Viele Verletzte bei Protesten gegen Argentiniens Sparpolitik
13. Juni 2024In Argentinien sind bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und regierungskritischen Demonstranten dutzende Menschen verletzt worden. Vor dem Kongress in Buenos Aires gingen hunderte Polizisten mit Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Einige Vermummte schleuderten Steine und Brandsätze gegen die Beamten. Mehrere Autos gingen in Flammen auf. Zu den ersten Zusammenstößen kam es, als Demonstranten versuchten, das mit Zäunen abgesperrte Kongressgebäude zu erreichen. Die Polizei setzte Pfefferspray und Tränengas ein. Später drängten Polizisten mit Schutzausrüstung und auf Motorrädern die Menge zurück.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden sieben Demonstranten, darunter fünf Abgeordnete der Opposition, nach dem Einsatz von Pfefferspray im Krankenhaus behandelt. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Vereinigung gegen institutionelle Gewalt wurden Dutzende weitere Personen vor Ort behandelt. Ein Sprecher des Sicherheitsministeriums sagte, auch neun Polizisten seien verletzt worden. Es gab etwa 20 Festnahmen. Das Büro von Präsident Javier Milei sprach im Onlinedienst X von "Terrorgruppen", die "mit Stöcken, Steinen und sogar Granaten versucht haben, einen Staatsstreich herbeizuführen".
Kontroversen um Mileis Sparkurs
Während der Proteste beriet der Senat über Mileis Vorschläge, den Haushalt massiv zu kürzen und den Markt deutlich zu liberalisieren. Der selbsterklärte "Anarcho-Kapitalist" will unter anderem einen einjährigen "wirtschaftlichen Notstand" ausrufen, womit er Behörden auflösen und staatliche Unternehmen privatisieren könnte. Zudem sollen die Mindestrente gekürzt und Arbeitnehmerrechte eingeschränkt werden. Ferner will Milei Steuererleichterungen für Großinvestoren durchsetzen. Die Regierung musste den Maßnahmenkatalog bereits erheblich zusammenkürzen, um eine Mehrheit im Parlament möglich zu machen. Soziale Bewegungen und die linke Opposition verurteilen die Reformpläne als neoliberal und unsozial.
Das Maßnahmenpaket der ultraliberalen Regierung wurde schließlich am späten Mittwochabend (Ortszeit) mit knapper Mehrheit von 37 zu 36 Stimmen angenommen. Ausschlaggebend war die Stimme von Vizepräsidentin Victoria Villarruel, die als Vorsitzende des Senats mit Ja votierte und so ein Patt verhinderte, wie örtliche Medien berichten.
"Das Präsidialamt feiert die historische Verabschiedung des Gesetzes", hieß es nach der stundenlangen Debatte in einer Mitteilung von Mileis Büro auf dem Portal X. Dies sei "ein Sieg des argentinischen Volkes und der erste Schritt zur Wiederherstellung unserer Größe". Angesichts diverser Änderungen im Gesetzestext geht dieser allerdings nun zurück an die Abgeordnetenkammer. Bis zur Inkraftsetzung könne es daher noch länger dauern, schrieb die Zeitung "La Nación".
Ultraliberale "Schocktherapie"
Milei hatte die Präsidentschaftswahl im November gewonnen. Bei seinem Amtsantritt kündigte er eine "Schocktherapie" für Argentinien an, mit der er nach eigenen Angaben die Inflation in den Griff und die Wirtschaft wieder auf Kurs bringen will. Die Regierung strich Tausende Stellen im öffentlichen Dienst, kürzte Subventionen und wickelte Sozialprogramme ab. Gegen seinen Kurs gibt es regelmäßig Proteste.
Argentinien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflation von fast 290 Prozent ist eine der höchsten der Welt. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Nach Angaben der Katholischen Universität Argentiniens leben knapp 56 Prozent der Menschen in Argentinien unter der Armutsgrenze und rund 18 Prozent in extremer Armut.
kle/pg (afp, dpa, rtre)