braucht ja nicht mehr alle. Man braucht ein paar gute Freunde um sich herum - auch wenn man sie nicht liest. Das zweite, was ich tun muss: Ich muss einen Verlag übergeben. Das heißt, ich muss sehr viele Verträge angucken und mit Notizen versehen, damit mein Nachfolger eine Vorstellung hat. Denn er kennt ja nicht alle Autoren, mit denen ich 45 Jahre zusammengearbeitet habe. Das gilt auch für die Toten. Man muss ja auch die toten Autoren berücksichtigen.

Im Gespräch - Krüger während seiner letzten Frankfurter Buchmesse als Hanser-ChefBild: DW/J. Kürten

Buchwesen im Umbruch

45 Jahre im Buchwesen: Was war die gravierendste Veränderung aus Ihrer Sicht?

Es hat sich alles auf den Kopf gestellt. Das erste ist: der Druck. Als ich anfing, wurde noch auf einer Druckmaschine gedruckt und der Satz wurde hergestellt. Das wird heute alles elektronisch gemacht. Zweitens: die Änderung der Buchhandelslandschaft. Als ich anfing, hatten wir 2.400 Buchhandlungen allein im Westen Deutschlands. Heute haben wir hier die vier großen Ketten und vielleicht noch 400 bis 500 Buchhandlungen. Drittens: die Konzerne. Als ich anfing, war jeder Verlag für sich und hat versucht, seinem eigenen kleinen Gärtlein eine individuelle Note zu geben. Heute sind 80% der Bücher unter dem Schirm von drei Konzernen. Viertens: das Internet. Früher erhielt man ein Manuskript und konnte es in Ruhe lesen. Heute kriegt man es per Knopfdruck mit der Bitte, am Abend ein Angebot abzugeben. Also mit anderen Worten: Es hat sich eigentlich alles geändert.

Sie sind gelegentlich auch als scharfer Kritiker des digitalen Wandels in der Buchbranche aufgetreten. Es gibt aber auch optimistische Aussagen. Die Konzerne werden zwar bleiben, aber es kommen auch immer wieder viele kleinere Verlage mit sehr engagierten Büchermenschen…

Ja, selbstverständlich. Es gibt eine Fülle von interessanten Verlagen und die müssen jetzt überlegen, wie sie in der derzeitigen Buchhandelssituation ihre Bücher in den Buchhandel kriegen. Denn nur dann sind diese Bücher sichtbar. Solange wir noch ein funktionierendes Feuilleton mit Buchseiten haben, solange wird die Chance bestehen, auch interessante Bücher aus kleinen Verlagen bekannt zu machen. Die Art und Weise wie Amazon Bücher bespricht - also mit Sternen, mit unflätigen Ausdrücken oder mit lobenden Ausdrücken wie 'Spitze', 'Bravo' - ist natürlich keine Literaturkritik. Insofern bete ich darum, dass in meiner Lebenszeit die Literaturseiten der großen und auch der kleinen Zeitungen noch bestehen bleiben, weil wir - auch im Rundfunk - eine sehr gut funktionierende Literaturkritik haben, die sich auch um die Literatur kümmert und nicht nur um den Markt.

Michael KrügerBild: picture-alliance/dpa

Wie geht's weiter mit den Verlagen? Was müssen die kleineren und mittleren Verlage denn in Zukunft machen, damit sie weiterhin gute und anspruchsvolle Programme anbieten können?

Sie müssen davon leben können. Wenn ich einen Verlag mit drei Leuten habe und zwei davon geerbt haben und der Dritte hat eine Frau, die Zahnärztin ist - dann kann man mit einem Programm mit sechs bis sieben Büchern im Jahr halbwegs überleben. Wenn Sie aber zehn Festangestellte haben, dann sind Sie gezwungen, eine bestimmte Anzahl von Büchern zu verkaufen, um ihre Kosten zu bezahlen.

Ich glaube, es wird Zusammenschlüsse geben. Man wird gemeinsam ausliefern müssen. Man wird die Kosten teilen. Und da ist das Internet sehr willkommen, weil man die Programme mit Knopfdruck verschicken kann. Man muss nicht mehr zur Post gehen und hohes Porto zahlen. Man wird sicher auch darüber nachdenken, den Papiereinkauf gemeinsam zu machen. Man wird bei den kleineren Verlagen - wenn sie nicht ein ganz bestimmtes überschaubares Publikum bedienen - darauf achten müssen, wie sie ihre Bücher sichtbar machen!

Krüger

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