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Versteckte Prohibition

Daniel Scheschkewitz11. April 2002

Alkohol ist ein Thema, das in den USA nur selten offen und ohne Scham behandelt wird. Diesen Eindruck hat DW-Korresspondent Daniel Scheschkewitz, der sich mit amerikanischen Gewohnheiten erst anzufreunden beginnt.

Da sind zunächst einmal die vielen Restriktionen, die einen noch an die Zeit der "prohibtition" erinnern als die Herstellung und der Verkauf alkoholartiger Getränke ganz verboten waren. Ein gute Flasche Wein zum Sonntagsmahl kauft man sich besser schon am Samstag, weil die speziellen Alkoholläden, am Sonntag in Washington geschlossen haben. Viele Supermärkte laden einen zwar ein, rund um die Uhr zu shoppen, Alkohol aber ist dort Fehlanzeige. Es sei denn man verirrt sich zufällig über die Stadtgrenze in den Bundesstaat Maryland, wo selbst Hochprozentiges in Supermärkten zu haben ist. Ganz anders wieder im benachbarten Virginia, dort dikskutiert man derzeit ein Gesetz, das es auch Beifahrern im Auto verbieten würde, eine Bierdose zu öffnen.

Apropos Bier , wer sein "Sixpack" aus Rücksicht auf seine europäisch konditionierte Umwelttschutzerziehung einmal ohne Extra-Verpackung mitnehmen will, gerät in der US-Hauptstadt ebenfalls mit dem Gesetz in Konflikt. Bier und Wein müssen verpackt werden, doppelt und dreifach, soll ja niemand sehen , dass man Alkohol trinkt. Und auch mein türkischer Vermieter jammert. Er hat gerade einen kleinen Tante-Emma-Laden im populären Georgetown-District eröffnet, aber eine Lizenz zum Verkauf von Wein und Bier zu bekommen, war ein aussichtsloses Unterfangen.

Besonders schwer haben es junge Erwachsene deren 21. Geburtstag noch nicht lange zurückliegt. Keine Bar, kein "Liquor-Shop" in dem sie nicht den Führerschein als Altersbeweis vorlegen müssen, was von manchem Barkeeper zu durchaus selektiven Demütigungen einzelner Gäste mißbraucht wird.

Wen wundert es da, dass die Jugendlichen über die Stränge schlagen. Selbst die Tochter von Präsident Bush , einst selbst bekennender Alkoholiker, ist schon mehrfach wegen ungesetzlichen Alkoholkonsums aufgefallen. Schlimmer noch saufen die amerikanischen Studenten - wie eine landesweite Untersuchung jetzt hervorgebracht hat. Zum ersten mal der strengen elterlichen Kontrolle entzogen, gehören schlimme Zechgelage auf dem Campus zum Universitätsalltag - Leider manchmal mit tödlichem Ausgang. 1400 College-Studenten kamen allein im lezten Jahr infolge von Alkoholgenuß ums Leben, die meisten bei Autounfällen. 70. 000 Vergewaltigungen unter Alkoholeinfluß zählt der Report auf. 400.000 Studenten gaben zu, nach Alkoholgenuß ungeschützten Sex gehabt zu haben.

Prohibition und Puritanismus- in der amerikanischen Geselllschaft: beides Phänomene, die nicht unbedingt nur der Vergangenheit angehören.