Verliert Gazprom seine Monopolstellung?
27. Mai 2013Noch hat Gazprom das Privileg, als Alleinverkäufer russisches Gas in alle Welt zu liefern. Das könnte sich schon bald ändern. Möglich wird das durch verflüssigtes Erdgas. Denn beim Transport dieser Energie spielt das bestehende Pipelinenetz von Gazprom keine Rolle mehr. Auch per Schiff lassen sich Kunden in aller Welt erreichen. Vor allem im asiatisch-pazifischen Raum könnte deshalb das Export- und damit auch das Preismonopol von Gazprom fallen.
Das zuständige Energieministerium in Moskau erarbeitet bereits neue Exportrichtlinien. Sie sollen auch anderen russischen Firmen die Ausfuhr von flüssigem Erdgas erlauben. Zwei große Unternehmen stehen bereits in den Startlöchern: die Energieproduzenten Novatek und Rosneft. Als Staatsunternehmen untersteht Rosneft ebenso wie Gazprom dem Kreml. Aber auch das private Unternehmen Novatek kann auf staatliche Unterstützung zählen. Denn die Inhaber der Firma sind eng mit Präsident Wladimir Putin verbunden.
Lautstarke Konkurrenz für Gazprom
Die Debatte über das Exportmonopol ist seit längerem im Gang. Bereits im Jahre 2010 unterschrieb Gazprom einen Vertrag mit Novatek. Er betrifft die westsibirische Halbinsel Jamal, die als eine der größten Gaslagerstätten weltweit gilt. Der Vertrag ermöglicht Novatek den Export von flüssigem Erdgas nach Asien. Novatek bezahlt dafür Gazprom eine Provision in Höhe von schätzungsweise zwei bis fünf Prozent auf den Verkaufserlös.
Vor ein paar Monaten bekam Novatek im Kampf gegen das Monopol von Gazprom unerwartet weitere Unterstützung. Igor Setschin, der einflussreiche Chef von Rosneft und früher in der Regierung für den Energiesektor zuständig, erklärte öffentlich, Gazprom werde keine großen Verluste machen, wenn andere russische Anbieter Erdgas in die Asien-Pazifik-Region exportieren dürften.
Bislang hatte das staatliche Unternehmen Rosneft keine Projekte im Bereich Flüssiggas. Aber vor Kurzem hat es nun 40 Lizenzen auf die Nutzung von Schelfgebieten in Russland bekommen, in denen große Mengen Erdgas vermutet werden. Setschin schlägt deshalb jetzt eine Liberalisierung des Exportes von Flüssiggas aus Schelfgebieten vor.
Gasriese gibt sich wortkarg
Setschins Äußerungen scheinen auf Zustimmung in der russischen Regierung zu stoßen. Denn kaum waren sie in der Welt, begannen die zuständigen Behörden, allen voran das Energieministerium, mit der Arbeit an neuen Exportregelungen für den Energiesektor. Inoffiziell heißt es, eine erste Bilanz dieser Tätigkeit könne schon in den nächsten Monaten vorgestellt werden. Offiziell will das Energieministerium das Thema aber derzeit nicht kommentieren.
Der Gasriese Gazprom ist an der Diskussion über neue Regelungen beteiligt, verweist aber vor allem auf die Risiken einer Liberalisierung im Exportbereich. "Angesichts der kriselnden Weltwirtschaft würde eine Konkurrenz zwischen russischen Gasherstellern auf dem Zielabsatzmarkt zu einer Senkung von Preisen und zu geringeren staatlichen Geldeinnahmen führen", so das Argument der in dieser Angelegenheit eher wortkargen Pressestelle des Unternehmens.
Herausforderung für die Unternehmensstrategie
Um die Risiken für Gazprom zu mindern, könnte die Aufhebung des Exportmonopols etappenweise erfolgen, meint Dmitrij Tschernjadew, Energieexperte der Wirtschaftsberatung Alfa Capital. Während Asien schon bald auch zum Geschäftsfeld neuer Anbieter werden könnte, bliebe Europa vorerst die Domäne von Gazprom. "Die Behörden tendieren zu dieser Variante, da sie fürchten, dass eine Exporterlaubnis für Flüssigerdgas nach Europa unnötigen Konkurrenzdruck auf dem europäischen Markt schaffen und die Preise noch weiter nach unten treiben könnte", erklärt Tschernjadew.
Experten gehen aber davon aus, dass Gazprom auf lange Sicht seine komplette Unternehmensstrategie ändern muss. Das bisherige Geschäftsmodell mit langfristigen Verträgen und einer Preisbindung von Gas an den Ölpreis werde auf den Prüfstand kommen. Sergei Pikin, Direktor der Stiftung für Energieentwicklung, meint, Gazprom werde auch in Bezug auf die europäischen Klienten umdenken. "Der Konzern muss flexibler werden, sonst besteht die Gefahr, sehr schnell einen bedeutenden Anteil des Marktes zu verlieren", warnt der Experte.