Die als NS-Raubkunst identifizierten Zeichnungen aus Privatbesitz sollen an die Nachfahren der einstigen jüdischen Besitzer zurückgegeben werden. Zuerst werden sie jedoch im Martin-Gropius-Bau in Berlin ausgestellt.
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Die vier Zeichnungen der Künstler Charles Dominique Joseph Eisen, Augustin de Saint-Aubin und Anne Vallayer-Coster, die sich in der Sammlung des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt (1895-1956) befanden, sind als NS-Raubkunst identifiziert worden, wie das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste am Montag (10.09.2018) mitteilte.
Sie stammen aus dem Besitz der jüdischen Familie Deutsch de la Meurthe in Paris, in deren Privathaus sie hingen. Das Haus wurde während der Besatzung durch die Nationalsozialisten konfisziert. Nach dem Ende des Krieges erstattete die Familie eine Verlustmeldung, in der die Bilder aufgeführt sind.
Die vier Werke waren im Besitz von Gurlitts 2012 verstorbener Tochter Benita Renate. Der derzeitige Eigentümer hat sie von dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste im Rahmen des Projektes "Provenienzrecherche Gurlitt" überprüfen lassen und will die Werke laut dem Zentrum nun an die Nachfahren der einstigen jüdischen Besitzer zurückgeben.
"Wichtiger Schritt zur Aufarbeitung des NS-Kunstraubes"
Kulturstaatsministerin Monika Grütters dankte dem neuen Eigentümer dafür, dass er der Restitution von NS-Raubkunst zugestimmt habe. "Es ist ein wichtiger Schritt zur Aufarbeitung des NS-Kunstraubes, dass auch Privatpersonen ihre Verantwortung annehmen und ihre Bestände untersuchen lassen", erklärte sie.
Im Gropius Bau präsentieren die Bundeskunsthalle Bonn und das Kunstmuseum Bern rund 200 Kunstwerke aus dem Nachlass Gurlitts sowie eine Vielzahl an Originaldokumenten und historischen Fotografien. Die Nachfahren der Familie seien kontaktiert worden und wünschten eine Präsentation der Werke, hieß es.
Im Zusammenhang mit dem spektakulären Münchner Kunstfund in der Wohnung von Gurlitts Sohn Cornelius (1932-2014) im Jahr 2013 wurde nach Angaben des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste bekannt, dass sich diese vier Werke neben weiteren 14 Bildern im Bestand seiner Schwester Benita Renate befanden. Sie war die Tochter von Hildebrand Gurlitt, der als Kunsthändler unter den Nationalsozialisten wirkte.
Der spektakuläre Münchner Kunstfund ("Schwabinger Kunstfund") in der Wohnung von Cornelius Gurlitt hatte international für Aufsehen gesorgt. Viele der mehr als 1200 Kunstwerke stehen im Verdacht, ihren einstigen jüdischen Besitzern von den Nazis geraubt oder abgepresst worden zu sein. Trotz jahrelanger Forschung gab es bisher allerdings nur in wenigen Fällen klare Beweise.
jhi/bb (dpa, epd, kna)
"Entartete Kunst": Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Adolf Hitler war vor der Machtergreifung 1933 selbst Kunstmaler. Als "Führer" kategorisierte er Kunstwerke nach seinem Gusto - was er verabscheute, wurde als “entartete Kunst” gebrandmarkt und aus Museen entwendet.
Bild: picture-alliance/akg-images
Entartete Kunst
Als "entartete Kunst" bezeichneten Adolf Hitler und die Nationalsozialisten Kunstwerke der Moderne, deren Stil, Künstler oder Sujet ihnen nicht genehm waren. Die Nazis beschlagnahmten solche Kunstwerke ab 1937 aus deutschen Kunstmuseen. In einer Wanderausstellung wurde "entartete Kunst" vor Publikum an den Pranger gestellt. Hier besichtigen Goebbels und Hitler die Originalausstellung in München.
Bild: picture-alliance/dpa
Hitler und die Kunst
Hitler mochte die Romantik sowie Malerei des 19. Jahrhunderts, bevorzugt ländliche Idyllen. In seiner Privatsammlung fanden sich z.B. Werke von Cranach, Tintoretto und Bordone. Hitler wollte sich in seinem Ruhestand - analog zu seinen Vorbildern Ludwig I. von Bayern und Friedrich dem Großen - selbst einer Kunstsammlung widmen. Sie sollte in Linz an der Donau im "Führermuseum" gezeigt werden.
Bild: picture-alliance/Everett Collection/Actual Films
Die Enteignungen
Die Nationalsozialisten waren nicht die Ersten, die Avantgarde-Künstler verfemten, aber sie gingen einen Schritt weiter, indem sie ihre Werke aus den Kunsthäusern verbannten. Über 20.000 Werke ließen die Machthaber 1937 aus 101 staatlichen deutschen Museen abtransportieren. Alles, was den Nazis als nicht erbaulich für das deutsche Volk erschien, wurde abtransportiert.
Bild: Victoria & Alber Museum
Hitlers Nationalstil
Abstrakte Kunst hatte in Hitlers “Nationalstil” nichts verloren. Das machte auch die “Große Deutsche Kunstausstellung” klar, die am 18.7.1937 in München die traditionellen Landschafts-, Historien- und Aktmalereien u.a von Fritz Erler, Hermann Gradl oder Franz Xaver Stahl zur Schau stellte. Je näher das Sujet der realen Vorlage kam, umso schöner war sie in den Augen des Führers.
Bild: Bundesarchiv, Bild 183-C10110/CC-BY-SA
Was als entartet galt
Sogar unter seinen Untergebenen herrschte große Unsicherheit darüber, welche Künstler Hitler akzeptierte. Klarheit brachten die Große Deutsche Kunstausstellung 1937 und die zeitgleiche Ausstellung "Entartete Kunst" in den Münchner Hofgarten-Arkaden. Verfemt wurden Kunstschaffende der Moderne, darunter Max Beckmann, Otto Dix, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein.
Bild: picture-alliance/akg-images
Entartete Kunst auf Tournee
Die Ausstellung "Entartete Kunst" zeigte 650 konfiszierte Kunstwerke aus 32 deutschen Museen. Sie setzte die Exponate mit Zeichnungen von geistig Behinderten gleich und kombinierte sie mit Fotos verkrüppelter Menschen, die bei den Besuchern Abscheu und Beklemmungen erregen sollten. Über zwei Millionen Besucher sahen die Schau, die in verschiedenen Städten gezeigt wurde.
Bild: cc-by-sa/Bundesarchiv
Rechtsgrundlagen
Das "Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst" vom 31.5.1938 legalisierte rückwirkend den entschädigungslosen Einzug der Kunstwerke. Nach Kriegsende behielt das Gesetz seine Gültigkeit, es habe lediglich Staatsbesitz umverteilt, beschieden die Alliierten. Werke, die Nazis als "entartete Kunst" aus den Museen trugen, können im Gegensatz zu Raubkunst bis heute frei gehandelt werden.
Bild: CC by Österreichische Nationalbibliothek
Handel mit "entarteter Kunst"
Die beschlagnahmten Werke kamen in Depots in Berlin und ins Schloss Schönhausen. Viele Verkäufe enteigneter Werke wurden durch die vier Kunsthändler Hitlers, Bernhard A. Böhmer, Karl Buchholz, Hildebrand Gurlitt und Ferdinand Möller, durchgeführt. Ein Bestand an ca. 5000 nicht verkauften Kunstwerken wurde am 20.3.1939 von der Berliner Feuerwehr in einer als Übung bezeichneten Aktion verbrannt.
125 Werke waren für eine Versteigerung in der Schweiz vorgesehen. Eine von Hermann Göring und anderen eingesetzte Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst schätzte die Mindestgebote und wählte schließlich die Galerie Fischer in Luzern für die Auktion aus. Diese Auktion fand am 30.6.1939 statt und fand großes Interesse in der ganzen Welt.
Bild: Fotolia/Fredy Thürig
Viel “entartete Kunst” bei Gurlitt
Über 21.000 Werke "entarteter Kunst" waren beschlagnahmt worden. Über die Anzahl, die seitdem verwertet worden sind, herrscht bis heute Uneinigkeit. Je nach Quelle ist die Rede von 6000 bis 10.000 veräußerten Werken. Anderes wurde vernichtet oder verschwand. Hunderte verschollen geglaubter Werke sind in Cornelius Gurlitts Sammlung wieder aufgetaucht. Und haben die Diskussion neu entfacht.