Das Formel-1-Finale in Abu Dhabi hätte nicht spannender verlaufen können. Erst in der allerletzten Runde zieht Max Verstappen an seinem Rivalen Lewis Hamilton vorbei. Der sah lange wie der sichere Sieger aus.
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Jos Verstappen klopfte mit der Hand auf die Schulter seines Sohnes, rüttelte an ihm, als wollte er sagen: "Du hast es geschafft." Max Verstappen saß da, wenige Minuten nach dem Rennende, in der Red-Bull-Box und konnte augenscheinlich nicht wirklich fassen, was gerade geschehen war. In der letzten Runde einer an Spannung nicht armen Formel-1-Saison hatte der Niederländer dem britischen Überfahrer Lewis Hamilton den Weltmeister-Titel entrissen. Kurz darauf wurde Verstappen zur Hymne seines Heimatlandes als neuer Champion geehrt. "Ich konnte nicht mehr sitzenbleiben", sagte der Vater zum Rennfinale anschließend bei Sky. "Ich kann es noch fast nicht glauben, was da passiert ist."
Den Start vergeigt
Dabei hatte es an diesem Sonntag lange gar nicht gut ausgesehen für den 24-jährigen Verstappen. Zwar war er von der Pole Position aus ins Rennen in Abu Dhabi gegangen, aber schon der Start auf den schnelleren, weichen Reifen ging daneben. Lewis Hamilton zog an Verstappen vorbei und sollte über lange Zeit das Rennen anführen. "Das war ein Scheiß-Start", sagte Verstappen später. Und als alle schon dachten, Hamilton hätte den achten WM-Titel sicher im Sack, nahm das Rennen der beiden Rivalen, die punktgleich gestartet waren, ein unerwartetes Ende.
Die vielen Fans in Orange auf den Tribünen waren zwischenzeitlich immer leiser geworden. Denn nach dem verpatzten Start ihres Stars ließen auch noch die Reifen nach - nicht überraschend. Der Plan, mit den Softs einen Vorsprung rauszufahren, schlug komplett fehl. In Runde 14 wechselte Verstappen als Erster die Gummis und stieg auf die härteste Mischung um.
Taktik an den Boxen
Mercedes reagierte einen Umlauf später, obwohl Hamilton noch hätte weiterfahren können. Ein Sicherheits-Boxenstopp - dem Gegner nur keinen möglichen taktischen Vorteil lassen. Aber: Hamilton hatte nun Verstappens Geleitschutz Perez vor sich. Knapp zwei Runden lang hielt der Mexikaner hart dagegen, kostete den Mercedes-Mann rund sechs Sekunden, ehe dieser sich wieder an die Spitze setzte. "Checo ist eine Legende", lobte Verstappen seinen Teamkollegen via Funk.
Nun war der Niederländer nur noch eine Sekunde hinter Hamilton, der sich aber anschließend wieder absetzen konnte. Dann folgte ein Virtuelles Safety Car. Red Bull versorgte Verstappen in Runde 37 mit neuen Mediums - Hamilton blieb aber draußen auf der Strecke. Sein Vorsprung betrug nur noch 17 Sekunden. Und dieser schmolz!
"Unglaublich, Leute"
In Runde 53 von 58 gab es dann nach einem Unfall von Nicholas Latifi eine Safety-Car-Phase, die über den Ausgang des Rennens - und der WM - entscheiden sollte. Denn bei dem Restart lag Verstappen mit unverbrauchten Reifen direkt hinter Hamilton, der ja nicht wieder in die Box geholt worden war. "Das ist unglaublich, Leute", schimpfte der Brite, dessen Stimme auf den letzten Kilometern längst nicht mehr so fest und entspannt wie gewohnt war. Nach der Rennfreigabe zog Verstappen in einem letzten Duell noch vor Hamilton. Der Titel!
"Das ist unglaublich, Jungs", funkte Verstappen gleich nach der Zieldurchfahrt mit zittriger Stimme an die Box: "Können wir das bitte in den kommenden zehn bis 15 Jahren zusammen machen?" Er wolle "bis ans Lebensende bei diesem Team bleiben, ich liebe sie", sagte er später noch. Hamilton dagegen saß lange in seinem Auto, behielt den Helm auch danach noch auf. Aber dann gratulierte er dem Rivalen fair und sportlich. Die von vielen Beobachtern befürchtete harte Auseinandersetzung mit einem möglichen Crash war ausgeblieben.
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Proteste von Mercedes abgewiesen
Nach dem Ende legte der Mercedes-Rennstall Protest wegen zweier angeblicher Verstöße gegen das Reglement ein. Dabei ging es einerseits darum, dass kein Fahrer ein anderes Auto überholen darf, solange das Safety Car das Feld anführt. Vor dem Restart hatte Verstappen am Ende der vorletzten Runde allerdings beschleunigt und sich zeitweilig neben den vorausfahrenden Hamilton gesetzt. Dieser Protest wurde zuerst abgewiesen. "Obwohl Verstappen sich für einen sehr kurzen Zeitraum leicht vor Hamilton bewegte, als beide beschleunigten und bremsten, bewegte er sich wieder nach hinten und nicht nach vorne, als die Safety-Car-Phase endete", begründeten die Stewards ihr Urteil.
Zudem protestierte Mercedes dagegen, dass vor dem Ende der für den Ausgang des Rennens vorentscheidenden Safety-Car-Phase fünf überrundete Rennwagen zwischen Hamilton und Verstappen das Safety Car überholen durften, die überrundeten Boliden hinter dem Niederländer aber nicht. Hierzu stellten die Stewards fest, dass Renndirektor Michael Masi laut Reglement befugt ist, das Safety Car zu kontrollieren, dazu gehören dessen Einsatz und Abzug. Eine nachträgliche Verkürzung der Renndauer, wie von Mercedes angeregt, sei zudem ein nicht angemessener Eingriff.
Formel-1-Weltmeister Max Verstappen
Sechseinhalb Jahre nach seinem Debüt als jüngster Formel-1-Fahrer aller Zeiten krönt sich Max Verstappen zum Weltmeister. Der einstige "junge Wilde" hat sich zum herausragenden Fahrer entwickelt.
Bild: Lars Baron/Getty Images
Milchgesicht
Jünger als er ist keiner bei seinem Formel-1-Debüt gewesen. Mit 17 Jahren und 166 Tagen bestreitet Max Verstappen am 15. März 2015 in Melbourne seinen ersten Grand Prix - damals noch im Toro Rosso, dem Nachwuchsteam des Red-Bull-Rennstalls.
Bild: Srdjan Suki/dpa/picture alliance
Jüngster Sieger
Lange dauert es nicht, bis Verstappen erstmals ganz oben auf dem Podium landet. Nachdem sich die beiden Mercedes-Fahrer, Nico Rosberg und Lewis Hamilton, 2016 in Barcelona gegenseitig von der Strecke schießen, ist der Weg für den Niederländer frei. Mit 18 Jahren und 228 Tagen trägt er sich in die Geschichtsbücher ein.
Bild: HOCH ZWEI/picture alliance
Psychopath?
In seiner Anfangszeit fällt Verstappen immer wieder durch kompromisslose Aktionen auf, die ihm den Spitznamen "Mad Max" einbringen. 2016 drängelt er sich in der ersten Kurve an den beiden Ferraris von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen vorbei (Foto). Nicht nur hier sind Blechschäden und verärgerte Konkurrenten die Folge. "Der gehört in die Psychiatrie", sagt Formel-1-Legende Niki Lauda damals.
Bild: Srdjan Suki/dpa/picture alliance
Wie auf Schienen
Neben aller Kritik gibt es aber stets auch großes Lob für das fahrerische Können Verstappens. Besonders beeindruckend ist seine Regenfahrt beim Großen Preis von Brasilien in Sao Paulo im November 2016. Während die Konkurrenz vorsichtig um die Kurven fährt, macht Verstappen, der zwischenzeitlich auf Rang 16 zurückfällt, Platz um Platz gut und wird am Ende Dritter.
Bild: HOCH ZWEI/picture alliance
Schubser für den "Idioten"
Keinen Spaß versteht Verstappen, wenn er selbst abgeräumt wird. 2018 kommt es in Brasilien zur Kollision mit dem überrundeten Esteban Ocon (l.). Verstappen dreht sich, sein Auto ist beschädigt, die Führung ist futsch. "Was für ein Idiot", schimpft er noch im Auto. Nach dem Rennen attackiert Verstappen Ocon in der Box und schubst den Franzosen mehrfach. Anschließend muss er Sozialstunden ableisten.
Bild: HOCH ZWEI/picture alliance
Ein Meer in Oranje
Unabhängig vom Verhalten auf der Strecke: Verstappen begeistert die Massen. Die niederländischen Fans reisen ihm in Heerscharen nach und sorgen bei vielen Rennen mit ganzen Tribünen in Orange für Gänsehaut-Atmosphäre. Die Formel 1 belohnt das, indem sie seit dieser Saison - nach 36 Jahren Pause - den Großen Preis der Niederlande wieder in den Rennkalender aufnimmt.
Bild: Andrej Isakovic/Getty Images/AFP
Eingespieltes Team
Bei Red Bull hat Verstappen "Vorgesetzte", denen er vertraut. Neben Teamchef Christian Horner (l.) ist Motorsport-Berater Helmut Marko (2.v.l.) eine wichtige Bezugsperson. Marko holt Verstappen im August 2014 aus der Formel 3 ins F1-Programm von Red Bull und fördert ihn, wo es geht. "Er sagt, was er denkt, ist immer geradeaus und erzählt dir keinen Bullshit", sagt Verstappen über den 78-Jährigen.
Bild: Photo4/LaPresse/imago images
Kompetenter Berater
Immer an der Seite von Max Verstappen ist sein Vater Jos, der zwischen 1994 und 2003 selbst 107 Formel-1-Rennen bestreitet. "Wir reden über alles, was ich während des Wochenendes mache. Das betrifft auch die Arbeit am Set-up", wird Max auf redbull.com zitiert. "Es ist toll, seinen Vater dabeizuhaben, vor allem wenn er selbst die gleichen Erfahrungen gemacht hat und den Rennsport versteht."
Bild: HOCH ZWEI/picture alliance
Weltmeisterliche Freundin
Nachdem Verstappen seine Freundinnen früher öfter in kurzen Abständen wechselt, ist nun seit über einem Jahr Kelly Piquet an seiner Seite. Die Tochter des ehemaligen Formel-1-Weltmeisters Nelson Piquet ist acht Jahre älter als Verstappen und hat eine Tochter aus der früheren Beziehung mit Ex-Formel-1-Fahrer Daniil Kwijat. Verstappen spricht von Nelson Piquet bereits als "Schwiegervater in spe".
Bild: Luca Bruno/AP/dpa/picture alliance
Auf Augenhöhe
Vielleicht auch wegen seines stabilen Umfelds fährt Verstappen in diesem Jahr so gut wie nie zuvor. Viele Formel-1-Fans sind begeistert, dass es erstmals seit dem Duell zwischen Hamilton und Rosberg 2016 in der Fahrer-WM wieder bis zum Schluss spannend ist. Verstappen und Kontrahent Hamilton respektieren sich und schätzen den anderen als fähigen Gegner. Sie schenken sich aber nichts.
Bild: Darron Cummings)/AP/picture alliance
Mit harten Bandagen
Dass noch ein Funke "Mad Max" in ihm glimmt, zeigt Verstappen, je länger die Saison dauert. In Silverstone lässt ihm Hamilton zu wenig Platz, Verstappen rutscht von der Strecke und scheidet aus. In Monza "revanchiert" sich der Niederländer: Er zieht nicht zurück und endet mit seinem Red Bull oben auf Hamiltons Mercedes. Auch in Brasilien gibt er nicht nach und drängt Hamilton von der Strecke.
Bild: HOCH ZWEI/picture alliance
Am Ziel der Träume angekommen
Insgesamt 20 Formel-1-Rennen hat Verstappen in seiner Karriere gewonnen. Mit dem Erfolg in Abu Dhabi, seinem zehnten Grand-Prix-Sieg in dieser Saison, hat er sich nun seinen großen Traum erfüllt: die Weltmeisterschaft in der Königsklasse des Motorsports.