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Verteidiger: Zschäpe nur teilweise schuldig

26. April 2018

Die Anwälte der Hauptangeklagten im NSU-Prozess räumen ein, dass ihre Mandantin Raubüberfälle billigte und Brandstiftung beging. Mehr aber nicht. Marcel Fürstenau berichtet aus München.

Fortsetzung NSU-Prozess
Beate Zschäpe zwischen ihren Verteidigern Hermann Borchert (l.) und Mathias Grasel (Archivbild)Bild: picture alliance/dpa/A. Gebert

Lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung - dieses Strafe hat die Bundesanwaltschaft im September vor dem Münchener Oberlandesgericht für die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe gefordert. Was ihre Verteidiger Hermann Borchert und Mathias Grasel davon halten, erläuterten sie in ihrem am Donnerstag beendeten Plädoyer: nichts. Als "einseitig" und "mangelhaft" bewerten sie die Beweisführung der Anklage. Die hält Zschäpe für überführt, an zehn Morden beteiligt gewesen zu sein sowie zwei Sprengstoff-Anschlägen und 15 Raubüberfällen. 

 "Wie hat sie sich schuldig gemacht?", fragt Borchert und gibt seine Antwort: Beihilfe zum schwerem Raub in zehn Fällen, schwere räuberische Erpressung in drei Fällen, versuchter schwerer Raub in zwei Fällen, schwere Brandstiftung und fahrlässige Herbeiführung einer Sprengstoff-Explosion. Wegen dieser Taten soll Zschäpe für maximal zehn Jahre in Gefängnis kommen, fordert Borchert eine wesentliche mildere Bestrafung seiner Mandantin als die Bundesanwaltschaft.

Grasel liest die Namen der zehn NSU-Opfer vor

Beihilfe oder gar eine Mittäterschaft an den zehn dem NSU zur Last gelegten Morden sei ihr nicht nachzuweisen, meinen ihre Verteidiger. Für diese Taten machen Borchert und Grasel ausschließlich Zschäpes Freunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos verantwortlich. Die beiden haben sich am 4. November 2011 nach Erkenntnissen von Ermittlern das Leben genommen, um sich ihrer Festnahme zu entziehen.  

Zschäpe habe keine Kenntnis von den Mord-Plänen gehabt und von den Taten  erst im Nachhinein erfahren, sagt Grasel und verliest die Namen der zehn Opfer. Die beiden Täter seien aber tot und stünden für eine Strafverfolgung nicht mehr zur Verfügung. Der Wunsch, jemanden für diese "abscheulichen Taten" zu bestrafen, rechtfertige es jedoch nicht, seine Mandantin als einzige Überlebende verantwortlich zu machen.

Grasel spricht vom "großen Druck der Öffentlichkeit"

Um seiner Argumentation Nachdruck zu verleihen, zitiert Grasel Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, mit denen Verurteilungen wegen Mittäterschaft in anderen Fällen kassiert wurden. Dieselben Kriterien würden auch für Zschäpe gelten. Der Rechtsstaat werde es aushalten müssen, dass es Verbrechen gebe, für die die eigentlichen Täter nicht mehr belangt werden könnten. Zschäpe dürfe unter dem großen Druck der Öffentlichkeit nicht nach dem Motto, "die Letzten beißen die Hunde", als letzte Überlebende des Trios verantwortlich gemacht werden.

Beate Zschäpe hat zugegeben, die NSU-Wohnung in Zwickau in Brand gesetzt zu haben. Dabei soll sie laut Bundesanwaltschaft den Tod von drei Menschen in Kauf genommen habenBild: picture-alliance/dpa

Anders als die Bundesanwaltschaft bestreiten die Verteidiger, ihre Mandantin habe den Tod Unbeteiligter in Kauf genommen, als sie die von ihr und ihren Weggefährten genutzte Wohnung in Brand steckte. Vom Vorwurf des versuchten Mordes sei sie deshalb freizusprechen. Die 15 von Böhnhardt und Mundlos verübten Raubüberfälle hätten hingegen mit ihrem "generellen Einverständnis" stattgefunden, sagt Grasel. Dieses Eingeständnis machte Zschäpe schon im Dezember 2015, als sie ihr mehrjähriges Schweigen im NSU-Prozess brach.

Keine Fingerabdrücke Zschäpes an den Tatwaffen

Auf den Tatverlauf der Überfälle auf Banken, Postfilialen und Supermärkte soll die 43-Jährige nach Darstellung ihrer Verteidiger aber keinen Einfluss gehabt haben. Bei diesen Taten haben mutmaßlich Böhnhardt und Mundlos mehrmals mit scharfen Waffen auf Passanten geschossen. Nach Zschäpes Schilderung sollte bei den Überfällen aber nur eine Schreckschusspistole eingesetzt werden. Böhnhardt und Mundlos seien von dieser Absprache jedoch abgewichen. Auch dafür dürfe Zschäpe nicht verantwortlich gemacht werden, meinen ihre Verteidiger.

Auch an der Beschaffung von Waffen sei sie nicht beteiligt gewesen. Als Entlastungszeuge sehen sie den als NSU-Unterstützer angeklagten Carsten S., der zu Beginn des Prozess 2013 eine Waffen-Lieferung an Böhnhardt und Mundlos zugegeben hat. "Ich gehe davon aus, dass Zschäpe es nicht mitbekommen sollte", zitiert Grasel aus der von S. gemachten Aussage. Zudem seien auf keiner Waffe Fingerabdrücke oder DNA-Spuren Zschäpes gefunden worden.

Die Urteile könnten schon im Frühsommer gesprochen werden

Nach Borchert und Grasel sollten ursprünglich die drei anderen Zschäpe-Verteidiger Wolfang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm ihr Schlusswort halten. Das Trio, mit dem sich die Hauptangeklagte 2015 überworfen hat, meldete allerdings zwei Wochen Vorbereitungszeit an. Deshalb werden die Plädoyers am 2. Mai von den Verteidigern des Lieferanten der mutmaßlichen Tatwaffe, Carsten S., fortgesetzt. Die Chancen, dass im NSU-Prozess noch vor der Sommerpause im August die Urteile gesprochen werden können, sind damit gestiegen.

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