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Politik

Viel Wind um Merkels Nachfolge

23. April 2019

Vorzeitig abdanken? Davon will die Kanzlerin offiziell nichts wissen. Trotzdem rumort es hinter den Kulissen. Im Fokus: Annegret Kramp-Karrenbauer. Die CDU-Chefin will regieren. Aber wie? Aus Berlin Sabine Kinkartz.

BdTD Angela Merkel Windrad
Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Anfang April hat Angela Merkel in ihrem Büro im Kanzleramt zwei Bilder von der Wand nehmen und an ein Berliner Museum schicken lassen. Es sind die Gemälde "Brecher" und "Blumengarten" von Emil Nolde. Sie gehören der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und sind nun bis September Teil einer Sonderausstellung, die sich mit Noldes politischer Nähe zum Nationalsozialismus beschäftigt. Aus diesem Grund will Merkel die Bilder im Herbst auch nicht mehr zurückhaben.

Auffällig ist, dass Angela Merkel in ihrem Büro keine neuen Bilder mehr aufhängen will. "Die Bundeskanzlerin ist zu dem Ergebnis gekommen, einstweilen die weiße Wand ohne ein neues Bild anstelle der Nolde-Bilder schön zu finden und es dabei zu belassen", heißt es aus dem Kanzleramt. Über neuen Wandschmuck nachdenken? Das lohnt sich in Merkels Augen offenbar nicht mehr.

Angela Merkel in ihrem Büro im Kanzleramt. Über dem Schreibtisch hängt ein Portrait von Altbundeskanzler Konrad AdenauerBild: picture-alliance/dpa/K. Niefeld

Der Abschied hat begonnen

Nach 14 Jahren an der Regierungsspitze ist Angela Merkel auf der Schlussgeraden. Den CDU-Vorsitz hat sie bereits abgegeben. Annegret Kramp-Karrenbauer ist die neue Parteichefin und es ist ein offenes Geheimnis, dass Merkel sie auch gerne im Kanzleramt sähe. Aber wann? Und auf welchem Weg? Darüber wird im politischen Berlin immer lauter diskutiert, seit sich die Bundeskanzlerin im Europawahlkampf der CDU so gut wie gar nicht blicken lässt.

Nüchtern betrachtet - und so geht die Naturwissenschaftlerin Merkel grundsätzlich an alles heran - ist es nur konsequent, dass sich die alte Vorsitzende aus dem Universum der neuen Vorsitzenden komplett heraushält. Merkel lässt Kramp-Karrenbauer Raum, damit sie sich eine Position erarbeiten und so an Gewicht gewinnen kann.

Merkel und Kramp-Karrenbauer: Zwei, die sich mögenBild: Reuters/K. Pfaffenbach

Die CDU rückt wieder nach rechts

AKK, wie Annegret Kramp-Karrenbauer sich selbst nennt, verfolgt einen eigenen Weg und will den Kurs der Partei offensichtlich neu abstecken. Es geht nicht um große Reformen, aber es ist nicht zu übersehen, dass die Neue an der CDU-Spitze eine deutlich konservativere Politik verfolgt. Ob Migration, Homo-Ehe oder europäische Integration - Kramp-Karrenbauer denkt weitaus weniger liberal als ihre Vorgängerin Merkel.

Das freut den konservativen Flügel der CDU und mit ihm Friedrich Merz, der im Herbst noch selbst um den CDU-Vorsitz kämpfte. Jetzt sieht man ihn oft an der Seite seiner früheren Konkurrentin und beide wirken zusammen sehr vertraut.

Statt mit Merkel, tritt AKK im Europa-Wahlkampf mit Merz auf, der so gar keinen Hehl daraus macht, dass er unter einer Kanzlerin Kramp-Karrenbauer sehr gerne ein Ministeramt bekleiden würde. Doch dafür müsste die Saarländerin erst einmal ins Kanzleramt einziehen.

Die SPD lehnt AKK ab

Offiziell hält Angela Merkel an ihrer Linie fest, bis zum Ende der Wahlperiode 2021 im Kanzleramt bleiben zu wollen. Hinter den Kulissen aber werden alle Optionen durchgespielt, mit dem Ziel, Kramp-Karrenbauer möglichst gute Startchancen zu bieten. Doch so einfach ist ein Personalwechsel an der Regierungsspitze nicht.

Erst als der Bundestag "Ja" gesagt hatte, durfte die Kanzlerin am 14.3.2018 Platz nehmenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Kanzler werden vom Bundestag gewählt. Dort hat die Regierungskoalition von CDU, CSU und SPD zwar eine Mehrheit. Die Sozialdemokraten haben aber schon angekündigt, dass sie Kramp-Karrenbauer auf keinen Fall zur Kanzlerin machen würden. Damit wollen sie genau das verhindern, was Merkel bewegen könnte, sich vorzeitig zurückzuziehen: dass sich AKK einen Amtsbonus erarbeiten und mit diesem Vorteil in die Bundestagswahlen 2021 gehen könnte.

Keine neue Mehrheit für die GroKo

Damit würde die SPD allerdings vorzeitige Neuwahlen riskieren. In der Partei kann das eigentlich niemand wollen. Die Umfragewerte der Partei sind seit einem Jahr gleichbleibend schlecht. Seit Monaten kommt sie nicht über 17 Prozent hinaus, das sind drei Prozent weniger als bei der letzten Bundestagswahl. Den Umfragen zufolge läge allerdings auch die Union drei Prozentpunkte unter ihrem letzten Ergebnis. Daran gemessen hätte die große Koalition nach Neuwahlen keine Mehrheit mehr im Parlament.

Der Richtungsstreit in der GroKo war auch Thema im Düsseldorfer KarnevalsumzugBild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Annegret Kramp-Karrenbauer könnte allerdings versuchen, aus dem bestehenden Bundestag heraus mit der FDP und den Grünen eine sogenannte Jamaika-Koalition zu schmieden. Eine Mehrheit dafür gäbe es. Nach der Bundestagswahl 2017 war Jamaika nach wochenlangen Verhandlungen an der Weigerung der FDP gescheitert.

Zwei Jahre später könnten es nun aber die Grünen sein, die sich quer stellen. Nicht einmal neun Prozent der Stimmen erhielten sie 2017, nach aktuellen Umfragen liegen sie derzeit bei rund 20 Prozent. Unwahrscheinlich, dass sie auf Neuwahlen und den damit verbundenen Machtzuwachs verzichten würden.

Entscheidung im Dezember

Aber vielleicht ist es am Ende tatsächlich die SPD, die darüber entscheidet, wie lange Angela Merkel noch Bundeskanzlerin sein wird. Merkel selbst hat die Frage bislang immer so beantwortet, dass sie bis zum Ende der Wahlperiode im Amt bleiben wolle. Offiziell endet die erst 2021. Aber werden CDU, CSU und SPD, die zusammen die große Regierungskoalition bilden, noch so lange zusammenbleiben? Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass zur Halbzeit der Wahlperiode Bilanz gezogen und über den Fortbestand der Koalition entschieden werden soll. Die SPD will das im Dezember auf ihrem Bundesparteitag tun.

Wie wird sich die SPD entscheiden? Parteichefin Andrea Nahles und Finanzminister Olaf Scholz würden gerne weiter regierenBild: Getty Images/AFP/O. Anderson

Welche Stimmung dort zu erwarten ist, wird ganz entscheidend von den Wahlergebnissen in diesem Jahr abhängen. Am 26. Mai findet nicht nur die Europawahl statt, sondern auch die Landtagswahl in Bremen. Zudem werden in neun Bundesländern Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte gewählt. Am 1. September werden in Brandenburg und Sachsen neue Landtage gewählt, am 27. Oktober in Thüringen. Für die im Umfragetief gefangene SPD heißt das: Hoffen und Bangen.

Doch neue Gemälde für das Kanzleramt?

Miese Wahlergebnisse werden denen in der Partei in die Hände spielen, die schon immer gegen das Regierungsbündnis mit der Union waren. Davon gibt es viele. Wenn sie bei den Delegierten in der Mehrheit wären, könnten sie auf dem Parteitag durchaus eine Kündigung der GroKo auch gegen den Willen der Parteiführung erzwingen. Die SPD würde sich selbst in die Opposition bringen.

Das wäre wohl auch das Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels. Theoretisch könnte sie noch einmal versuchen, ein Jamaika-Bündnis auf die Beine zustellen, das ist aber unwahrscheinlich. Tatsächlich wäre dann Annegret Kramp-Karrenbauer gefragt. Mit oder ohne Neuwahlen könnte sie bereits 2020 ihr Büro im Kanzleramt beziehen und sich dort einrichten. Ganz sicher würde sie auch neue Gemälde an die weißen Wände hängen.

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