Merkel und die Weltwirtschaft
5. April 2016Hochkarätiger könnte die Runde kaum besetzt sein, die sich am Dienstagabend im Kanzleramt einfindet, um über Chancen und Risiken der Weltwirtschaft zu reden. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist von lauter Direktoren und Generalsekretären umgeben. Es sind die Chefs der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Welthandelsorganisation (WTO). Dass sie alle bei der deutschen Regierungschefin vorbeischauen, belegt zweierlei: wie wichtig das Land aus globaler Perspektive ist und wie groß die Erwartungshaltung.
Gastgeberin Merkel verweist zunächst darauf, dass es sich bereits um die achte Begegnung dieser Art seit 2007 handele. Die Runde hat sich also schon vor der großen Finanzkrise am Ende des ersten Jahrzehnts getroffen. Soll heißen: Es ist keine Reaktion darauf gewesen. Dieses Mal habe man sich "sehr intensiv mit globalen Standards beschäftigt, die wir einhalten sollten", sagt Merkel. Die Rahmen, in denen man sich üblicherweise bewegt, heißen G 7 und G 20. Sie sollen auch künftig eine "zentrale Rolle" spielen. Merkel spricht in der gemeinsamen Pressekonferenz über globale Lieferketten und Wirtschaftswachstum. Wie erfolgreich alles sei, hänge davon ab, wie viel Sicherheit es gebe. "Sei es durch Kriege, sei es durch Pandemien, sei es durch Fluchtbewegungen und vieles andere mehr."
Lagardes gute und schlechte Nachricht
IWF-Chefin Christine Lagarde sagt das, was sie bereits am Morgen in Frankfurt am Main mitgeteilt hatte: Die gute Nachricht sei, dass es Wachstum gebe. Die schlechte, dass es "fragil und schwach" sei. Und die Französin listet Risiken auf, die sie ausgemacht hat: Terror und Flucht, die Möglichkeit eines Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union (Brexit) sowie Korruption. All das unterminiere Vertrauen und sorge für Verunsicherung. Als Medizin empfiehlt Lagarde Strukturanpassungen und fiskalische Maßnahmen, die für Wachstum sorgen. Präziser wird sie im Berliner Kanzleramt nicht.
Mehr ins Detail geht da schon OECD-Generalsekretär Angel Gurría. "Absolut notwendig" seien gemeinsame Regeln und Standards für Investitionen und Steuern sowie Korruptionsbekämpfung. Und dann wirbt er erneut für die bestmögliche Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt. Das tat Gurría bereits am Vormittag, als er ebenfalls in Berlin den aktuellen OECD-Wirtschaftsbericht für Deutschland vorstellte. Der besteht überwiegend aus guten Noten.
Weltbank-Chef Kim erinnert an Koreas rasante Entwicklung
Überschwängliches Lob für Merkel persönlich und die Deutschen überhaupt spendet Weltbank-Direktor Jim Yong Kim. Es gilt dem Engagement in der Flüchtlingspolitik.
Er verknüpft seine anerkennenden Worte mit dem Hinweis auf seine Herkunft. Kim stammt aus Südkorea. Und seine Heimat habe in den 1960er Jahren noch ein Wirtschaftswachstum gehabt, das unter dem mancher afrikanischer Länder gelegen habe. Eine vergleichbare Entwicklung hält der Weltbank-Chef auch für Länder möglich, die heute in einer ähnlichen Lage sind wie Südkorea vor einem halben Jahrhundert.
ILO-Generaldirektor Guy Ryder lässt durchblicken, dass er das deutsche Wirtschafts- und Sozialmodell für nachahmenswert hält. Wenn er von der Implementierung globaler Standards spricht, meint er auch die für den Umweltschutz. Es folgt ein Dank für die Rolle, die Deutschland bei der Bekämpfung des Klimawandels spielt.
Ein paar Sätze zu Griechenland und der Ukraine
Nach so viel freundlichen Worten an die Adresse Merkels und Deutschlands ist es an den Journalisten, aktuelle Stichworte zu geben: Griechenland, Ukraine, Panama Papers. Merkel und Lagarde äußern sich inhaltlich gleich. Wichtig sei die Bekämpfung von Korruption. Die Kanzlerin verweist mit Blick auf die ökonomisch und politisch labile Ukraine auf Programme des Internationalen Währungsfonds und den Minsker Friedensplan. "Nichts davon ist heute weniger relevant als gestern."
Die Entwicklung in Griechenland beschreibt Merkel so: "Wir sind auf einem sehr vernünftigen Weg, aber wir sind leider noch nicht am Ziel." Diese Formulierung erscheint Lagarde dann doch etwas zu optimistisch. "Wir sind ganz klar nicht da, wo wir sein wollen", lautet ihr Zwischenfazit. Sie zeigt sich aber auch darüber erfreut, dass die griechische Regierung auf mehr private Investitionen setzen will.