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Babylonisch

Bernd Riegert, Brüssel28. Februar 2007

27 Mitgliedsstaaten, 23 Amtssprachen und 1500 Dolmetscher - diese Zahlen machen deutlich: Die Sprachenvielfalt in der EU ist ein teurer Spaß und verursacht so manche Verwirrung.

EU-Kommissar Leonard Orban hebt die Hand, Quelle: AP
Multilingualität ist ein Fulltimejob sagt EU-Kommissar Leonard OrbanBild: picture-alliance / dpa

Alle Bürger der Europäischen Union haben das Recht, sich in ihrer Muttersprache an die Behörden, Parlamente und Gerichte der Europäischen Union zu richten. Das war einer der ersten Beschlüsse der Europäischen Union vor 50 Jahren. Damals gab es vier Sprachen in den sechs Gründungsstaaten. Heute sind es fast vier Mal so viele Amtssprachen. Allein in den vergangenen drei Jahren hat sich mit dem Beitritt der osteuropäischen Staaten die Zahl der Sprachen mehr als verdoppelt.

Eine babylonische Verwirrung mit mehreren tausend Kombinationsmöglichkeiten bei den Übersetzungen: Die Pressekonferenz des neuen EU-Kommissars für die Mehrsprachigkeit, Leonard Orban, wurde - wie alle Auftritte der Kommissare - theoretisch in 21 Sprachen übersetzt. Alle 1,5 Millionen Seiten Dokumente hat die EU im letzten Jahr in alle Sprachen vom Finnischen bis ins Griechische übersetzt. Nur Malta hat bislang auf komplette Versionen verzichtet. Diesen Aufwand lässt sich die Union jährlich über eine Milliarde Euro kosten.

Keine Vereinfachung absehbar

Eine einheitliche Amtssprache einzuführen, etwa Englisch, kommt für den Sprach-Kommissar Orban nicht in Frage: "Es ist politisch nicht hinzunehmen, die Bürger der Union zu zwingen, nur eine einzige Sprache zu benutzen, sei es nun Englisch oder etwas anderes. Eine Lingua Franca kann es nicht geben." Franzosen, Deutsche, Italiener, Polen und viele andere würden sofort auf die Barrikaden gehen, ist zu befürchten. Leonard Orban will stattdessen dafür werben, dass möglichst viele EU-Bürger möglichst viele Sprachen sprechen. Zuständig für die Bildung sind aber die Mitgliedsstaaten.

Was ein eigener Sprachkommissar ausrichten kann und soll, den es erst seit Januar 2007 - mit dem Beitritt Rumäniens - gibt, fragen sich in Brüssel viele. Orban, dessen Ressort aus dem Kulturbereich herausgeschnitten wurde, versichert: "Meine Aktivitäten als Kommissar sind ein Fulltimejob. Meine Aufgabe besteht aus zwei sehr wichtigen Bereichen, zum Beispiel die politische Rolle der Mehrsprachigkeit." Es gebe zahllose Verknüpfungen zu anderen Politik-Bereichen wie zu Fragen der Wettbewerbsfähigkeit, Gesellschaftskultur, Recht und so weiter.

Von der Wirtschaft lernen

Wirtschaftlich sei es von Vorteil, wenn Firmen die Sprachen ihrer Kunden sprechen. Gerade mittelständische und kleine Unternehmen hätten hier Nachholbedarf, meint Orban. Andererseits bestreitet er nicht, dass in der globalen Wirtschaft Englisch die Sprache der Chinesen, Inder und eben auch der Europäer ist.

Die sprachliche Kleinstaaterei in Europa greift weiter um sich. Auch das Irische ist seit Januar Amtssprache. Spanische Regionen wie Katalonien oder das Baskenland kämpfen seit langem dafür, dass auch ihre Sprachen in den EU-Kanon aufgenommen werden. Weitere 40 Regionalsprachen gibt es in der Union.

Suche nach Übersetzern

Orban ist derweil damit beschäftigt, für die existierenden Sprachen Übersetzer zu finden, denn Griechen, die finnisch sprechen, oder Polen, die Portugiesisch können, sind dünn gesät: "Die Übersetzer kommen meistens aus den Mitgliedsstaaten. Ich will die Staaten ermutigen, mehr Übersetzer und Dolmetscher auszubilden für diese sehr schwierige, aber auch anspruchsvolle Arbeit."

So wundert es nicht, dass bei Orbans erster Pressekonferenz die Vielsprachigkeit am Dienstplan der Übersetzer endete. Von den theoretisch geforderten 22 Sprachen konnten 6 nicht geboten werden - aus Personalmangel.

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