Vertragsbruch mit teuren Folgen
16. März 2010Nur eines ist sicher im großen Finanz-Casino Europa: Am Ende wird jemand, genauer gesagt der Steuerzahler, die Rechnung zahlen müssen. Dabei spielt es keine Rolle, für welchen Rettungsplan sich die EU-Staaten entscheiden, um Griechenland und vielleicht auch andere Staaten vor dem Bankrott zu bewahren. Zieht sich Griechenland alleine durch seine drastischen Sparmaßnahmen aus dem Sumpf, werden die griechischen Steuerzahler und Konsumenten für die verfehlte Finanzpolitik alleine einstehen müssen.
Verweigern die Kapitalmärkte Griechenland im April oder Mai weitere Mittel zu vertretbaren Preisen, dann wird die Europäische Union handeln müssen. Die Kosten für die Rettung, die auf 25 Milliarden Euro geschätzt werden, würden dann auf die Staaten der EU umgelegt. Zunächst handelt es sich um Kredite oder Bürgschaften. Im schlimmsten Fall muss gezahlt werden, dann wären wieder die Steuerzahler an der Reihe.
Nicht im Sinne Lissabons
Egal, wie es die Finanzminister im Moment drehen und wenden: Sie sind dabei, gegen den Geist des EU-Vertrages zu verstoßen, der in den Paragrafen 123 bis 125 Hilfen, wie sie jetzt ersonnen werden, ausdrücklich ausschließt. Kein EU-Staat soll für die Schulden des anderen aufkommen. Das gilt auch für seine Zentralbanken und andere staatliche Organe. Der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, tut dies gerne als technische Details ab. Aber diese Frage berührt den Kern der Europäischen Verträge. Klagen gegen Kredite oder Bürgschaften für Griechenland vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof wären gewiss. Schon zweimal hat sich das deutsche Verfassungsgericht mit dem Euro beschäftigt. Zweimal haben die Richter den Euro gebilligt, weil sie von einer stabilen Währungsunion ausgingen. Bei einem dritten Verfahren hätten sich die Vorzeichen deutlich verändert.
Möglich wäre noch, dass die EU-Staaten private Banken veranlassen, griechische Schulden zu übernehmen und Kredite zu gewähren. Doch wenn die Staaten den Banken Garantien geben, dass sie im Falle eines Falles für Verluste einstehen, wäre auch dieser Weg eine indirekte Umgehung der europäischen Verträge.
Der europäische Dominoeffekt
Als die Gemeinschaftswährung Euro erfunden wurde, hat niemand ein Instrumentarium geschaffen, um mit gravierenden Finanzkrisen umzugehen. Ein europäischer Währungsfonds könnte ein Instrument werden. Die Einrichtung des Fonds würde aber Jahre dauern und kommt für die aktuelle Krise viel zu spät.
Die Frage ist vor allem: Was kommt nach Griechenland? Auch Staaten wie Irland, Spanien und Italien werden Schwierigkeiten bekommen, sich frisches Geld auf den Kapitalmärkten zu erträglichen Zinsen zu besorgen. Selbst Großbritannien droht eine Abwertung seiner Bonität. Wenn im Falle Griechenlands mit Staatsgeldern geholfen wird, müsste eigentlich auch dem nächsten Pleite-Kandidaten beigesprungen werden. Wer soll das bezahlen? Selbst die größte Volkswirtschaft Deutschland bewegt sich auf eine nach bisherigen Maßstäben kritische Gesamtverschuldung zu. Erlaubt sind nach den Kriterien des Euro-Stabilitätspaktes 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Deutschland steuert wie viele andere auf die Marke 80 Prozent zu. Von 90 Prozent an ist damit zu rechnen, dass sich auch die Kredite für Deutschland auf den internationalen Märkten verteuern werden.
Bei den Finanzministern der EU herrscht angesichts dieser Perspektiven das Prinzip Hoffnung. Der schlaue Fuchs Jean-Claude Juncker und der Euro-Klub hoffen, dass sie Griechenland nicht helfen müssen, dass Psychologie alleine reicht, die Finanzmärkte zu befrieden. Wie es im Falle eines Falles wirklich weitergehen könnte, ist auch nach der jüngsten Sitzung in Brüssel unklar.
Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Nicole Scherschun