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Politik

Verliert Taiwan den Vatikan als Verbündeten?

Bihui Chiu | Tian Miao | Sebastian Hambach
6. Februar 2018

Eine möglicherweise bevorstehende Normalisierung der Beziehungen zwischen China und dem Vatikan lässt in Taiwan die Alarmglocken schrillen. Chiu Bihui und Sebastian Hambach berichten aus Taipeh.

Papst Franziskus I. (li) beim Gruppenbild mit chinesischen Gläubigen
Bild: picture-alliance/Pressefoto ULMER/A. Lingria

Peking und der Vatikan stehen im Streit über die Zuständigkeit bei Bischofsernennungen auf dem kommunistischen Festland möglicherweise kurz vor einer Einigung, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet. Dies könnte ein erster Schritt zur Wiederherstellung diplomatischer Beziehung sein. Der Heilige Stuhl unterhält bislang offizielle Beziehungen zur Republik China, wie sich Taiwan offiziell nennt, und ist damit der letzte diplomatische Verbündete Taiwans in Europa. Die allermeisten Länder weltweit akzeptieren Pekings "Ein-China-Prinzip", was eine Anerkennung Taiwans - aus Pekings Sicht eine "abtrünnige Provinz" - ausschließt.

Taiwan diplomatisch isoliert

Nach dem Amtsantritt der chinakritischen Präsidentin Tsai Ing-wen 2016 ist die Inselrepublik außenpolitisch noch stärker isoliert worden. Nach dem westafrikanischen Inselstaat Sao Tomé und Príncipe erkannte 2017 auch das zentralamerikanische Panama die Regierung von Peking an. Derzeit unterhält Taiwan nur noch diplomatische Beziehungen zu 20 Ländern, die meisten davon Klein- und Kleinststaaten in Mittelamerika und im Pazifik.

Botschaftsgebäude vom Vatikan auf TaiwanBild: picture-alliance/dpa/H. Lin

Laut der von Reuters zitierten anonymen hochrangigen Quelle aus dem Vatikan besteht derzeit eine informelle Vereinbarung mit Peking, dass sieben von Peking anerkannte Bischöfe nach einem entsprechenden Akt der Vergebung durch den Papst in den Augen der katholischen Kirche nachträglich legitimiert werden sollen.

Teilung der Kirche in China

Auf dem Festland sind knapp sechs Millionen Katholiken in der staatlichen "Katholischen Patriotischen Vereinigung" vereint. Ihr Motto lautet: Selbstverwaltung, Selbstunterstützung und Selbstverkündung, also völlige ideelle und materielle Unabhängigkeit vom Ausland, sprich vom Vatikan. Peking beansprucht deswegen auch das Recht zur Bischofsweihe. Schätzungsweise weitere zwölf Millionen papsttreue Gläubige sind dagegen in der sogenannten "Untergrundkirche" versammelt.

Diese Teilung in der katholischen Gemeinde Chinas lehnte der Vatikan bisher strikt ab. 2007 schrieb der deutsche Papst Benedikt in einem Brief an die Katholiken in der Volksrepublik China: "Die Gemeinschaft und die Einheit … sind wesentliche und integrale Bestandteile der Kirche. Daher ist der Plan einer - im religiösen Bereich - vom Heiligen Stuhl 'unabhängigen' Kirche unvereinbar mit der katholischen Lehre."

Eine offizielle Kirche in China. Auf dem Plakat ein Zitat der Bibel: "In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen" Bild: DW

Sein Nachfolger, Papst Franziskus, schlägt demgegenüber versöhnlichere Töne an. 2013 gratulierte er Xi Jinping schriftlich zu dessen Wahl zum Staatspräsidenten. 2014 gewährte China zum ersten Mal den Überflug einer päpstlichen Maschine durch den chinesischen Luftraum, 2015 ein zweites Mal. Im traditionellen Telegramm an China während des Überflugs erbat Papst Franziskus den göttlichen Segen für Frieden und Wohlergehen Chinas und erklärte, er sei bereit, China jederzeit zu besuchen.

Sorgen in Taiwan

Selbst einer Einigung bei der Ernennung von Bischöfen müsse aber nicht zwangsläufig auch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen folgen, glaubt Lee Cheng-hsiu von der Denkfabrik "National Policy Foundation", die der taiwanischen Oppositionspartei Kuomintang (KMT) nahesteht. Allerdings würde damit eine weitere wichtige Schranke für einen solchen Schritt abgebaut, sagt Lee der Deutschen Welle.

Parteiübergreifend forderten Parlamentarier in Taiwan vom Außenministerium, sich auf den Ernstfall vorzubereiten. Sie befürchten unter anderem Auswirkungen, die ein möglicher Abbruch der Beziehungen mit dem Vatikan auf Taiwans verbliebene diplomatische Verbündete im katholisch geprägten Süd- und Mittelamerika haben könnte. Unklar ist auch, wie die etwa 300.000 Katholiken in Taiwan auf einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen reagieren könnten.

Taiwans Außenministerium teilte unterdessen mit, dass man die Annäherung zwischen Peking und Vatikan genau verfolge. Eine hochrangige Beamtin des Ministeriums verwies vor einer Woche noch beschwichtigend darauf, dass man die Beziehungen mit dem Vatikan weiter vertiefen wolle. Bereits jetzt arbeite man eng auf dem Gebiet der humanitären Hilfe zusammen. Außerdem schätze der Heilige Stuhl, dass in Taiwan - anders als in China - die Religionsfreiheit garantiert werde.

Eine Kirche in der zentralchinesischen Provinz Shanxi wurde Anfang Januar 2018 zerstörtBild: picture alliance/AP Photo/China Aid

"China ignoriert Religionsfreiheit"

Schon 2014 gab es Meldungen, wonach China und der Vatikan sich bei der Frage der Bischofsernennung geeinigt hätten. Vier Jahre später bleibt der Durchbruch immer noch aus. Als Vorlage könnte dabei das sogenannte "Vietnam-Modell" dienen, bei dem sich der Heilige Stuhl und Hanoi gemeinsam über die Ernennung der Kandidaten absprechen, bevor diese vom Papst ernannt werden. Doch Peking betrachtet auch eine Bischofsweihe als "innere Angelegenheit", in die sich kein anderer "einmischen" darf.

Zu einer möglichen Einigung zwischen Peking und Vatikan würden auch neue chinesische Richtlinien zur Religionspolitik schlecht passen. Am 1. Februar trat eine neue "Verordnung über die Angelegenheiten der Religionen" in China in Kraft. Unter anderem heißt es dort: "Religiöse Organisationen, Bildungseinrichtungen, Veranstaltungsräumlichkeiten und Aktivitäten dürfen nicht von Kräften aus dem Ausland beeinflusst werden."

Südkathedrale in PekingBild: picture-alliance/dpa/S. Scheuer

Die Gesellschaft für bedrohte Völker mit Sitz in Frankfurt berichtet in diesem Zusammenhang über zunehmende Repressalien gegen Religionsgemeinschaften wie zum Beispiel das Verbot von kirchlichen Jugendlagern.

Von vielen Christen in China werde es als "befremdlich" empfunden, dass der Vatikan die negativen Zeichen hinsichtlich der Religionsfreiheit ignoriere, nur um den Annährungsprozess an die chinesische Regierung nicht zu gefährden, sagt Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker im Interview mit der DW. "Da fragen sich viele Katholiken, was dieser Prozess für sie konkret bringen wird. Sie haben jetzt das Gefühl, dass ihre Freiheiten kleiner werden."

Auf Taiwan gehen Experten fest davon aus, dass der Vatikan den Kuschelkurs mit der KP-Führung in Peking fortsetzen wird. "Sobald Xi eine Einladung ausspricht, wird der Papst sie auch annehmen", so Kung Ling-hsin, Kulturwissenschaftler und Professor an der Mingchuan-Universität in Taipeh.

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