Vietnam: Neuer Tourismusmagnet in Konkurrenz zu Thailand?
Tommy Walker
10. Juli 2023
Nach der Covid-Pandemie erholt sich der Tourismus wieder. Dabei ist Vietnam zu einem beliebten Ziel für Asienreisende geworden. Thailand bleibt aber vorerst noch vorn.
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Vietnam hat sich in kurzer Zeit zu einem der beliebtesten Reiseziele in Südostasien entwickelt. Die beeindruckende Vielfalt der Landschaften, von Stränden bis hin zu bergigen Reisterrassen, sowie die lebendigen Städte faszinieren viele Touristen. Laut einem Bericht von Google Destination Insights erreichte Vietnam von März bis Juni 2023 Platz sieben unter den meistgesuchten Reisezielen weltweit und war das einzige Land in Südostasien, das es in die Top 20 geschafft hat.
Die Beliebtheit Vietnams spiegelt sich auch in den internationalen Ankünften wider. Die nationale Tourismusbehörde Vietnams gab bekannt, dass das Land in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 bereits mehr als 5,5 Millionen ausländische Besucher begrüßen konnte. Diese Zahl übertrifft bereits die Gesamtzahl der internationalen Ankünfte im Jahr 2022.
Die Prognosen für das Touristenwachstum in Vietnam sehen vielversprechend aus. Das vietnamesische Tourismusbüro hatte ursprünglich ein Ziel von 8 Millionen Besuchern für das restliche Jahr 2023 angepeilt, geht jedoch inzwischen davon aus, dass diese Zahl wahrscheinlich auf 10 Millionen steigen wird. Bobby Nguyen, der Vorsitzende der Reiseagentur Rustic Hospitality Group, erklärt gegenüber der DW, dass der Anstieg hauptsächlich auf chinesische, indische und koreanische Touristen zurückzuführen sei. "China hat den Markt für Auslandsreisen nach Vietnam wieder geöffnet und der indische Markt ist seit 2022 gewachsen", sagt der Tourismusunternehmer.
Nguyen betont auch, dass die Nutzung sozialer Medien und der Einfluss großer Reisegruppen dazu beigetragen haben, die internationale Popularität Vietnams zu steigern. "Online-Kommunikationskanäle wie Facebook, Instagram, TikTok und Werbekanäle auf Google und anderen Netzwerken sind der schnellste Weg, um das Image Vietnams in der Welt zu fördern", nennt er als Gründe für den neuen Trend.
Vietnams verbesserte Visapolitik
Hanoi wird zudem in Kürze neue Visaregeln für internationale Besucher einführen. Die Visafreiheit wird für ausgewählte Länder von 15 auf 45 Tage angehoben und somit verdreifacht. Für Besucher aus Ländern, die berechtigt sind, ein elektronisches Visum für Vietnam zu beantragen, gelten die Visa nun für bis zu 90 Tage mit einmaliger oder mehrfacher Einreise. Die Änderungen treten am 15. August in Kraft.
Gary Bowerman, ein in Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias, ansässiger Tourismusexperte, erwartet, dass die Visaveränderungen den Tourismussektor ankurbeln werden. "Es geht aufwärts, und in den nächsten sechs Monaten werden Sie einen Anstieg der Reisenden nach Vietnam sehen. Ich denke, er wird sehr stark sein, besonders jetzt, da der chinesische Markt zurück ist", prognostiziert er im Gespräch mit der DW.
Ein Reiseargument für Vietnam sei, dass es ein weniger bekanntes Reiseziel ist und sowohl Tourismus- als auch Geschäftsmöglichkeiten bietet, erklärt Bowerman. "Viele jüngere Menschen möchten jetzt etwas mehr über das Land erfahren. Thailand ist wahrscheinlich besser bekannt. Vietnam hat jedoch einen Hauch von Entdeckung und Mystik. Und es ist das Land, in dem Menschen investieren und Geschäfte machen wollen und wohin sie reisen möchten", fügt er hinzu.
Vietnams Reisebranche blickt nach vorn
Für die vietnamesischen Reiseunternehmen bietet die neue Visapolitik die Aussicht auf mehr internationale Einreisen. "Ich bin gespannt, was passiert", sagt Max Lambert, Inhaber von Fuse Hostels & Travel. Fuse hat Ende letzten Jahres zwei Hostels in der beliebten Stadt Hoi An eröffnet.
Vietnams weißes Wunder
Nur für Schwindelfreie: Die neue Bach-Long-Brücke in Vietnam soll mit 632 Metern die längste Glasbrücke der Welt sein. Bereits in den ersten Tagen nach ihrer Eröffnung erweist sie sich als Touristenattraktion.
Bild: NHAC NGUYEN/AFP
Einmal schweben, bitte
Warum fliegen, wenn man auch zu Fuß den Wolken nahe sein kann? Von der neuen Bach-Long-Brücke, etwa 200 Kilometer westlich von Vietnams Hauptstadt Hanoi gelegen, kann man rund 150 Meter in die Tiefe schauen. Der durchsichtige Glasboden offenbart unzählige Blicke in den Abgrund.
Bild: NHAC NGUYEN/AFP/Getty Images
Ein "weißer Drache" mit langen Armen
Schimmerndes Glas, dünne Stahlseile und weißes Geländer: Die Bach-Long-Brücke schlängelt um die Felswände und durchdringt den grünen Dschungel der Provinz Son La im Norden Vietnams, bevor sie ein tiefes Tal zwischen zwei Bergen überspannt. Bach Long bedeutet übersetzt "weißer Drache".
Bild: NHAC NGUYEN/AFP
Hilfe, Höhenangst!
Bloß nicht nach unten schauen: Ein Junge hält sich sicherheitshalber am weißen Geländer fest und hangelt sich daran entlang über die Brücke. Er scheint den Blick durch die durchsichtige Glasschicht zu fürchten. Mit seiner Höhenangst ist er sicher nicht allein: Auch viele Erwachsene werden beim Überqueren vermutlich den Atem anhalten.
Bild: NHAC NGUYEN/AFP/Getty Images
Und es kommen immer mehr!
Eine Touristengruppe geht über die Brücke, die sich bereits wenige Tage nach der Einweihung großer Beliebtheit erfreut: Allein in den ersten drei Tagen bestaunten laut Tourismusbehörde rund 15.000 Besucher das vietnamesische Wunder. Immer wieder bildeten sich lange Schlangen. Nach Informationen der Tourismusbehörde können sich bis zu 500 Menschen gefahrlos gleichzeitig auf der Brücke aufhalten.
Die Eröffnung des Bauwerks kommt zur rechten Zeit: Nach über zwei Jahren Corona-Pandemie, die praktisch alle Reisenden aus dem Ausland fernhielt, bemüht sich Vietnam nun wieder darum, Besucher anzuwerben. Mitte März hob das asiatische Land die Quarantäne für Reisende aus dem Ausland auf.
Bild: NHAC NGUYEN/AFP
Ausblick mit Adrenalin
Wer diese Aussichtsplattform erreicht, muss schwindelfrei sein. Nach dem wahrscheinlichen Adrenalinschub und angstvollen Blicken kommt dann die Belohnung: Es tut sich ein atemberaubendes Panorama auf die Felsen und Berge des bei Touristinnen und Touristen beliebten Moc Chau-Bezirk im nördlichen Hochland Vietnams auf.
Bild: NHAC NGUYEN/AFP/Getty Images
Prickelnde Pose
Händchen halten über dem Abgrund: Ein Pärchen setzt sich auf der neuen Glasbrücke in Szene. Auffällig sind die Pantoffeln im Partnerlook. Denn um die Oberfläche, die in drei Glasschichten von einem französischen Hersteller angefertigt wurde, nicht zu verkratzen, müssen die Besucher spezielle, weiche Überschuhe anziehen.
Bild: NHAC NGUYEN/AFP/Getty Images
Rekordverdächtig
Bislang wird im Guinness-Buch der Rekorde eine 526 Meter lange Glasbrücke in der chinesischen Provinz Guangdong als Weltrekordhalterin geführt, die erst vor zwei Jahren eröffnet wurde - doch die vietnamesischen Behörden haben bereits ein Dossier eingereicht, damit die Bach-Long-Brücke dort aufgenommen wird. Sie könnte die chinesische Brücke auf dem Spitzenplatz ablösen.
Bild: Nhac Nguyen/AFP/Getty Images
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Er ist bereits zuversichtlich, dass sein Unternehmen wieder das Niveau erreicht, das vor der Pandemie bestand. "In den letzten drei Monaten haben wir einen deutlichen Anstieg der internationalen Gäste in unseren Herbergen verzeichnet", sagt er im Gespräch mit der DW und fügt hinzu, dass die Buchungen jetzt wieder auf dem Niveau von 2019 liegen. Er zeigt sich optimistisch: "Ich denke, dass unser Marktsegment den Kater der COVID-Pandemie so gut wie überwunden hat."
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Thailand bleibt weiterhin an erster Stelle
Die Anzahl der Reisenden nach Vietnam liegt aber immer noch weit unter dem Niveau vor der Pandemie. Im Jahr 2019 verzeichnete Vietnam fast 19 Millionen Besucher aus dem Ausland. Das bedeute auch, dass Vietnam noch einen langen Weg vor sich habe, um mit dem Tourismus in Thailand mithalten zu können, erklärt Lambert. "Thailand verzeichnet immer noch ein stärkeres Wachstum. Thailand ist der Hauptakteur in der Region, und es wird einige Zeit dauern, bis Vietnam dieses Niveau erreicht."
Der Tourismusunternehmer Nguyen betont, dass Vietnam in mehreren Bereichen Verbesserungen vornehmen müsse, um sein volles Potenzial auszuschöpfen. "Tourismus ist ein integrierter Wirtschaftszweig, bei dem die Koordination zwischen Ministerien und Sektoren eng sein muss", so seine Beschreibung der Rahmenbedingungen. "Die Infrastruktur, einschließlich Autobahnen, Eisenbahnen und Straßen, entspricht aber nicht den Anforderungen der Tourismusentwicklung."
"Es ist notwendig, das Personal in der Tourismusbranche umzuschulen und auszubilden, um die Qualität der Dienstleistungen für Touristen zu verbessern", fügt er hinzu. Thailand erwartet, bis Ende 2023 rund 20 Millionen Besucher verzeichnen zu können. Die thailändische Tourismusindustrie strebt jedoch an, das Niveau von 2019 wieder zu erreichen mit einem Rekord von 39 Millionen internationalen Ankünften.
"Thailand hat seinen Platz als meistbesuchtes Land in der Region zurückerobert und bleibt eine dominierende Tourismusnation. Das wird sich nicht ändern. Der Tourismus in Thailand läuft gut", sagt Analyst Bowerman. "Vor der Pandemie wurde Vietnam jedoch nicht unbedingt als Konkurrent angesehen, sondern vielmehr als ein Land mit viel Potenzial. Vietnam wurde als das nächste große Ding im Tourismus in Südostasien angesehen. Ich denke, das ist es immer noch."
Neustart in Thailands Naturparadies
Nach vierjähriger Sperrung dürfen Touristen die malerische Maya Bay auf den thailändischen Ko Phi Phi-Inseln wieder besuchen. Lassen sich Umweltschutz und Tourismus in Einklang bringen?
Bild: Fokke Baarssen/Zoonar/picture alliance
Sie sind wieder da - die Haie
Touristinnen und Touristen staunten nicht schlecht als sie einen Schwarzspitzen-Riffhai in der berühmten Maya-Bucht auf Thailands Ko Phi Ph Leh Inseln sahen. Die Tiere kehrten während der Corona-Pandemie zurück, als der Reiseverkehr zum Erliegen kam und die Welt stillstand. Für die Natur war die Pandemie eine Chance zur Erholung - doch nun sind nicht nur die Haie, sondern auch Touristen wieder da.
Bild: JORGE SILVA/REUTERS
Traumbucht mit Hollywood-Charme
Vor der Pandemie zog der Ko Phi Phi-Nationalpark mit seinen weißen Sandstränden und Korallenriffen mehr als zwei Millionen Besucherinnen und Besucher pro Jahr an. Die Maya-Bucht, umgeben von hoch aufragenden, baumbewachsenen Klippen, war Drehort des Films "The Beach" mit Leonardo DiCaprio - und wurde dank ihres Hollywood-Ruhms von Besucherströmen überrannt, bis zu 6000 Menschen kamen täglich.
Bild: Fokke Baarssen/Zoonar/picture alliance
Massive Umweltschäden
Die Menschenmassen hatten unweigerlich negative Auswirkungen auf die empfindliche Ökologie des Gebiets: Hier untersucht ein Wissenschaftler abgestorbene Korallen. Die thailändische Regierung hatte bereits 2018 wegen massiver Umweltschäden ein Besuchsverbot der Maya-Bucht für Touristen verhängt. Dann kam die Pandemie: Die Besucherzahlen in der gesamten Region sanken praktisch auf Null.
Bild: AFP
Chance für die Natur
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten die Corona-Zwangspause, um die Inselgruppe sanft zu renaturieren. Mit Erfolg: Korallen wurden neu angepflanzt und neben den hier zu sehenden Schwarzspitzenhaien siedelten sich auch echte Karettschildkröten und Walhaie wieder in der Maya-Bucht an.
Bild: JORGE SILVA/REUTERS
Überranntes Paradies
Posieren vor Traumkulisse: Der Tourismus ist ein wichtiger Motor der thailändischen Wirtschaft und machte vor der Pandemie zwölf Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Auf Druck der Reiseveranstalter öffneten die Behörden die Maya-Bay im Januar 2022 nach vierjähriger Schließung wieder.
Bild: JORGE SILVA/REUTERS
Einklang von Umwelt und Tourismus
"Wir hoffen, einen Weg zu finden, um den Tourismus und die Umwelt in Einklang zu bringen", sagt die Meeresforscherin Metavee Chuangcharoendee vom Maya Shark Watch Project, die hier gerade auf Tauchstation geht, der Nachrichtenagentur Reuters.
Bild: JORGE SILVA/REUTERS
Ansturm nach vier Jahren Pause
Ob das klappt, ist fraglich: Inzwischen kommen wieder rund 4000 Menschen pro Tag in die Maya Bay. Es gibt jedoch Einschränkungen: Die Zahl der Besucher ist auf 375 pro Stunde begrenzt, Tour-Boote müssen auf der anderen Seite der Insel anlegen und die Urlauber müssen zu Fuß zum Strand gehen. Dennoch nehmen die Haibestände seit der Wiedereröffnung wieder ab, warnen Umweltschützende.
Bild: JORGE SILVA/REUTERS
Die mit dem Hai tanzen
Besucherinnen und Besucher dürfen in der Maya Bay nur knietief ins Wasser waten, um die Baby-Haie möglichst wenig zu stören: Die Jungtiere verstecken sich in den Untiefen und Korallenriffen vor den kannibalischen erwachsenen Haien - planschende Touristen haben sie aus ihrem sicheren Hafen vertrieben.
Bild: JORGE SILVA/REUTERS
Neustart für einen nachhaltigeren Tourismus?
Die Forschenden des Maya Shark Watch Project wollen die Entwicklung der Bucht im Blick behalten: Hier installieren sie eine ferngesteuerte Unterwasser-Kamerastation. Auch Drohnen kommen zum Einsatz, um die Haie zu zählen und ihre Fressgebiete und ihr Brutverhalten zu beobachten. Thailand hofft, die Ko Phi Phi-Inseln zum Vorbild für ein neues, nachhaltigeres Tourismusmodell zu machen.