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Verpasste Chancen statt Neubeginn in Mali

Dirke Köpp15. Dezember 2013

Am 4. September wurde Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita vereidigt. 100 Tage sind seitdem vergangen. Das Land steckt weiter in der Krise. Ein Frieden mit den Tuareg-Rebellen ist nicht in Sicht. Eine magere Bilanz.

Tuareg im Norden Malis
Bild: Kenzo Tribouillard/AFP/Getty Images

Die Lösung des Konflikts im Norden des westafrikanischen Landes Mali scheint wieder in weite Ferne gerückt: Ende November kündigten die Tuareg der separatistischen Gruppe "Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad" (MNLA) den Waffenstillstand mit dem malischen Staat auf. Die Zeit der Warnungen sei vorbei, teilten MNLA-Vertreter mit. Hintergrund waren wiederholte Zusammenstöße mit der malischen Armee. Ein herber Rückschlag für Präsident Ibrahim Boubacar Keita - bekannt unter seinen Initialen IBK - der am 4. September vereidigt wurde und nun seit 100 Tagen im Amt ist.

Die Liste der Dinge, die IBK regeln muss, ist lang - die Bilanz bislang dürftig. Außer dem Konflikt mit den separatistischen Tuareg gibt es drei große Baustellen: Die Wirtschaft liegt nach anderthalb Jahren Staatskrise am Boden. Korruption und organisiertes Verbrechen blühen. Hinzu kommen neue Vorwürfe. Die Journalisten-Organisation "Committee to Protect Journalists" (CPJ) berichtet etwa von einem Fall, in dem die Regierung einen Bericht über illegale Tötungen durch die malische Armee zensiert habe. Es gibt also viel zu tun für IBK, der von der internationalen Gemeinschaft viele Vorschusslorbeeren bekommen hatte.

Malis Präsident IBK gibt seine Stimme bei der ersten Runde der Parlamentswahlen im November 2013 abBild: Habibou Kouyate/AFP/Getty Images

Wenig Vertrauen in die Politik

Je nachdem wie die Parlamentswahlen am Sonntag (15.12.) ausgehen, bekommt der Staatschef mehr oder weniger starken Gegenwind von der Opposition. Da bei der ersten Abstimmungsrunde am 24. November keine Partei die absolute Mehrheit erreicht hatte, werden die rund 6,5 Millionen wahlberechtigten Malier erneut an die Urnen gerufen. Im ersten Wahlgang lag die Wahlbeteiligung indes bei mageren 38,5 Prozent.

Für Julia Leininger, Afrika-Koordinatorin beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn, ist die schlechte Wahlbeteiligung ein Warnsignal. Die Malier interessierten sich kaum für die Politik in ihrem Land. Leininger erklärt dies mit mangelndem Vertrauen in die Politiker und mit dem wenig erfolgreichen Kampf gegen die Korruption. "Der erste demokratisch gewählte Präsident ist mit dem Kampf gegen die Korruption angetreten und hat das relativ konsequent umgesetzt", erläutert Leininger. Unter Ex-Präsident Amadou Toumani Touré, der 2012 gestürzt wurde, sei dieser Kampf aber wieder eingeschlafen. "Und im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung ist hängen geblieben, dass die politische Elite korrupt ist."

Bild: AHMED OUOBA/AFP/Getty Images

Der Friedensprozess hakt

Keitas Erfolg werde daher vor allem am Erfolg im Kampf gegen die Korruption gemessen werden, glaubt Leininger. Dabei spiele auch die Frage eine Rolle, ob Ex-Präsident Touré für korrupte Machenschaften in dessen Amtszeit belangt werde.

Die Gebergemeinschaft pocht zudem auch auf den Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Die Schwierigkeit: Viele, auch hochrangige Politiker im Land profitierten von Waffen- und Drogenhandel, Menschenschmuggel oder Autoverschiebung über die Grenzen hinweg. Entsprechend gering sei das Interesse IBKs, gezielt dagegen vorzugehen, sagt Mali-Expertin Leininger.

Auch im Friedensprozess mit den Tuareg-Rebellen hakt es. Georg Klute, Professor für Politik und Staat in Afrika an der Uni Bayreuth und Tuareg-Experte, führt das auf das "wenig kreative Vorgehen" des Präsidenten zurück: "IBK setzt, was den Norden angeht, offensichtlich auf eine Strategie des Abwartens. Die MNLA soll zermürbt werden. IBK hat ganz eindeutig gesagt: Alles kann verhandelt werden außer Autonomie und Unabhängigkeit."

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Genau dies aber ist die Hauptforderung der Tuareg, die seit Jahrzehnten um Unabhängigkeit kämpfen. Nach dem Sturz von Präsident Touré hatten Tuareg-Rebellen 2012 das Machtvakuum genutzt und mit islamistischen Gruppen vorübergehend den gesamten Norden Malis unter ihre Kontrolle gebracht. Erst eine militärische Intervention Frankreichs im Januar 2013 stoppte den Vormarsch. Im Juni schlossen Tuareg-Rebellen und malischer Staat das nun von den Tuareg aufgekündigte Friedensabkommen.

Ein förderaler Staat nach deutschem Beispiel?

Langfristig, so Klute, sollte man überlegen, ob Mali ein föderalen Staat nach deutschem Beispiel werden könnte. Ebenso hätte IBK eine öffentliche Grundsatzdebatte im ganzen Land über die Zukunft des Nordens anregen können. Es sei wichtig zu wissen, wie der Rest Malis zu einem Tuareg-Staat stehe, so Klute. Stattdessen aber drehten sich die Verhandlungen um Detailfragen. "Es wird geredet werden über Amnestie, über Zuwendungen, die dann im Wesentlichen aus Entwicklungshilfegeldern bezahlt werden, die Mali zugesagt wurden", sagt der Professor. "Aber es hat nicht den Anschein, dass sich so etwas wie eine weitergehende Dezentralisierung der politischen Strukturen oder eine föderale Struktur verhandeln ließe."

Bild: picture-alliance/AP

Der Tuareg-Experte betont jedoch auch, dass es sich bei der Bevölkerung des Nordens und insbesondere bei den Tuareg um eine Minderheit handele. Laut einer Volkszählung von 2009 sprechen nur 3,5 Prozent der Malier die Tuareg-Sprache Tamaschek. Ihre Stimme klinge jedoch - vor allem in der Wahrnehmung von außen - viel lauter.

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