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Kein Kompromiss mit Hellas in Sicht

Bernd Riegert22. Juni 2015

Bleibt Griechenland in der Euro-Zone? Das könnte sich heute entscheiden, muss aber nicht. Finanzminister Schäuble kritisiert fehlende Vorschläge aus Griechenland. Bernd Riegert aus Brüssel.

Deutschland EU Finanzministerrat in Brüssel Schäuble
Enttäuscht in Brüssel: Finanzminister Schäuble (re.) wartet auf SubstanzBild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Es soll der Tag der Entscheidung in Brüssel werden: Bleibt Griechenland zahlungsfähig und weiter Mitglied in der Euro-Zone? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht aber wenig Chancen auf Fortschritte. Fast schon ärgerlich sagte Schäuble bei seiner Ankunft in Brüssel. "Es liegen keine substanziellen Vorschläge vor. Wir haben den selben Stand wie in Luxemburg am Donnerstag."

Vergangene Woche waren Verhandlungen der Euro-Finanzminister mit Griechenland gescheitert. So könne man den Gipfel der Staats- und Regierungschefs aus den Euro-Staaten nicht vernünftig vorbereiten, zürnte Schäuble. Der irische Finanzminister Michael Noonan kritiserte, es würden mehrere Versionen von griechischen Vorschlägen kursieren. Tatsächlich hatten die griechischen Ministerien in der Nacht wohl zunächst ein falsches Papier nach Brüssel übermittelt, wie sie selbst einräumten. Der finnische Finanzminister Alexander Stubb grummelte: "Wir verschwenden hier nur eine Menge Flugmeilen."

Der Finanzminister aus Österreich, Hans Jörg Schelling, warf der griechischen Seite "Übermut" vor. Man könne nicht nachts Papiere übermitteln und erwarten, dass am nächsten Mittag entschieden werde. "So lässt man uns hierher kommen, beruft einen Gipfel ein, der möglicherweise nicht entscheidungfähig sein kann, weil die Unterlagen fehlen. Das hätte man wirklich professioneller machen können", monierte Schelling.

Zunächst tagte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras in Brüssel kurz mit den Vertretern der Institutionen und Gläubigern, mit denen er nun schon seit vier Monaten ergebnislos verhandelt hat. Seit dem Mittag beraten die Finanzminister der 19 Euro-Länder, um möglichst doch noch in letzter Sekunde eine Vereinbarung zu treffen. Am Abend kommen die Chefs zusammen. Die Staats- und Regierungschefs der 19 Euro-Staaten wollen zusammen mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank und der Chefin des Internationalen Währungsfonds beraten, wie es mit Griechenland und der Euro-Zone weitergehen soll.

Kunst an der EU-Kommission: Schritt in den AbgrundBild: DW/B. Riegert

Vorsichtiger Gipfel-Chef

Die Erwartungen an den Krisen-Gipfel versucht der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, zu dämpfen. Der Gipfel werde, so wird Tusk zitiert, keine abschließende Lösung bringen, sondern nur eine weitere Etappe im Griechenland-Drama sein. Aber die griechische Seite verlangt eine abschließende, dauerhafte Lösung - zuletzt in Zeitungsbeiträgen am Wochenende. Dauerhaft heißt für den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis vor allem, dass eine Umstrukturierung der griechischen Schulden oder ein für die Gläubiger kostspieliger Schuldenschnitt gleich mitbeschlossen wird. Das aber lehnen die Kreditgeber bislang ab.

Können Lücken geschlossen werden?

Aus der Umgebung von Bundeskanzlerin Angela Merkel hört man, dass über einen Schuldenschnitt höchstens nachgedacht werden könne, Beschlüsse würden nicht fallen. Das hat man offenbar Alexis Tsipras, dem griechischen Premier bereits am Sonntag in einer Serie von Telefongesprächen mit der Bundeskanzlerin, dem französischen Präsidenten Francois Hollande und dem Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, mitgeteilt. Alexis Tsipras soll weitere Reformen angeboten haben, unter anderem auch einige Kürzungen bei den Renten und eine Anhebung der Mehrwertsteuersätze im Tourismussektor.

Juncker: Wir sind noch nicht daBild: Reuters/F. Lenoir

Ob das reicht, um die angeblich noch bestehende Lücke von 500 Millionen Euro, die zwischen den Vorstellungen der griechischen Seite und den Geldgebern klafft, zu schließen, ist unklar. "Es gibt so viele Lücken auf vielen Feldern", meinte dazu ein EU-Beamter, der mit den Verhandlungen vertraut ist.

Der Kabinettschef von Jean-Claude Juncker, sein engster Mitarbeiter, hatte in den sozialen Medien gezwitschert, die jüngsten Vorschläge aus Griechenland "sind eine gute Grundlage". Es stehe aber immer noch eine "Zangengeburt" bevor. Der Chef selbst äußerte sich in Brüssel am Vormittag vorsichtiger. Jean-Claude Juncker ließ wissen, er könnte nicht sagen, ob es heute zu einer Vereinbarung komme. "Wir sind noch nicht am Ziel", so Juncker.

Zwischenlösung angepeilt

Über was genau die Finanzminister der Euro-Gruppe am Nachmittag beraten sollen, ist nicht ganz klar. Die Experten der drei Institutionen EZB, IWF und EU-Kommission müssten in Windeseile eine Beschlussvorlage zusammenzimmern, nachdem sie die griechischen Vorschläge, die erst am frühen Morgen schriftlich vorlagen, durchgerechnet haben.

Glas halb leer oder halb voll? Tsipras hat neue VorschlägeBild: Reuters/P. Hanna

EU-Diplomaten gehen davon aus, dass heute höchstens eine Zwischenlösung erreicht werden kann. Das laufende Hilfsprogramm könnte noch einmal um einige Wochen oder Monate verlängert werden. Griechenland bekommt einen Teil der 7,2 Milliarden Euro, die noch ausstehen, ausbezahlt, um es in dieser Zeit über Wasser zu halten. Dann würde mit der griechischen Links-Rechts-Koalition weiter über eine Lösung des Konflikts verhandelt, in der Hoffnung, dass die Beinahe-Pleite und der Beinahe-Grexit die Akteure zur Vernunft bringt. In neun Tagen läuft das aktuelle Hilfsprogramm aus. Athen muss am 30. Juni 1,55 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen.

Zentralbank hält griechische Banken über Wasser

Eine äußerst wichtige Entscheidung hat die Europäische Zentralbank in Frankfurt bereits getroffen. Sie erhöhte per Telefonkonferenz die Notfall-Kredite an griechische Banken, damit die Geschäftsbanken in Griechenland auch heute Bargeld ausgeben können.

Junge Griechen im Abseits

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In den letzten Tagen hatten die Griechen verstärkt Geld abgehoben, um es vor einem möglichen Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsgemeinschaft in Sicherheit zu bringen. Diesem stillen "Bankrun" begegnet die EZB mit immer neuen Krediten, über die inzwischen täglich entschieden wird. Kappte die EZB diese Sauerstoff-Zufuhr wären die griechischen Banken in wenigen Tagen pleite. Solange also EZB-Präsident Mario Draghi, Geld für die Banken drucken lässt, kann immer noch weiter verhandelt werden. Einige Euro-Staaten sollen deshalb auch gewillt sein, das Thema Griechenland erneut beim regulären EU-Gipfel Ende der Woche aufzurufen, sollte heute keine Lösung gefunden werden können.

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