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KonflikteIsrael

Versehentliche Tötung von Geiseln erschüttert Israel

Veröffentlicht 16. Dezember 2023Zuletzt aktualisiert 16. Dezember 2023

Das israelische Militär hat bei Kämpfen im Gazastreifen aus Versehen drei israelische Geiseln erschossen. Der Vorfall löste in Israel große Trauer, aber auch Proteste aus.

Demonstranten in Tel Aviv fordern ein neues Abkommen zur Freilassung der verbliebenen Geiseln
Diese Demonstranten in Tel Aviv fordern ein neues Abkommen zur Freilassung der verbliebenen Geiseln Bild: AHMAD GHARABLI/AFP

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete den Tod der Geiseln als "unerträgliche Tragödie". Er erklärte: "Der gesamte Staat Israel trauert an diesem Abend." Die US-Regierung bezeichnete den Tod der Geiseln als "herzzerreißend" und "tragisch". Die drei Männer, die von der militant-islamischen Palästinenserorganisation Hamas verschleppt worden waren, waren von israelischen Soldaten während der Kämpfe in Schedschaija im Norden des Gazastreifens erschossen worden.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spricht von einer TragödieBild: Ronen Zvulun/AP Photo/picture alliance

Die Armee äußerte "tiefstes Bedauern über den tragischen Vorfall". Armeesprecher Daniel Hagari versprach eine "transparente Untersuchung". Nach seinen Angaben hatten die Soldaten die drei Geiseln "versehentlich als Bedrohung identifiziert". Daraufhin hätten die Soldaten auf die Geiseln geschossen, "und sie wurden getötet". Laut Hagari vermutet die israelische Armee, dass die drei Geiseln entweder der Hamas entkommen oder von ihren Entführern freigesetzt worden waren.

Die drei Geiseln hatten ein weißes Tuch an einem Stock in die Höhe gehalten. Das ergab eine vorläufige erste Untersuchung des Vorfalls, wie ein israelischer Militärsprecher inzwischen mitteilte. Die Schüsse seien in einem Gebiet mit intensiven Kämpfen gefallen, in dem Hamas-Kämpfer in ziviler Kleidung operieren und Täuschungsmethoden anwenden würden. Im Zuge der militärischen Operation sei gegen die Einsatzregeln der Armee verstoßen worden, fügte der Sprecher hinzu.

Mehr Vorsicht walten lassen

Die Streitkräfte Israels wurden nach dem Tod der Geiseln zu erhöhter Vorsicht angewiesen. "Wir haben unseren Soldaten gesagt, dass sie zusätzliche Vorsicht walten lassen sollen, wenn sie mit Personen in Zivilkleidung konfrontiert werden", sagte Militärsprecher Jonathan Conricus dem US-Fernsehsender CNN. 

Demonstrierende blockieren die Hauptstraße von Tel Aviv und fordern die Freilassung der GeiselnBild: JACK GUEZ/AFP

Die Leichen der drei Geiseln wurden inzwischen nach Israel gebracht. Die Streitkräfte identifizierten die Todesopfer als den 26-jährigen Alon Lulu Schamris und den 28-jährigen Heavy-Metal-Schlagzeuger Jotam Haim, die beide aus dem Kibbuz Kfar Asa entführt worden waren, sowie den 25-jährigen Beduinen Samer El-Talalka aus dem Kibbuz Nir Am.

Protestkundgebung in Tel Aviv

Kurz nach dem Bekanntwerden der versehentlichen Tötung gingen am Freitagabend Hunderte Menschen in Tel Aviv aus Protest auf die Straße. Auf Bildern im Fernsehen war zu sehen, wie sich große Menschenmengen im Zentrum der Küstenstadt versammelten und eine Hauptstraße blockierten. Sie forderten von der Regierung, sich für die sofortige Freilassung der Geiseln einzusetzen. Mit Plakaten, Spruchbändern und Postern mit den Namen und Bildern vieler Geiseln marschierten die Demonstranten zum Hauptquartier der Armee. Wie die Nachrichtenseite ynet berichtete, schütteten sie rote Farbe auf die Straße. "Ihre Zeit wird knapp! Bringt sie jetzt nach Hause", riefen die Menschen. Sie kritisieren, dass die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nicht genug tue, um die verschleppten Geiseln aus dem Gazastreifen freizubekommen.

Im Rahmen einer zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas vereinbarten Waffenruhe waren Ende November im Verlauf einer Woche etwa einhundert Geiseln freigelassen worden. Im Gegenzug ließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus den Gefängnissen frei. Das Abkommen war von Katar, Ägypten und den USA vermittelt worden.

Neue Verhandlungen über Feuerpause?

Das Nachrichtenportal "Axios" berichtete am Freitagabend, dass der Direktor des israelischen Geheimdienstes Mossad, David Barnea, an diesem Wochenende mit dem katarischen Regierungschef Mohammed ben Abdelrahmane Al-Thani in Europa zusammentreffen werde. Dabei solle es um eine weitere Feuerpause zur Freilassung von Geiseln gehen. Angaben zum genauen Ort des Treffens und zur Zahl der Geiseln, die freigelassen werden könnten, machte "Axios" nicht.

Die Hamas, die unter anderem von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird, hatte nach ihrem Großangriff auf Israel am 7. Oktober rund 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Hamas-Terroristen waren in israelische Orte eingedrungen und hatten dort Gräueltaten an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen getötet. Als Reaktion bombardiert das israelische Militär Ziele im Gazastreifen und startete eine Bodenoffensive. Dabei wurden nach jüngsten Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums rund 18.800 Menschen getötet, darunter etwa 8000 Kinder. Die Angaben der Behörde können nicht unabhängig überprüft werden.

Palästinensische Binnenflüchtlinge suchen Schutz in einem provisorischen Lager in der Region Al-MawasiBild: DW

Hilfsgüter über Grenzübergang Kerem Schalom

Israel hat im Zuge des Krieges gegen die Hamas zudem das Palästinensergebiet weitgehend von der Versorgung mit Treibstoff und Hilfslieferungen abgeriegelt. Nur über den Grenzübergang Rafah gelangte in den vergangenen Wochen von Ägypten aus dringend benötigte humanitäre Hilfe in den Gazastreifen. Am Freitag beschloss das israelische Regierungskabinett, Lastwagen mit humanitärer Hilfe "vorübergehend" auch über den Übergang Kerem Schalom in das Küstengebiet fahren zu lassen.

Der Nationale Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan, sprach von einem "bedeutenden Schritt". Ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation WHO begrüßte die "sehr gute Nachricht". Es müsse nun dafür gesorgt werden, dass die Lkw mit Hilfslieferungen alle Teile des Gazastreifens erreichen könnten.

kle/se/AL/hf/wa (afp, rtr, dpa, efe)     

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