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Islands allweihnachtliche Bücherflut

Sven Töniges mit afp
24. Dezember 2019

Seit Jahrzehnten ist es in Island Tradition, zu Weihnachten vor allem Bücher zu verschenken. Jolabokaflod heißt das Phänomen: Die Weihnachts-Bücherflut. Die Buch-Verrücktheit der Isländer hat historische Gründe.

Island Fahrrad Beleuchtung Weihnachten
Bild: picture-alliance/dpa/K. Langenberger

Alljährlich im November rollt eine Art Tsunami auf Island zu, dem die Isländer nicht nur gelassen entgegensehen sondern freudig Vorschub leisten: es ist die Jolabokaflod, Weihnachts-Bücherflut - die Tradition, zu Weihnachten vor allem Bücher zu verschenken. Laut isländischem Verlegerverband verschenken 70 Prozent der Isländer zu Weihnachten mindestens ein Buch.

Der überwiegende Teil der in Island verlegten Bücher erscheint erst im Spätherbst. Im November des gleichen Jahres wird dann der Bokatindi veröffentlicht: ein opulenter - in diesem Jahr - 84-seitiger Katalog, der an alle Haushalte verteilt wird. Er enthält sämtliche isländischen Neuerscheinungen aller Literatur-Genres.

Die Weihnachtsbräuche in Island (hier ein Wegeschild am Polarkreis) sind sehr eigenBild: picture-alliance/dpa/G. Ismar

Auf die bange Frage "Was soll ich dieses Jahr bloß schenken?" finden die Isländer hier meist eine Antwort. Zugleich senken die 83 Buchhandlungen im Inselstaat in der Vorweihnachtszeit massiv die - im internationalen Vergleich beachtlichen - Preise für Bücher. Doch auch die Supermärkte und Discounter öffnen der Jolabokaflod Tür und Tor und bieten vor Weihnachten Bücher fast zu Ramschpreisen an. 

Im Land der Bücher-Freaks

Dass die Isländer ein besonderes Verhältnis zum Lesen und zu Büchern haben, machte bereits die Frankfurter Buchmesse deutlich, die Island 2011 zum Ehren-Gastland einlud und damit einen kleinen Hype der isländischen Literatur triggerte.

Damals sprach Islands Ex-Präsidentin Vigdís Finnbogadóttir zur Eröffnung davon, wie Geschichten und Bücher das Land im hohen Norden seit Jahrhunderten "erwärmten" und unterstrich dabei die Kontinuität der isländischen Sprache, das sich seit der Zeit der Sagas vor etwa einem Jahrtausend kaum verändert habe.

In Island sehen sogar die Weihnachtsmänner wie kleine Trolle aus - und bringen zahllose Bücher als Weihnachtsgeschenke Bild: Imago Images/T. Seeliger

Tatsächlich ist das alt-isländische Erzählwerk der Sagen und Epen so gut erhalten wie keine andere nordische Literatur. Dieses Alleinstellungsmerkmal machte Literatur zentral für die Identität des kleinen Landes, als es 1944 nach jahrhundertelanger Herrschaft Norwegens und Dänemarks schließlich unabhängig wurde. Im Jahr 1955 trug der Literaturnobelpreis für den Isländer Halldór Laxness das Land dann auch prominent auf der Karte der modernen Weltliteratur ein. So wurde der Inselstaat zu einem Land der Buch-Freaks.

Einer Studie von 2013 zufolge lesen 90 Prozent der Isländer mindestens ein Buch im Jahr - mehr als die Hälfte liest sogar mehr als acht. Obwohl Island das am dünnsten besiedelte Land in Europa ist, liegt es nach Angaben des internationalen Verlegerverbandes IPA bei den Bucherscheinungen pro Kopf an zweiter Stelle - hinter Großbritannien.

Wehe, wem kein Buch geschenkt wird

"Literatur ist meine Therapie", schrieb Islands Premierministerin Katrin Jakobsdottir 2018 für das Vorwort der deutschen Ausgabe eines Jolabokaflod-Bücherkatalogs. So sei es auch für die Regierungschefin - wie für die meisten Isländer - der Höhepunkt des Weihnachtsfestes, sogleich nach dem gemeinsamen Dinner im Familienkreis mit Lesen des neuen Buchs zu beginnen. Und dem fügte sie hinzu, dass es "ziemlicher Mist" sei, in Island kein Buch geschenkt bekommen zu haben.

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