Merkel, Macron, Putin und Erdogan haben gemeinsame Ziele für Syrien formuliert. Sie dringen auf die Einhaltung der Waffenruhe in Idlib. Noch in diesem Jahr soll die Arbeit an einer neuen Verfassung beginnen.
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Der Gipfel betone die Bedeutung einer dauerhaften Waffenruhe und unterstreiche die Notwendigkeit, den Kampf gegen den Terror fortzuführen, hieß es in der vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verlesenen Abschlusserklärung. In der von allen vier Teilnehmern getragenen Erklärung heißt es, eine sichere, freiwillige Rückkehr syrischer Flüchtlinge solle ermöglicht werden. Verurteilt werden hingegen "separatistische Agenden, die darauf zielen, die Souveränität und territoriale Integrität Syriens sowie die nationale Sicherheit seiner Nachbarn zu unterlaufen". Aus Sicht der Türkei sind das zum Beispiel die US-gestützten kurdischen Milizen in Nordsyrien, also nahe der türkischen Grenze.
Erklärte Ziele der vier Staats- und Regierungschefs sind eine neue Verfassung und freie Wahlen, die einen Neuanfang ermöglichen sollen. Syriens Bevölkerung würde so auch über die Zukunft des derzeitigen Machthabers Baschar al-Assad entscheiden. "Eine dauerhafte Lösung gibt es nur bei einer politischen Lösung, die allen Syrern erlaubt, in ihrem Land zu leben", sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Verfassungskomitee noch in diesem Jahr
Bis zum Ende des Jahres solle ein Komitee in Genf zusammenkommen, das eine neue Verfassung für Syrien ausarbeiten soll, sagte Erdogan. Sein russischer Amtskollege Wladimir Putin sagte, ein solches Gremium sei unstrittig und sollte von allen syrischen Parteien als legitim anerkannt und genutzt werden. "Wir müssen auch einen Dialog mit der Opposition aufbauen", sagte Putin.
Putin erklärte, er hoffe, dass die Türkei die Errichtung einer entmilitarisierten Zone in der syrischen Provinz Idlib bald zum Abschluss bringe. Macron rief Russland dazu auf, deutlichen Druck auf das syrische Regime auszuüben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, die Krise könne nicht militärisch, sondern müsse politisch unter dem Schutz der UN gelöst werden. Ein politischer Prozess müsse gestartet werden, der Wahlen zum Ziel habe, an denen sowohl die Bevölkerung im Land als auch die im Ausland lebende Diaspora teilnehmen kann. Merkel sagte außerdem, sie werde keinen weiteren Einsatz von Chemiewaffen in Syrien tolerieren.
Lob vom Gastgeber
Erdogan lobte seine Gäste für "wirklich produktive und aufrichtige Gespräche". Die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Russland und der Türkei hatten in Istanbul gemeinsam über die Zukunft des vom Krieg gebeutelten Landes beraten. Eine Vielzahl anderer Gesprächsformate war in der Vergangenheit gescheitert, nun versuchten die vier Länder in einer neuen Konstellation, den ins Stocken geratenen Friedensprozess wiederzubeleben. Die Erwartungen waren im Vorfeld gedämpft worden: Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, alle wollten zwar eine politische Lösung, es herrsche jedoch Uneinigkeit über den Weg dorthin.
ehl/stu (afp, dpa)
Damaskus: So verschieden ist die Rückkehr zum Alltag
Mit dem Ende der Kämpfe rund um Damaskus kehrt der Alltag langsam zurück. Während die Menschen in der Hauptstadt einen Hauch von Normalität genießen, könnte das Leben gleich nebenan kaum unterschiedlicher sein.
Bild: Reuters/M. Djurica
Weite Teile von Damaskus sind unversehrt
Vor mehr als sieben Jahren begann in Syrien der Bürgerkrieg. Die syrische Hauptstadt Damaskus blieb dabei - im Gegensatz zu weiten Teilen des Landes - weitgehend von heftigen Kämpfen verschont. Die Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad beherrschten und sicherten die Millionenstadt. Zwar herrschte auch dort Bombengefahr - doch es gab viele vergleichsweise sichere Zonen.
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Bewegtes Nachtleben in der Hauptstadt
Nach dem Ende der Kämpfe in der Region kehren die Menschen nun langsam zur Normalität zurück. In der Marionette Bar in der Altstadt von Damaskus feiern Freunde einen Geburtstag. In dem Viertel gibt es ein lebhaftes Nachtleben, das auch während des Krieges nie ganz zum Erliegen kam.
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Cocktails in der Altstadt
"Während des Krieges, als die Bomben fielen, gab es Tage ohne Kunden", sagt die 24-jährige Dana, während sie einen Blue-Moon-Cocktail mixt. "Aber wir haben nie aufgehört zu arbeiten." In diesem Sommer schließlich kehrte wieder mehr Leben in den Bars, Restaurants und Cafés in der Altstadt ein - es war der erste Sommer seit 2011 ohne Kriegslärm.
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Zerstörung direkt nebenan
Wer nur wenige Kilometer aus der Hauptstadt in die Vororte fährt, sieht die andere, vom Krieg zerstörte Seite Syriens. Dort, wo Rebellen die Kontrolle übernommen hatten, ist der Weg zurück in den Vorkriegsalltag ungewisser, länger und schwieriger.
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Alltag in Trümmern
In Duma, rund 15 Kilometer von Damaskus entfernt, liegen ganze Straßenzüge in Trümmern. Wohnhäuser, Krankhäuser, Geschäfte wurden im Krieg zerstört. Erst vor wenigen Monaten endeten die Kämpfe. Der Wiederaufbau dürfte hunderte Milliarden Dollar kosten - Geld, das das syrische Regime nicht alleine aufbringen kann. Die Rückkehr zur Normalität könnte zur Jahrhundertaufgabe werden.
Bild: Reuters/M. Djurica
Arbeiten mit dem, was da ist
Westliche Staaten machen ihre Hilfe für den Wiederaufbau von politischen Veränderungen abhängig. Die Menschen in den kriegszerstörten Gebieten arbeiten unterdessen mit dem, was übrig geblieben ist. Viele Krankenhäuser liegen in Trümmern, in anderen wurden riesige Granatlöcher in die Wände gesprengt. Doch die Ärzte arbeiten vom Keller aus weiter, wenn es sein muss.
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Keine Zukunft in Syrien?
Auch in Damaskus spielen die wirtschaftlichen Herausforderungen eine große Rolle. Viele Syrer denken darüber nach, wegzugehen. "Ich mag meinen Job, ich mag Bars und das Nachtleben hier. Aber letztlich würde ich Syrien gerne verlassen. Ich sehe hier keine Zukunft", sagt die 30-jährige Barbesitzerin Rasha. "Als es hier Krieg gab und jeden Tag Bomben fielen, wollte ich nie gehen. Aber jetzt ja."