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Vernachlässigte Tropenkrankheiten treffen meist die Armen

Gudrun Heise
28. Januar 2022

Weltweit leiden rund 1,7 Milliarden Menschen unter vernachlässigten Tropenkrankheiten. Es trifft meist die Menschen in armen Regionen. Die Umsetzung von Plänen zur Ausrottung der Krankheiten aber verzögern sich.

Onchozerkose - Flussblindheit
Bild: Christoffel-Blindenmission/dpa/picture-alliance

Einen großen Teil der sogenannten vernachlässigten Krankheiten machen die Flussblindheit und die Elefantiasis aus. Die Folgens sind meist furchtbar. Menschen, die etwa von der Flussblindheit betroffen sind, können ihr Sehvermögen komplett verlieren, sie erblinden. Die Elefantiasis, oder lymphatische Filariose, führt zu einem Lymphstau. Beine, Füße und Arme der Menschen können sich um ein Vielfaches vergrößern. Der Name Elefantiasis kommt nicht von ungefähr. Beine und Füße können so dick werden wie die von Elefanten. Bei Männern kann es auch zum Lymphstau im Hoden kommen. Im Extremfall wird er so groß wie ein Medizinball. Beide Erkrankungen werden durch Fadenwürmer ausgelöst.

"Knapp 900 Millionen Menschen leben in Risikogebieten für die lymphatische Filariose. Bei etwa 40 Millionen hat die Krankheit bereits zu extremen Lymphschwellungen geführt. Die Beine und die Arme können derart stark anschwellen, dass diese Menschen kaum noch laufen können", sagt Marc Hübner vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie an der Universität Bonn.

The Big Five

Seit 2017 zählen laut der WHO zwanzig Erkrankungen zu den vernachlässigten und armutsassoziierten Tropenkrankheiten, Neglected Tropical Diseases (NTDs), wobei fünf der Erkrankungen für etwa neunzig Prozent der NTDs verantwortlich sind. Dazu gehören Elephantiasis (Lymphatische Filariose), Flussblindheit (Onchozerkose), Trachom (eine bakterielle Entzündung des Auges) und Bilharziose (Schistosomiasis), bei der Venen der Harnblase oder des Darms von ein bis zwei Zentimeter langen Saugwürmer befallen werden. Geohelminthen gehören ebenfalls zu den wichtigen fünf Krankheiten. Es sind parasitisch lebende Würmer, deren Eier oder Larven direkt in den Organismus des Wirts gelangen.

Der sogenannte Pärchenegel löst Bilharziose ausBild: picture-alliance/OKAPIA

Parasiten sind wichtige Auslöser

Die Bilharziose ist eine parasitäre Tropenerkrankung, bei der sich Menschen beispielsweise in kontaminierten Gewässern infizieren können. Der Erreger ist ein Saugwurm, der auch als Pärchenegel bezeichnet wird, da das Weibchen ständig in der Bauchfalte des Männchens lebt. 

"Dass sich Kinder häufiger anstecken, liegt ganz einfach an ihrem Verhalten. Gerade Kinder baden ja gerne in stehenden Gewässern, wenn es heiß ist. Erwachsene können sich natürlich auch infizieren, aber das passiert seltener, und ab einem Alter von circa 20 Jahren sehen wir auch den Einfluss einer Teilimmunität", erklärt Achim Hörauf. Er ist Vorstandsmitglied des DNTD (Deutsches Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten) und Direktor am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie an der Universität Bonn.

Bei den verschiedenen Formen der Bilharziose komme es oft zu schwerwiegenden Folgeschäden, so Hörauf. Das können Blasenkarzinome sein oder schlimme Leberschäden wie Zirrhose. Mehrere hundert Millionen Menschen sind mit dem Erreger infiziert, und bei etlichen weiteren Millionen besteht die Gefahr, dass sie sich anstecken könnten, weil sie in Risikogebieten leben.

Die Folgen der Erkrankungen, etwa schwere Behinderungen, führen dazu, dass Kinder nicht in die Schule gehen können und Erwachsene nicht zur Arbeit. Das wiederum wirkt sich auf die soziale und wirtschaftliche Situation ganzer Regionen aus.

Gefährliche Würmer

Wirksame Medikamente gegen Fadenwürmer gibt es zwar, aber sie töten vor allem die Nachkommen der erwachsenen Würmer ab, die Mikrofilarien. "Die adulten Würmer können sehr lange leben. Bei der Flussblindheit bis zu fünfzehn Jahre, bei der lymphatischen Filariose fünf Jahre. Das ist das Problem bei der Eliminierung. Eine Massenbehandlung muss über einen sehr langen Zeitraum jedes Jahr durchgeführt werden", erklärt Hübner.

Deshalb entwickeln die Forscher Medikamente, die diese adulten Würmer abtöten. Nach jahrelanger Forschung und dem Screening mehrerer 100.000 potentieller Substanzen - gefördert durch die "Bill and Melinda Gates Foundation" und die "Drugs for Neglected Disease Initiative" (DNDI) befinden sich nun drei Medikamente in der klinischen Erprobung. 

Hübner und seine Kolleginnen und Kollegen arbeiten an der Universität Bonn mit Würmern, bei denen die Männchen bis zu drei Zentimeter lang sind, die Weibchen etwa acht Zentimeter. Aber es geht noch drastischer: Bei einigen humanpathogenen Filarien, also solchen, die beim Menschen die Flussblindheit auslösen können, werden die Weibchen bis zu 70 Zentimeter lang. "Diese Würmer sitzen in subkutanen Knoten, also unter der Haut", erläutert Hübner. 

Armut und schlechte hygienische Bedingungen sind wesentliche Faktoren bei TropenkrankheitenBild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO/S. Wolf-Feix

Die Ärmsten der Armen

Ein wichtiger Grund für die Milliarden an NTDs Erkrankten ist die Armut. Die Krankheiten gibt es vor allem in einkommensschwachen Ländern in Afrika und in Asien, aber auch in Lateinamerika. Dort ist die Chagas-Krankheit noch immer ein großes Problem. Sie führt zu Entzündungen des Herzens, des Darms oder auch des Gehirns, die lebensbedrohlich sein können.

Übertragen werden die Parasiten durch Raubwanzen. "Die gibt es nachts vor allem in Schilfdächern", so Hörauf. "Wenn ich in einer einfachen Behausung lebe, mit einem einfachen Dach, dann habe ich automatisch ein Habitat, in dem Chagas relativ leicht übertragen werden kann." Wer mehr Geld hat und sich ein modernes Haus bauen kann, habe diese Wanzen gar nicht erst.

Mühsames Unterfangen

20 Institutionen, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen hatten 2012 die sogenannte London-Erklärung unterzeichnet. Auch Stiftungen und Pharmaunternehmen waren daran beteiligt. Das Ziel: Die wichtigsten NTDs sollten bis 2020 eliminiert werden. Das aber hat nicht geklappt. Neues Ziel ist jetzt das Jahr 2030.

Die sogenannte Roadmap, der neueste, globale Fahrplan zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten sieht vor, möglichst vielen Menschen Zugang zu Medikamenten zu gewähren.

Noch besser aber wäre es, wenn sich die Krankheiten gar nicht erst entwickelten. Das deutsche Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten macht sich für eine erfolgreiche Vorbeugung und Behandlung der NTDs stark und unterstützt die Vorhaben der WHO, viele der vernachlässigten Tropenkrankheiten bis 2030 regional zu eliminieren und oder ganz auszurotten.

Dieser Artikel wurde am 28. Januar 2022 aktualisiert.

 

 

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