Eurokrise spaltet Europa
18. Juli 2011Deutschlands Tageszeitungen liefern sich in diesen Tagen ein echtes Wettrennen - um die beste Spekulation darüber, was die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Länder am kommenden Donnerstag (21.07.2011) auf ihrem Sondergipfel beschließen werden. Die "Süddeutsche Zeitung" will Informationen darüber haben, dass sich die Euro-Staaten bereits darauf vorbereiten, griechische Staatsanleihen zurückzukaufen.
Angeblich gibt es Favoriten unter den Konzepten
Zwei Rückkauf-Konzepte "gelten derzeit am ehesten als konsensfähig", so die "Süddeutsche Zeitung", weil bei den beiden Varianten die Ratingagenturen am ehesten stillhalten würden: Entweder Griechenland kauft seine Anleihen auf dem Markt zurück, wo der Preis derzeit niedrig ist. Das Geld dafür soll Griechenland vom Rettungsfonds für in Finanznot steckende Staaten (EFSF) erhalten.
Oder der Euro-Rettungsfonds selbst kauft griechische Anleihen zum Marktpreis auf. Dazu müsste allerdings der Kompetenzbereich der EFSF entsprechend ausgeweitet werden, damit er Anleihen auf dem Markt kaufen darf. Bei beiden Konzepten käme es zum sogenannten Schuldenschnitt für Griechenland.
Auch der private Sektor soll angeblich am Rückkauf griechischer Anleihen beteiligt werden, berichtet die "Welt" in ihrer Montagsausgabe unter Berufung auf Diplomatenkreise. Außerdem sollen sämtliche Privatbanken - auch solche, die nicht in Griechenland investiert haben - zukünftig eine Bankenabgabe zahlen.
Es gibt aber noch ein drittes Konzept - das ursprüngliche deutsche. Dieses sieht vor, die Laufzeiten griechischer Anleihen um sieben Jahre zu verlängern. Chancen räumt die "Süddeutsche Zeitung" diesem Konzept allerdings kaum ein. Und selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich bislang vehement gegen einen Schuldenschnitt in Griechenland ausgesprochen hatte, wollte in einem Interview mit dem Ersten Deutschen Fernsehen (ARD) diesen nun nicht mehr ausschließen.
EZB-Chef Jean-Claude Trichet droht
Auch Jean-Claude Trichet scheint davon auszugehen, dass die 17 Euro-Staaten eine Lösung vorziehen, die zum Schuldenschnitt in Griechenland führt. Jedenfalls sah sich der Chef der Europäischen Zentralbank genötigt, den Regierungen der Euro-Staaten zu drohen: Falls die Entscheidung der Staaten am Donnerstag tatsächlich zu einem Zahlungsausfall führen sollte, sagte Trichet in der Montagsausgabe der "Financial Times Deutschland", dann "müssten die Regierungen dafür sorgen, dass dem Euro-System Sicherheiten bereitgestellt werden, die es akzeptieren kann".
Sollten sich die 17 Staaten für eine Lösung entscheiden, die von den Ratingagenturen als Zahlungsausfall gewertet wird, wird die EZB griechische Anleihen nicht länger als Sicherheiten akzeptieren. Griechische Banken könnten dann bei der EZB kein Geld mehr gegen ihre Anleihen eintauschen. Das könnte den Kollaps der Institute zur Folge haben. "Die Regierungen tragen dafür die Verantwortung", so Trichet.
Für und gegen den Schuldenschnitt
Mit ihrem Nein zum Schuldenschnitt steht die Europäische Zentralbank jedoch mehr und mehr alleine da. Mehrere Wirtschaftsexperten, darunter Wolfgang Franz, der Chef des Rates der sogenannten Wirtschaftsweisen, halten den Schuldenschnitt für notwendig. Franz will die Umschuldung aber unter allen Umständen so gestalten, "dass daraus für die Euro-Zone kein Desaster erwächst", wie er dem Nachrichtenmagazin "Focus" sagte.
Eine Möglichkeit sieht Franz darin, griechische Anleihen gegen Anleihen des Rettungsfonds EFSF mit niedrigerem Wert zu tauschen. Bei diesem Konzept wird jedoch davon ausgegangen, dass die Ratingagenturen Griechenland als zahlungsunfähig einstufen werden.
Michael Diekmann, Chef des größten deutschen Versicherungskonzerns Allianz, und sein Finanzvorstand Paul Achleitner schlagen im "Handelsblatt" vor, dass private Gläubiger ihre Griechenland-Anleihen in neue Papiere mit einer längeren Laufzeit tauschen und auf 25 Prozent des Nominalwertes verzichten sollen. Außerdem sollte der EFSF die neuen Papiere absichern. Allianz-Chef Michael Diekmann geht davon aus, dass sich Griechenlands Auslandsschulden um 50 Milliarden Euro verringern könnte - auf dann 300 Milliarden Euro.
Einen ähnlichen Anleihe-Tausch hatte Commerzbank-Chef Martin Blessing schon letzte Woche vorgeschlagen. Er forderte allerdings einen Abschlag von 30 Prozent.
Auch Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchener Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, möchte die privaten Banken an der Krise beteiligen. Sollten Banken dadurch in Schwierigkeiten geraten, müsse man über eine mögliche Verstaatlichung der betroffenen Institute nachdenken. Sinn hat sich zum wiederholten Male zur Griechenlandkrise geäußert. Er ist einer derjenigen, die den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone befürworten.
Autorin: Jutta Wasserrab (mit SZ, FTD, Handelsblatt, dapd, rtr)
Redaktion: Henrik Böhme