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Vietnam, APEC-Gipfel und Freihandel

9. November 2017

Für den APEC-Gipfel an diesem Freitag, an dem auch US-Präsident Trump teilnimmt, hat Vietnam ehrgeizige Ziele: Eintreten für Freihandel und Stärkung der APEC. Beides hängt zusammen. Aber der Zeitgeist ist gegen Vietnam.

APEC Gipfel Hanoi Vietnam
Bild: picture alliance/ANN

Vor allem im Westen wächst das Misstrauen gegen den globalen Handel, und zwar aus ganz verschiedenen Gründen. In Europa sind Zehntausende Menschen gegen das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) auf die Straße gegangen, unter anderem, weil sie die Aufweichung von Umwelt-, Verbraucherschutz- und Gesundheitsstandards befürchten. Dasselbe geschah im Falle des Freihandelsabkommens zwischen EU und Kanada (CETA), welches trotz Protesten im September in Kraft trat. Im Januar 2017 unterzeichnete US-Präsident Trump ein Dekret, das den Ausstieg der USA aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) ankündigte. Sein Hauptargument: Die USA könnten in bilateralen Abkommen viel bessere Deals erzielen. Beim Abkommen TPP hatten sie die Vertreter aller zwölf beteiligten Länder (s. Infografik) knapp ein Jahr zuvor gerade erst auf einen Text geeinigt. Daniel Müller vom Ostasiatischen Verein (OAV) in Hamburg stellt fest: "Insgesamt muss man sagen, dass der multilaterale Freihandel in einer tiefen Krise steckt."

"Am stärksten betroffen von dieser Krise sind die asiatischen Staaten, insbesondere die asiatischen Schwellenländer", so Müller weiter. Das habe vor allem damit zu tun, dass sich Länder wie Vietnam für ein exportgetriebenes Wachstum und eine handelsorientierte Industrialisierung entschieden haben. Stichwort: Werkbank der Welt. Länder mit einer derartigen Wirtschaftsstrategie sind in besonderem Maße auf den freien Warenverkehr angewiesen. "Die aktuelle Freihandelskrise setzt diese Länder unter Druck. Sie müssen dringend nach Alternativen suchen  und Gegenmaßnahmen ergreifen", sagt Müller.

Daniel Müller vom Ostasiatischen Verein ist skeptisch, was Freihandels-Impulse auf dem APEC-Gipfel betrifftBild: OAV

APEC zu schwach als Freihandelslokomotive

Hier biete der APEC-Gipfel zumindest die Chance, eine klare gemeinsame asiatische Position zu formulieren, glaubt Müller vom OAV. Zwar sei die Wirtschaftsgemeinschaft nicht die wichtigste Organisation in der asiatisch-pazifischen Region, sie habe auch nicht die Möglichkeit eigenständig den Freihandel zu fördern, aber sie sei ein wichtiges Forum zur politischen und wirtschaftlichen Koordination in einer Region, in der ein großer Mangel an einflussreichen und konfliktmindernden Institutionen herrscht. "Die Staaten müssen jede Gelegenheit nutzen, um im Spiel zu bleiben." Nur so könnten sie den Freihandel stärken.

Das ist auch erklärtes Ziel Vietnams. Dem entgegen steht freilich auch die Schwäche der APEC, wie Que Anh Dang vom Leibniz-Institut für globale und regionale Studien darlegt. 1994 entschied die APEC, in zwei Stufen eine Freihandelszone im Pazifik einrichten, bis 2010 für die Industrienation und bis 2020 für die Entwicklungsländer. Das ist gescheitert. Die Verhandlungen über die Freihandelsabkommen TPP sowie die von China unterstützte Initiative RCEP ("Regionale Umfassende Wirtschaftspartnerschaft"), welche die ASEAN-Länder und sechs weitere Staaten umfasst, haben die Bedeutung der APEC zusätzlich untergraben. Hinzu kommt: In den vergangenen Jahren hat sich die Agenda der APEC in Abhängigkeit vom jeweils vorsitzenden Land immer wieder verändert, sodass am Schluss nicht mehr klar war, wofür die APEC eigentlich steht. Nicht zuletzt hat die nicht-verbindliche Natur der APEC zugelassen, dass sich überschneidende und teilweise widersprüchliche Wirtschafts- und Handelsvereinbarungen innerhalb des APEC-Raums etabliert haben. All dies zusammengenommen habe zu einer Identität- und Glaubwürdigkeitskrise der APEC geführt, so Que Anh Dang.

In Status und Inhalt unterscheiden sich die drei Pakte erheblich: TTP und RCEP sind bislang Projekte, wobei sich die USA aus TTP zurückgezogen haben. RCEP wird von China gefördert, ist aber weit weniger ambitioniert als ein echtes Freihandelsabkommen. NAFTA wurde 1994 gegründet und wird von Trump attackiert.

Inspiration von Deutschland zur Wiederbelebung der APEC

Vietnam steht somit vor einer doppelten Herausforderung. Es muss für den Freihandel kämpfen und zugleich den Weg bereiten, damit die APEC wieder als Gestaltungsplattform in Asien wahrgenommen wird. Um die APEC aufzuwerten, versucht Vietnam die Ziele an die des G20-Gipfels in Deutschland anzupassen, wie Que Anh Dang vom Leibniz-Institut für Globale und regionale Studien schreibt. "Vietnam versucht Synergien zwischen der G20 und der APEC herzustellen." So erinnert die vier Schwerpunkte umfassende Agenda des diesjährigen APEC-Gipfels an die Kernthemen des G20-Gipfels: nachhaltiges, innovatives und inklusives Wachstum, regionale Wirtschaftsintegration, Digitalisierung und nachhaltige Landwirtschaft als Antwort auf den Klimawandel. Die Orientierung an Deutschlands Agenda beim G20-Treffen lässt sich auch daran ablesen, dass Deutschland als erstes europäisches Land zum APEC-Gipfel eingeladen wurde. Nicht zuletzt ist Deutschland als Exportnation ein Unterstützer des Freihandels.

China weihte im Mai mit viel Pomp sein Projekt einer "neuen Seidenstraße" oder "One belt, one road" ein, welches aber kein Freihandelsprojekt istBild: Reuters/J. Lee

"Globalisierung braucht Führungsmächte"

Müller, der beim OAV vor allem für die ASEAN-Staaten zuständig ist, ist allerdings skeptisch, ob eine Stärkung der APEC ausreicht, um die Herausforderungen zu meistern, mit denen exportorientierte Schwellenländer wie Vietnam konfrontiert sind. Umfassender Freihandel lässt sich in der Regel nur organisieren, wenn eine Führungsmacht vorausgeht und die anderen mit Druck oder mit Anreizen dazu bewegt mitzumachen, sagt Müller. "Globalisierung braucht Führungsmächte, die willens und in der Lage sind, sogenannte internationale öffentliche Güter bereitzustellen." Dazu gehören im Bereich der Wirtschaft etwa stabile Finanzmärkte, oder Rahmenbedingungen für den Welthandel, wie sie die Welthandelsorganisation (WTO) bereitgestellt haben.

Die Amerikaner sind immer weniger bereit und in der Lage diese Führungsrolle zu übernehmen. Die Europäer können die Lücke nicht füllen. "Und bei China habe ich Zweifel, ob sie das überhaupt wollen", sagt Müller. Das zeige insbesondere Chinas neue Seitenstraßen-Initiative "One Belt, One Road". Anstatt auf Freihandel und Verträge setzt China auf den Ausbau der Infrastruktur. Die wirtschaftliche Integration wird nicht durch rechtliche Übereinkommen, sondern durch Straßen, Häfen und Schienen hergestellt. Dabei gehe es China vor allem um seine eigenen, unmittelbaren Interessen und nicht um einen international verbindlichen Rahmen.

Vor diesem Hintergrund dürfte Vietnam in seiner APEC-Gastgeberrolle kaum wirkliche Fortschritte erzielen. Es habe aufgrund seines Wirtschaftsmodells ein natürliches Interesse, die liberale Handelsordnung und die APEC zu stärken. "Aber ich bin skeptisch, dass Vietnam das gelingt", sagt Müller. Fehlende Kapazitäten und der Zeitgeist, der kritisch gegenüber offenen Märkten sei, stünden dem entgegen. "Offen ist vorerst die Frage, ob das nur eine vorübergehende Phase ist oder ob wir gerade eine historische Zeitenwende erleben."

 

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