Ein geschockter Museumschef, ein frustrierter Sammler, aufgeregte Versicherungsleute und rätselnde Polizisten - der spektakuläre Goldmünzen-Raub von Berlin hat die Zutaten eines perfekten Kunstkrimis.
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Moderner Schatzraub: 9 spektakuläre Diebstähle
Der Raub einer millionenschweren Goldmünze im Berliner Bodemuseum ist das jüngste Beispiel für außergewöhnliche Diebstähle von Kunstschätzen. Den Dieben wird es dabei oft erstaunlich leicht gemacht.
Bild: picture-alliance/dpa/H. K. Techt
Schwere Beute
Beim Raub der 100 Kilogramm schweren Goldmünze sind die Diebe durch ein Fenster ins Museum eingedrungen, haben die Münze "mit brachialer Gewalt" aus der Vitrine gezerrt und mit Seil und Schubkarre abtransportiert. Bisher sind Täter und Münze spurlos verschwunden. Coup gelungen - das haben sich auch schon andere erfolgreiche Kunstdiebe gesagt. Hier ist eine Auswahl der spektakulärsten Raubzüge.
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Große Beute
Beute im Wert von einer halben Milliarde US-Dollar machten zwei Diebe 1990 in Boston, als sie 13 wertvolle Gemälde aus dem Isabella Stewart Gardner Museum klauten. Als Polizisten verkleidet schlichen sie sich nachts ins Museum ein und überrumpelten die Wachmänner. Danach konnten sie ungestört Gemälde von Rembrandt, Vermeer, Manet und Co. stibitzen. Es ist bis heute der größte Kunstraub der USA.
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Berühmte Beute
Auch wenn sie schon vorher bekannt war, wurde die Mona Lisa erst nach ihrem Diebstahl im Jahr 1911 so richtig berühmt: Viele Besucher kamen in den Pariser Louvre, nur um die leere Stelle an der Wand zu betrachten. Zwischenzeitlich stand sogar der Maler Pablo Picasso unter Verdacht, etwas mit dem Coup zu tun zu haben - am Ende stellte sich aber ein gewöhnlicher Krimineller als der Dieb heraus.
Bild: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Spielfilmreife Beute
Während Europa das neue Jahrtausend begrüßte, wurde im Oxforder Ashmolean Museum ein Dachfenster eingeschlagen, ein Seil hinab gelassen und den Kameras mit Rauchgranaten die Sicht genommen - wie in einem Spielfilm. Die Beute: das Bild ''Auvers-sur-Oise", ein 3 Millionen Pfund teures Gemälde von Paul Cézanne. Dieb und Werk verschwanden in den Silvesterfeierlichkeiten auf Nimmerwiedersehen.
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Satte Beute
Absurd aber wahr: 2003 erklomm ein Gauner betrunken ein Baugerüst am Kunsthistorischen Museum in Wien, zerschlug ein paar Scheiben und steckte sich ein Salzfässchen im Wert von 50 Millionen Euro in die Tasche. Die "Saliera" wurde einst von Goldschmied Benvenuto Cellini für den französischen König Franz I. gefertigt. Der Plan des Diebes, das Museum auf Lösegeld zu erpressen, schlug aber fehl.
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Schnelle Beute
Kaltblütig gingen drei Diebe 2008 in Zürich vor: Während einer die Wachleute mit einer Pistole in Schach hielt, trugen die anderen Täter am helllichten Tag vier Gemälde hinaus. Die Werke von Van Gogh, Monet, Cézanne (oben) und Degas haben einen Wert von 110 Millionen Euro. Mittlerweile sind alle ins Museum zurückgelangt. Zwei davon waren auf dem Parkplatz einer Psychiatrie entdeckt worden.
Bild: Reuters
Legendäre Beute
Die Aufregung war groß, als 2010 der vermeintliche Schädel des Piraten Klaus Störtebeker aus dem Museum für Hamburgische Geschichte verschwunden war. Angeblich haben die Diebe den Kopf "aus Blödsinn" während des laufenden Museumsbetrieb mitgehen lassen. Ob Seemannsgarn oder nicht: Ein Jahr später stand der Schädel wieder an seinem Platz und Besucher erhielten zur Feier freien Eintritt.
Bild: picture-alliance/dpa/M.Gambarini
Leichte Beute
Bewegungsmelder kaputt, Alarmanlage außer Betrieb, die Wachmänner bemerkten nichts: Leichtes Spiel hatte ein Dieb 2010 im Pariser Museum für Moderne Kunst. Fünf Gemälde im Wert von 100 Millionen Euro, darunter Werke von Picasso und Matisse (abgebildet), verschwanden aus dem schlecht gesicherten Kunsthaus. Der Dieb konnte zwar kürzlich gefasst werden, die Werke aber sind bis heute verschollen.
Bild: picture-alliance/dpa
Funkelnde Beute
Ein riesiges Loch bohrten vier ältere Herren am Osterwochenende 2015 in den Tresorraum einer Depotfirma im Londoner Diamantenviertel Hatton Garden. Als Bauarbeiter getarnt konnten sie Schmuck, Edelsteine und Bargeld im Wert von 18 Millionen Euro ungehindert nach draußen schaffen - die Polizei hatte den ausgelösten Alarm ignoriert. Die Beute konnte später mit den Dieben geschnappt werden.
Bild: picture alliance/dpa//Metropolitan Police
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"Big Maple Leaf" heißt das hundert Kilo schwere Stück, das Unbekannte Ende März aus dem Bodemuseum auf der Berliner Museumsinsel stahlen. Noch drei Tage danach rätselte die Polizei, wie dieser Raub überhaupt möglich war. Hat das Museum die Münze, seit 2010 als Dauerleihgabe im Museum, ausreichend gesichert? Wie transportierten die Diebe wirklich das autoradgroße und zentnerschwere Exponat? Verfügten sie über Insiderwissen, um die Sicherheitssysteme des Museums auszuschalten? "Wir ermitteln mit Hochdruck genau zu diesen Fragen", bestätigt Berlins Polizeisprecher Winfried Wenzel jetzt auf DW-Anfrage.
Der Goldwert von "Big Maple Leaf", die 2007 von der kanadischen Münzprägeanstalt Royal Canadian Mint geprägt wurde, beträgt rund 3,7 Millionen Euro, ihr Nennwert gerade mal eine Million Dollar. Das Landeskriminalamt vermutet deshalb laut Wenzel: "Den Räubern ging es um das Gold." Die Polizei nimmt an: Die Diebe haben die Münze längst eingeschmolzen. Die Münze wäre damit - trotz ihrer Sperrigkeit - die perfekte Beute. Selbst mithilfe einer professionellen Analyse ließe sie ihr Gold wegen der ungewöhnlich hohen Reinheit später nicht mehr zu identifizieren.
"Im ersten Moment dachte ich: Aprilscherz! Im zweiten Moment: Alarmübung! Und als ich das dann realisiert habe, begannen mir die Knie zu zittern", erinnert sich Museumsdirektor Bernhard Weisser im DW-Interview. Eine Antwort darauf, wie die Diebe sämtliche Sicherheitssysteme überwinden und unbemerkt bleiben konnten, hat auch er nicht. Geschockt seien freilich nicht nur er und die Museumsleute, sondern auch der - bislang ungenannte - Sammler, der "Big Maple Leaf" 2010 nach einer Ausstellung zu "Goldgiganten" dem Museum als Dauerleihgabe überließ. Hat der Münzraub das Vertrauen zwischen Sammler und Museum zerstört? Museumschef Weisser behauptet: "Nein, ich sehe im Moment nicht, dass das gute, vertrauensvolle Verhältnis gelitten hat."
"Wie eine Amputation"
"Hochgradig verzweifelt und enttäuscht" wäre Stefan Haupt, würden Teile seiner Kunstsammlung abhanden kommen, die er dem Bodemuseum für die aktuelle Ausstellung "Muse, Macht, Moneten" geliehen hat. Er kann sich in den geprellten Goldmünzen-Besitzer gut hineinfühlen. "Das Museum ist schließlich ein Treuhänder", sagt der Medienanwalt, "das schönste, sicherste Bett auf der Welt für deine Objekte." Ein Diebstahl wie dieser? "Was für ein Vertrauensverlust!" Dem Sammlerkollegen des "Big Maple Leaf" rät Haupt: "Nach vorne schauen und weitersammeln."
Großes Verständnis für den Sammler der kanadischen Goldmünze hat auch Kristian Jarmuschek, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler. "Für einen Sammler fühlt sich das an wie ein Einbruch in die Privatsphäre, wie eine Amputation." Zwar sei "Big Maple Leaf" mit weltweit fünf Exemplaren extrem selten, aber dennoch "möglicherweise wiederzubeschaffen." Bemerkenswert findet Jarmuschek, dass im Bodemuseum nicht noch viel mehr gestohlen wurde. "Aber vermutlich ging es den Dieben weniger um das Kunstwerk, als um das blanke Gold."
Das hält auch Dirk Heinrich, Kunstversicherungsexperte der AXA, für sehr wahrscheinlich. "Ich würde mich nicht wundern, wenn es die Münze schon nicht mehr gäbe", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Als er von dem Berliner Kunstraub erfuhr, habe er als erstes geprüft, ob seine Versicherung involviert ist. "Gott sei Dank, nein!" Vermutlich müsse die betroffene Versicherung aber bezahlen. Wieviel, das hänge von den Absprachen im Leih- und Versicherungsvertrag ab.
"Bei Kunst ist das eine schwierige Sache", erläutert Museumsdirektor Weisser. "Bei dieser Goldmünze berechnet man den Materialwert und den Wiederbeschaffungswert. Gemeinsam mit dem Leihgeber kommt man dann auf eine Versicherungssumme, die beiden Parteien angemessen erscheint, die auch den Aspekt der möglichen Wiederbeschaffung mit einbezieht." Soll heißen: Eine genaue Zahl nennt er nicht, nur soviel: "Das ist auch der Grund, warum wir die Nofretete nicht ausleihen - weil der Versicherungswert so hoch wäre, dass ihn kein Mensch bezahlen könnte."