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Verschwundene Bilder: Thomas Ziegler

27. September 2010

In einem Getreidespeicher lagern übriggebliebene Kunstwerke der DDR. Eine improvisierte Lösung für Bilder, die nach der Wende keiner mehr sehen wollte. Hier wurden auch einige kunsthistorische Kostbarkeiten abgestellt.

Mit einem langen, summenden Piepston öffnet sich die Tür zum Kunstarchiv Beeskow. Die Sicherungsanlage ist durchaus professionell, das Kunstdepot weniger: In einem über 100 Jahre alten Getreidespeicher lagern rund 23.000 Kunstgegenstände aus der DDR, davon 1500 Gemälde.

"Wir versuchen nach besten Wissen und Gewissen gute Bedingungen für die Werke zu schaffen. Aber mit einem Jahresbudget von rund 100.000 Euro sind uns die Hände gebunden", sagt Ilona Weser, Leiterin des Kunstarchivs Beeskow. Sie zeigt auf die Regale "Marke Eigenbau" und erzählt von einer Klimaanlage, die mehr oder minder ein angemessenes Raumklima gewährleistet.


Thomas Ziegler, Sowjetische Soldaten 1987, 1987, Öl auf Leinwand, vierteiliges Bild, je 158 x 127 cm, Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, Bezirksleitung Berlin, 2004, Kunstarchiv Beeskow


Archiv der vergessenen Kunstwerke

Im Kunstarchiv Beeskow lagern all diejenigen Kunstobjekte, die in den Wendewirren übrig geblieben sind. "1990 wurden die Kunstwerke von der Treuhand eingesammelt, die in öffentlichen Gebäuden hingen. Wissenschaftler empfahlen damals, die Kunstwerke an eine Stelle zu geben, um sie wissenschaftlich aufzuarbeiten", erklärt Ilona Weser den Charakter dieser rein zufälligen Sammlung. Doch die neuen Bundesländer konnten sich untereinander nicht einigen. In Beeskow lagern daher nur die Kunstwerke der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin – mehr hätten wohl auch in den alten Getreidespeicher nicht reingepasst.

Im ersten Stock des improvisierten Depots lehnt eine unüberschaubare Anzahl von Gemälden aneinander. Vier davon fallen wegen ihrer hellblauen Rahmen besonders auf. Ilona Weser zieht die Bilder hervor und lehnt sie an eine Raumstütze. "Das ist Maestro Ziegler, ein vierteiliger Zyklus, der Soldaten in damals ziemlich unüblichen Posen darstellt." Auf jedem der vier Gemälde sitzt ein sowjetischer Soldat auf einem Balken, einer ist mit verschränkten Armen dargestellt, ein anderer mit gefalteten Händen, ein weiterer rutscht den Balken hinab. Die Hintergrundfarbe springt einen förmlich an: ein knalliges zinnoberrot.

"Sowjetische Soldaten 1987", Mischtechnik auf Leinwand, 4 Teile, je 158 x 127 cm, 1986/87, T. ZieglerBild: Ziegler

"Wackeligkeit der Situation"

"Die Sowjetischen Soldaten 1987" sind ein wichtiges Werk des Malers Thomas Ziegler. Gelernt hat der heute 63 Jahre alte Künstler sein Handwerk an der renommierten Leipziger Hochschule für Grafik und Buchdruck. Für den Bilderzyklus "Sowjetische Soldaten" saßen dem Maler damals tatsächlich vier junge sowjetische Soldaten Modell.

Der Titel lässt vermuten, dass es sich um ein Gemälde im Sinne des sogenannten sozialistischen Realismus handelt, der propagierte Kunststil der DDR. Die Männer auf Zieglers Bildern wirken jedoch nicht wie linientreue Helden. "Mir ging es darum, die damalige Situation abzubilden", sagt Ziegler. "Erst während des Malens ist mir die Konzeption der Bilder klar geworden: Dass die Soldaten auf gezeichneten Bohlen sitzen müssen, damit die Wackeligkeit der damaligen Situation zwei Jahre vor dem Zusammenbruch rauskommt." Damit habe er eine vollkommen neue Ikonografie der Sowjethelden geschaffen.

Zu dem Bilderzyklus wurde Thomas Ziegler durch Gorbatschows Perestroika inspiriert, die neue politische Offenheit der Sowjetunion, von der die Funktionäre in der DDR aber erst einmal nichts wissen wollten. Gemalt hatte Ziegler die Bilder daher auch auf eigene Faust. Erst danach suchte er nach einem Käufer. Das war wegen der kritischen Aussagekraft der Bilder nicht leicht. Doch mit einigen Tricks gelang es ihm, die Bilder der Gesellschaft für "Deutsch-Sowjetische Freundschaft" zu verkaufen.

Auftragskunst = Kunst ?

Maler Thomas ZieglerBild: Ziegler

Thomas Zieglers "Sowjetische Soldaten 1987" waren zwar kein Auftragswerk, aber wie fast alle Künstler in der DDR hat auch er Auftragsarbeiten ausgeführt. Für ihn ist diese Unterscheidung jedoch fragwürdig. "Auftragskunst gibt es seit Kunst in Auftrag gegeben wurde. Die Renaissance wäre ohne Auftragskunst nicht möglich gewesen, Auftragskunst ist nichts Negatives, Auftragskunst ist Kunst", sagt Ziegler. Er fügt hinzu: "Es ist doch durchaus nachvollziehbar, dass es in der DDR keine reichen Kunstsammler gab. Ja, wie denn? Nur der Staat konnte Kunst kaufen, aber das sagt doch noch lange nichts über die Kunst aus."

Ihn ärgert es, dass Gemälde von ostdeutschen Künstlern auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung pauschal den Stempel "Staatskunst" aufgedrückt bekommen. Dabei hatten seine "Sowjetischen Soldaten 1987" für viel Wirbel gesorgt. Als Peter Nisbet, Kurator des Museums der Harvard University, eine Ausstellung mit dem Titel "Twelve artists from the GDR" vorbereitete, wurde er auch auf Zieglers Bilder aufmerksam.

Nicht ohne Zieglers Soldaten!

Doch als er dann bei den DDR-Kulturfunktionären anfragte, ob er die Bilder für die Dauer der Ausstellung leihen könne, waren sie von seiner Anfrage nicht begeistert. "Die wollten das auf keinen Fall und haben dem Herrn Nisbet daher erzählt, dass ich ein anti-amerikanisch orientierter Künstler wäre, der im Reagan-regierten Amerika nicht ausstellen will." Ziegler war zu diesem Zeitpunkt in Nicaragua, wurde weder informiert, noch gefragt. "Nisbet hat die Sache zum Glück nicht akzeptiert und gesagt, wenn meine Bilder nicht mitkommen, lässt er die ganze Ausstellung platzen. Und darauf hin wurde klein beigegeben und die Ausstellung fand statt."

Thomas Ziegler fühlt sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass diese für ihn wichtigen Bilder in einem Getreidespeicher lagern. Zwar werden die "Sowjetischen Soldaten 1987" häufig von verschiedenen Ausstellern beim Kunstarchiv Beeskow angefragt, gerade wegen der starken Aussagekraft über die "Wackeligkeit" der damaligen Situation. Deswegen findet er aber auch: "Die Bilder wären an einem ständigen Standort, in einem Museum oder einem öffentlichen Gebäude, viel besser aufgehoben."

Autorin: Nadine Wojcik

Redaktion: Conny Paul

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