Blockade der Syrien-Resolution empört die Welt
5. Februar 2012Ungewohnt kritisch kommentierte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon das erneute Scheitern einer Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat: "Das ist eine große Enttäuschung für die Menschen in Syrien und dem ganzen Nahen Osten, für alle Unterstützer von Demokratie und Menschenrechten", erklärte Ban. Die deutlichsten Worte kamen allerdings von US-Botschafterin Susan Rice: "Wir sind angewidert, dass einige Mitglieder uns davon abhalten, unsere Pflicht zu tun." Der Rat werde seit Monaten "in Geiselhaft gehalten von zwei Ländern, die nur an ihre eigenen Interessen denken." Londons Botschafter Mark Lyall Grant warf Russland und China falsches Spiel vor: "Sie sagen, Sie wollten ein militärisches Eingreifen verhindern. Das hat aber nie jemand gefordert und stand auch nie in irgendeinem Entwurf." Und der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig konstatierte: "Wir haben die Menschen in Syrien schon wieder im Stich gelassen. Das ist eine schreiende Schande."
"Wir haben so viel versucht, um einen Kompromiss zu finden", berichtete Marokkos UN-Botschafter Mohammed Loulichki, der den von der Arabischen Liga und den Europäern unterstützen Resolutionsentwurf vorgelegt und auf russisches Drängen immer wieder abgeschwächt hatte. So fanden sich der Ruf nach freien Wahlen und die Forderung nach Ablösung des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad zuletzt gar nicht mehr in dem Papier.
"Unausgewogen"
Der russische Botschafter Witali Tschurkin verteidigte hingegen das Veto seines Landes: Der Entwurf sei "unausgewogen" gewesen, da darin keine Maßnahmen gegen bewaffnete Gruppen von Regierungsgegnern vorgesehen seien. Die von Russland vorgeschlagenen Änderungen seien nicht in den Text der Resolution eingeflossen und der Entwurf spiegele nicht auf angemessene Weise die wirkliche Lage in Syrien wieder. Der chinesische Botschafter Li Baodong erklärte, die Volksrepublik habe Russland mit ihrem Veto unterstützt, da die Vorschläge Moskaus ignoriert worden seien. Außerdem müsse Syriens Souveränität unangetastet bleiben.
Die syrische Opposition nannte die Haltung Russlands und Chinas enttäuschend. "Dieses Veto geht auf Kosten des syrischen Volkes und seines Blutes", sagte Nadschi Taijara vom Syrischen Nationalrat. Er gehe davon aus, dass die Regierung sich des Vetos sicher war. "Deshalb hat das Regime das Massaker in Homs verübt", sagte Taijara. Das syrische Regime bestritt einen Angriff auf die Stadt Homs am Samstag mit hunderten Toten und erklärte, es handele sich um Propaganda der Opposition. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen vom Dezember kamen bei den seit elf Monaten andauernden Protesten gegen Assad insgesamt mehr als 5400 Menschen ums Leben. Angesichts der chaotischen Lage in Syrien sei eine Aktualisierung der Zahlen jedoch nicht möglich, heißt es.
"Heimat der Toleranz"
Um die Gewalt zu stoppen, will Russland kommende Woche eine neue Initiative starten. Der Sicherheitsrat sei nicht "das einzige diplomatische Instrument auf diesem Planeten", betonte UN-Botschafter Tschurkin. Nach seinen Angaben werden der russische Außenminister Sergej Lawrow und Auslandsgeheimdienstchef Michail Fradkow am kommenden Dienstag zu Gesprächen mit Machthaber Assad nach Damaskus reisen. Die Führung in Moskau hatte sich in der Vergangenheit bereits als Vermittler zwischen dem Assad-Regime und der syrischen Opposition angeboten und vor wenigen Tagen erklärt, Assad sei zu einem Dialog bereit.
Ob dies tatsächlich so ist, darf zumindest bezweifelt werden. Der syrische UN-Botschafter Baschar Dschaafari nannte sein Land jedenfalls "die Heimat der Toleranz". "Jeder friedliche Demonstrant ist willkommen", die Assad-Regierung kämpfe nur gegen Terroristen. Und wieder sprach Dschaafari von einer "internationalen Verschwörung, die Syrien zerstören will".
Autor: Christian Walz (dpa, dapd, afp)
Redaktion: Ulrike Quast