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PolitikPolen

Viele Fragezeichen nach Explosion mit Toten in Polen

16. November 2022

Die Explosion in Ostpolen mit zwei Toten wurde von einer Rakete aus russischer Produktion ausgelöst. Das heißt aber nicht, dass sie auch von Russland eingesetzt wurde. Die Lage ist unübersichtlich.

Eine Google-Maps-Luftaufnahme zeigt die Region um den Ort Przewodow in Polen nahe der Grenze zur Ukraine
Google-Maps-Luftaufnahme der Region um den Ort Przewodow in Polen nahe der Grenze zur Ukraine, in der zwei Menschen bei einer Explosion starbenBild: google maps/dpa/picture alliance

Die Explosion in einem polnischen Dorf im Grenzgebiet zur Ukraine ist nach Angaben der Regierung in Warschau von einer Rakete aus russischer Produktion ausgelöst worden. Der Einschlag in dem Dorf Przewodow habe sich am Dienstag um 15.40 Uhr ereignet, dabei seien zwei polnische Staatsbürger getötet worden, teilte das polnische Außenministerium am frühen Mittwochmorgen mit. Mit der Herkunft der Rakete ist allerdings noch nicht geklärt, welches Land sie eingesetzt hat. Sowohl die Ukraine als auch Russland verwenden Raketen sowjetischer Konstruktion.

Warschau habe den russischen Botschafter einbestellt, sagte der Sprecher des Außenministeriums weiter. Er betonte, dass am Dienstag ein massiver Beschuss des gesamten ukrainischen Territoriums und seiner kritischen Infrastruktur durch die russische Armee zu beobachten gewesen sei. Das Dorf Przewodow liegt etwa 60 Kilometer Luftlinie entfernt von der westukrainischen Stadt Lwiw, die auch Ziel russischer Angriffe war.

Polens Regierung nach Explosionen eher wortkarg

Nach den ersten Medienberichten über die Explosion hatte sich die polnische Regierung eher wortkarg gegeben. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki rief nach Absprache mit Staatspräsident Andrzej Duda das Sicherheits- und Verteidigungskomitee ein.

Das Treffen finde wegen einer "Krisensituation" statt, so hatte es Regierungssprecher Piotr Mueller im Vorfeld ausgedrückt. Auf der anschließenden Pressekonferenz waren Nachfragen von Journalisten nicht erlaubt - angesichts der "Sensibilität" der Angelegenheit, erklärte Mueller. 

Die vorsichtige Reaktion der polnischen Regierung zeigt, als wie angespannt die Lage von Warschau eingestuft  wird - ein falsches Wort, so schien es, könnte unvorhersehbare Folgen haben.

Der Regierungssprecher teilte nach dem Treffen mit, die Bereitschaft einiger Kampfeinheiten in Polen sei erhöht worden. Auch die Kampfbereitschaft anderer Dienste habe man verstärkt, so der Regierungssprecher. Gleichzeitig prüfe man, ob das Verfahren nach Artikel 4 der NATO in die Wege geleitet werden solle.

Regierungssprecher Piotr Mueller (r.) und der Leiter des Büros für Nationale Sicherheit, Jacek Siewiera auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des SicherheitsratesBild: Radek Pietruszka/PAP/dpa/picture alliance

Wie der Chef des Büros der Nationalen Sicherheit, Jacek Siewiera, mitteilte, sprach Staatspräsident Duda mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Polen stehe "in engem Kontakt" mit "Schlüssel-Verbündeten", sagte er, und nannte in diesem Zusammenhang die USA. Inzwischen gab es auch ein Gespräch zwischen Duda und US-Präsident Joe Biden.

Militärexperten spekulieren über Herkunft möglicher Raketen

Der Vorfall löste eine heftige Debatte unter polnischen Militärs aus. Als "Irrtum und keinen gezielten Angriff" bezeichnete Brigadegeneral a.D. Stanislaw Koziej den Zwischenfall im Privatsender "TVN". Russland nutze immer ältere Raketen, die weniger präzise seien. Koziej erinnerte an seine Idee, eine Luftverteidigungszone an Polens Grenze zur Ukraine zu errichten.

Maksymilian Dura vom Portal Defence24.PL ergänzte, die Zone solle auf der ukrainischen Seite der Grenze 30 bis 40 Kilometer breit sein und polnisches Territorium vor Luftangriffen schützen.

Militär-Experten schließen allerdings auch nicht aus, dass eine ukrainische Luftabwehrrakete die Explosion verursacht haben könnte.  

Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig

Russland dementiert, für den Vorfall verantwortlich zu sein. Das Verteidigungsministerium in Moskau bezeichnete polnische Angaben über einen Einschlag russischer Raketen auf polnischem Staatsgebiet als bewusste Provokationen. Diese hätten das Ziel, die Situation zu eskalieren, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax das Ministerium. Es seien keine Angriffe mit russischen Waffen auf Ziele nahe der polnisch-ungarischen Grenze ausgeführt worden.

Polnische Polizisten patrouillieren im Dorf Przewodow im Südosten PolensBild: Wojtek Jargilo/PAP/dpa/picture alliance

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj beschuldigt Russland direkt, Raketen auf Polen abgefeuert und damit eine "sehr erhebliche Eskalation" herbeigeführt zu haben. "Russische Raketen haben gegen Polen geschlagen,"  so Selenskyj. Dies sei die Antwort Russlands auf die klare Verurteilung des russischen Angriffskriegs auf dem Treffen der G-20-Staaten. "Die Ukraine wird Euch immer unterstützen", versicherte Selenskyj den Polen.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba forderte ein "sofortiges" Gipfeltreffen der NATO, um über eine gemeinsame Reaktion zu beraten. Er wies zudem den Verdacht zurück, eine ukrainische Luftabwehrrakete könne auf polnischem Gebiet gelandet sein. Dabei handele es sich um eine von Russland beförderte "Verschwörungstheorie", schrieb Kuleba im Kurznachrichtendienst Twitter.

Jacek Lepiarz Journalist in der polnischen Redaktion mit Schwerpunkt auf deutsch-polnischen Themen.
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