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Versöhnung in Zentralafrika

Bettina Rühl21. Februar 2014

Trotz internationaler Eingreiftruppen nimmt die Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik weiter zu. Doch inmitten des Hasses gibt es auch erste Versuche, Christen und Muslime wieder miteinander zu versöhnen.

Bild: F.Daufour/AFP/GettyImages

Unter einem großen Baum sitzt im Kreis ein gutes Dutzend Männer und Frauen zusammen. Sie leben alle hier in der Nachbarschaft im vierten Stadtbezirk von Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Sowohl Männer als auch Frauen sind gekommen, Senioren und Jugendliche, Vertreter der Protestanten und Katholiken, der örtlichen Vereine der Jugend. Sie alle wollen nach der Gewalt der vergangenen Wochen und Monaten über Wege zur Versöhnung diskutieren. Allerdings fehlt jemand wichtiges in der Runde: die Muslime. Die sind aus dem Viertel längst geflohen.

Der UN-Diplomat Abdou Dieng ist an diesem Morgen zu der Runde gestoßen. Die Vereinten Nationen, deren Hilfsprojekte in der Zentralafrikanischen Republik Dieng koordiniert, fördern die Bildung solcher Versöhnungskomitees, um ein Zusammenleben der Menschen nach wochenlangen Unruhen, Massakern und Plünderungen wieder zu ermöglichen.

Viele Flüchtlinge wagen immer noch nicht, in ihre Häuser in Bangui zurückzukehrenBild: F.Daufour/AFP/GettyImages

Dass deren Vertreter nicht da seien, zeige nur, wie wichtig es sei, auf die muslimischen Mitbürger zuzugehen, beschwört Dieng die Runde. "Ihr müsst lernen, wieder zusammen zu leben", sagt er. "Es spielt doch keine Rolle, ob man dieselbe Religion hat." Unterschiede könnten sogar anregend sein: eine andere Religion, eine andere Hautfarbe, andere Grundüberzeugungen. Der UN-Vertreter will die Anwesenden überzeugen, dass es jenseits der Unterschiede immer ein Minimum an Gemeinsamkeiten gibt, und auf die sollten alle Menschen ihr Augenmerk richten. "Ihr seid ein Volk, lebt in demselben Land. Keine Gruppe kann der anderen das Recht absprechen, hier zu leben. Okay?", fragt Dieng. Aus der Runde kommt ein gemurmeltes "okay".

Mit Hilfe französischer Soldaten trauen sich zentralafrikanische Polizisten wieder auf die Straßen von BanguiBild: Issouf Sanogo/AFP/Getty Images

Die Angst vor dem ersten Schritt

Dann meldet sich José Martial Beltoungou. Der junge Mann hat bereits mit Freunden einen eigenen Verein gegründet. Sie wollten für die Versöhnung etwas tun, sagt er. "Wir hatten früher alle muslimische Bekannte oder Freunde, aber wegen der Krise ist das alles auseinander gegangen." Er und seine Freunde wollten das nicht hinnehmen. Aber bei dem Gedanken, tatsächlich auf die Muslime zuzugehen, sei ihm nun doch mulmig zumute. "Ich habe Angst, dass nur wir diesen Wunsch haben, und die Muslime nicht", sagt José. "In diesem Fall wäre es sehr gefährlich für uns, in die muslimischen Viertel zu gehen und dort für Versöhnung zu werben. Das macht mir große Sorge."

Diese Befürchtung sei nicht unbegründet, sagt Olivier Davide vom Dänischen Flüchtlingsrat, der Hilfsorganisation, die die Versöhnungskomitees vor Ort betreut. Die Versöhnungsversuche hätten eigentlich noch in einem weiteren Stadtviertel anfangen sollen. Aber da seien die Spannungen im Moment so groß, dass die Arbeit unmöglich sei. UN-Vertreter Abdou Dieng will niemanden zum Risiko ermuntern, sagt aber trotzdem: "Irgendwo müssen wir mit der Versöhnung anfangen." Der Weg dahin werde schwer und schmerzlich sein. Umso wichtiger sei es, den ersten Schritt zu tun.

Die Versöhnungskomitees werden zwei Tage lang in einem Seminar auf ihre Aufgabe vorbereitet. "Gestern haben wir über Konflikte und ihre Ursachen geredet", sagt José Carlos Rodriguez. Der Spanier ist einer der beiden Ausbilder des Seminars. "Heute werden wir über den Frieden sprechen." Rodriguez spricht die traumatischen Erfahrungen aller Teilnehmer an, die Anspannung, die Angst: "Das alles kann uns manchmal daran hindern, mit uns selbst in Frieden zu sein. Stattdessen empfinden wir Hass, Wut, Zweifel. Als erstes müssen wir also zum Frieden mit uns selbst zurück finden."

Dirke Köpp zur Lage in der Zentralafrikanischen Republik

02:40

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Anleitung zum Vergeben

Das gilt für die Einwohner von Bangui ebenso wie für die ausländischen Helfer selbst. "Wenn ich morgens aus dem Haus gehe und wieder mal Schüsse höre, muss ich jeden Tag neu den Mut aufbringen, trotzdem ins Büro zu fahren", erzählt Rodriguez. Die Situation mache ihm Angst, obwohl er schon seit Jahren in Konfliktregionen arbeite. "Aber ich habe mich nie daran gewöhnt", sagt er.

Ähnlich geht es auch den anderen Teilnehmern. Die 35-jährige Zara Sonja Holona hat in ihrem Viertel Schlimmes erlebt, hat Plünderungen und Morde gesehen. Sie hält die Versöhnung mit den Muslimen für wichtig. Aber sie weiß auch, dass sie dafür Hilfe braucht. "Ich empfinde jetzt manchmal Hass, und das geht vielen so", erzählt Holona. "Ich hoffe, dass diese Ausbildung uns dabei hilft, damit umzugehen. Dass wir lernen, diesen Hass zu überwinden."

Die Zentralafrikanische Republik versinkt seit Monaten im ChaosBild: DW
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