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Politik

Viele Fragen vor dem Nemzow-Mordprozess

Ilja Kowal | Roman Goncharenko
2. Oktober 2016

In Moskau wird der Mord am russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow verhandelt. Auf der Anklagebank sitzen tschetschenische Polizisten. Doch die Hintermänner sind bis heute auf freiem Fuß.

Gedenken an den ermordeten Boris Nemzow
Bild: picture-alliance/dpa

Die Anklage lautet auf "Mord" und "illegalen Waffenhandel". Dafür drohen den mutmaßlichen Mördern von Boris Nemzow mindestens acht Jahre Haft. Die Angehörigen des ehemaligen russischen Vizeregierungschefs und Oppositionspolitikers Nemzow wollten die Anklage auf "Mordversuch an einer Person des öffentlichen Lebens" ändern lassen - das hätte eine Mindeststrafe von zwölf Jahren Haft beinhaltet. Ihr Antrag scheiterte.

So startet am Montag der mit Spannung erwartete Prozess vor dem Moskauer militärischen Bezirksgericht. Die Hauptverhandlung beginnt später als geplant, es gab Schwierigkeiten mit Geschworenen. Dutzende Kandidaten haben aus Privatgründen abgesagt.

Wer war Boris Nemzow?

Der 1959 im südrussischen Sotschi geborene Physiker und Politiker war einer der einflussreichsten und erfahrensten Oppositionellen Russlands. Den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erlebte er in den 1990er Jahren unter Präsident Boris Jelzin. Nemzow war Fraktionsvorsitzender einer rechtsliberalen Partei im Parlament und stieg bis zum stellvertretenden Ministerpräsidenten auf. Als Wladimir Putin Präsident wurde, sank Nemzows Einfluss. Zuletzt war er Ko-Vorsitzender der einer neuen oppositionellen Partei PARNAS (Partei der Volksfreiheit).

Als Oppositionspolitiker wurde Boris Nemzow mehrfach verhaftet, unter anderem bei regierungskritischen Demos

Nemzow war ein scharfer Kritiker Putins und griff den Kremlchef immer wieder öffentlich an. Besonders nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim.

Der Mord

Nach dem Stand der Ermittlungen hat die Vorbereitung zum Mord im September 2014 begonnen. Nemzow ist demnach Monate lang observiert worden, bis in die letzten Stunden seines Lebens.

Der Mord geschah im Herzen Moskaus, wenige Tage vor einer großen Demonstration der Opposition. Am späten Abend des 27. Februar 2015 ging der 55-jährige Nemzow in Begleitung einer Freundin zu Fuß nach Hause. Sein Weg führte über die Moskworezkij-Brücke in unmittelbarer Nähe des Kremls. Gegen 23.30 Uhr, so die Ermittler, wurde Nemzow auf der Brücke von Saur Dadajew eingeholt. Dadajew, ehemaliger stellvertretender Kommandeur des Polizeibataillons Nord aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien, zog eine Pistole und feuerte mindestens sechs Mal auf Nemzow. Von vier Kugeln getroffen starb der Politiker noch am Tatort.

Die Angeklagten

Auf der Anklagebank sitzen neben Dadajew vier weitere Tschetschenen, vor allem ehemalige Polizisten. Manche sind untereinander verwandt. Sie wurden relativ schnell nach dem Mord festgenommen. Ein sechster Verdächtiger nahm sich nach Polizeiangaben bei der Festnahme das Leben. Die meisten haben die Tat zunächst gestanden und später gesagt, man habe auf sie Druck ausgeübt. Jetzt bestreiten die Angeklagten, Nemzow getötet zu haben.

Ruslan Muchudinow wird von Interpol gesuchtBild: interpol.int

Auftraggeber war, so die Ermittler, ein weiterer Tschetschene: Ruslan Muchudinow, ebenfalls ehemaliger Polizeioffizier. Er soll "zusammen mit weiteren nicht identifizierten Personen" den mutmaßlichen Tätern mindestens 15 Millionen russische Rubel (rund 214.000 Euro) für den Mord an Nemzow versprochen haben. Muchudinow ist flüchtig und wird per internationalem Haftbefehl gesucht. Über seine Motive ist jedoch nichts bekannt. Das Verfahren gegen Muchudinow ist abgetrennt worden und nicht Teil des jetzigen Prozesses.

Die Suche nach Hintermännern

Vadim Prochorow, Anwalt der Familie Nemzow, hält Muchudinow nicht für den einzigen Auftraggeber. Es sei deshalb wichtig, mögliche weitere Täter und die Hintermänner zu identifizieren.

Medien berichten von Spuren zu Ruslan Geremejew, einem anderen Kommandeur des Polizeibataillons Nord. Prochorow sagte der DW, Geremejew könne "tatsächlich einer der Organisatoren des Mordes" gewesen sein. Doch er sei derzeit nur ein Zeuge.

In Russland wird über Verbindungen bis in höchste Kreise der Republik Tschetschenien spekuliert. Die Familie Nemzow wollte sogar den Chef der Republik, Ramsan Kadyrow, als Zeugen vernehmen lassen, und ist damit gescheitert. Für Anwalt Prochorow könnte eine solche Vernehmung jedoch helfen, den brisanten Mord aufzuklären.

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