Videos: Deutsche Polizei unter Druck
18. August 2020Nur 15 Sekunden dauert das Video, das auf Twitter verbreitet wird. Es zeigt einen Polizeibeamten, der mit seinem Knie einen Festgenommen fixiert. Im Hintergrund ruft jemand: "Hol' mal dein Knie runter!" Und kurz darauf: "Bruder, das ist nicht lustig!" Entstanden ist das Video am vergangenen Samstag bei einem Polizeieinsatz in Düsseldorf, der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen. Die Bilder wecken auf den ersten Blick Erinnerungen an den Einsatz von Polizeibeamten im US-amerikanischen Minneapolis, bei dem der Afroamerikaner George Floyd nach einer gewaltsamen Festnahme Ende Mai starb. In Düsseldorf blieb der Festgenommene, ein 15-Jähriger, unverletzt. Gegen ihn lägen gegen mehrere Anzeigen vor, berichtet unter anderem die Deutsche Presse-Agentur dpa.
Auch gegen den Beamten, der sein Knie einsetzte, wird laut Staatsanwaltschaft ermittelt. Dessen Anwalt verteidigte das Vorgehen seines Mandanten. Dieser habe den 15-Jährigen mit dem Schienbein am Kopf fixiert. "Das wird so gelehrt" sagte Rechtsanwalt Christoph Arnold der dpa. Demnach habe der 15-Jährige am Boden noch einen Arm freigehabt unter dem Körper. Das sei eine gefährliche Situation für die Beamten gewesen, da er sich hochstemmen oder zum Beispiel eine Waffe ziehen könnte. Nun wird auch in Deutschland über Polizeigewalt debattiert. Wie weit darf die Polizei gehen? Wie viel Gewalt ist angemessen?
Unzulässige Gewaltanwendung
Das Video aus Düsseldorf ist nicht das einzige, das am Wochenende via Twitter und Instagram viral ging und mutmaßlich unverhältnismäßige Polizeieinsätze zeigt. Auch aus dem hessischen Frankfurt kursiert auf Instagram der Mitschnitt eines Einsatzes. Aufgenommen und verbreitet hat das Video Blaise Francis, ein Anwalt, der sich gemeinnützig um Rassismusfälle kümmert. Sein Video zeigt wie mehrere Polizeibeamte einen Festgenommenen am Boden halten. Kurz darauf tritt ein Beamter auf Höhe des Kopfes in Richtung des am Boden Liegenden. Ein anderer Beamter, laut Pressemitteilung der Frankfurter Polizei der Einsatzleiter, schreitet daraufhin ein und nimmt den Beamten zur Seite. Er soll den Vorfall später intern gemeldet haben. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft soll Kenntnis von dem Vorfall haben.
Die Pressemitteilung der Frankfurter Polizei spricht von womöglich "unzulässiger Gewaltanwendung seitens der Polizeibeamten gegen den am Boden liegenden Tatverdächtigen". Aus Hannover und Hamburg gibt es weitere Videos von Polizeieinsätzen, in denen Festgenommene fixiert oder Umstehende von den Beamten abgewehrt werden, teils scheinbar heftiger als womöglich notwendig.
Stimmen aus der Politik
Die innerhalb von nur wenigen Tagen aufgetauchten Videos hat auch die Politik auf den Plan gerufen. In Frankfurt äußerte sich die Partei "Die Linke" zu dem Vorfall. "Eine am Boden liegende und fixierte Person zu treten, ist durch nichts zu rechtfertigen", sagte Hermann Schaus, der innenpolitische Sprecher der Linken im hessischen Landtag.
Zu dem Einsatz in Düsseldorf sagte der Innenminister des Bundeslandes, Herbert Reul, die Bilder des Vorfalls hätten auch ihn im ersten Moment erschreckt. Allerdings warnte er vor vorschnellen Schlüssen. "Ich will den Einsatz am Samstagabend in keiner Weise rechtfertigen, ich will ihn aber auch nicht vorschnell verurteilen", sagte Reul. Körperliche Gewalt durch Polizisten sei keineswegs per se rechtswidrig, wie manche glaubten, sondern oft angebracht, zulässig und zwingend erforderlich.
Dem stimmt die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Irene Mihalic, zwar teilweise zu, allerdings sagt sie zur DW: "Ein hartes Eingreifen und auch die Anwendung von Gewalt kann notwendig sein, wenn es die Situation erfordert, aber eben nur dann." Die Videoaufnahmen vom Polizeieinsatz in Düsseldorf zeigten die Anwendung einer Methode, "die die Gesundheit und das Leben des Festgehaltenen aus mir nicht ersichtlichen Gründen gefährdet." Der Vorfall müsse nun genau aufgeklärt werden.