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GesellschaftVietnam

Vietnam verteuert den Alkohol - doch ist das sinnvoll?

David Hutt
13. Juli 2025

Vietnam reagiert auf den steigenden Konsum mit einer drastischen Steuererhöhung - auch um mehr Geld für die Krankenversorgung zu generieren. Doch illegal produzierte Getränke könnten zur gefährlichen Alternative werden.

Ein Mann beliefert ein Restaurant mit Bier, Ho-Chi-Minh-Stadt 2024
Alkohol ist in Vietnam so billig wie kaum sonst wo in der Region. Szene aus Ho-Chi-Minh-Stadt, 2024Bild: Pascal Deloche/Godong/picture alliance

Alkohol soll in Vietnam teurer werden. Im vergangenen Monat hat die Nationalversammlung des südostasiatischen Landes einen Plan verabschiedet, nach dem die Alkoholsteuer bis zum Jahr 2031 von 65 Prozent auf ganze 90 Prozent steigen soll. 

In der regierenden Kommunistischen Partei hatten zuletzt die Sorgen über einen übermäßigen Alkoholkonsum in der Bevölkerung zugenommen. So bemühen sich die Behörden auch, ihre 2019 eingeführte Null-Toleranz-Politik gegenüber Alkohol am Steuer real umzusetzen. Vietnam ist einem Bericht der Beratungsgesellschaft KPMG zufolge der zweitgrößte Biermarkt in der Region.

Höhere Steuern als Gesundheitsförderung

Der Schritt stößt jedoch auf Widerstand der Alkoholindustrie. Den ursprünglichen Plänen zufolge hätten die Steuern im Jahr 2026 auf 80 und bis 2030 auf 100 Prozent steigen sollen. Es wird jedoch vermutet, dass die Behörden die Abgaben nach erfolgreicher Lobbyarbeit der Alkoholindustrie gesenkt haben. So soll die spezielle Verbrauchssteuer auf Alkohol, darunter eben auch Bier, nun von derzeit 65 Prozent auf 70 Prozent bis 2027 und schließlich bis 2031 auf 90 Prozent steigen. Der Gesetzgeber verabschiedete außerdem eine neue Steuer von acht Prozent auf besonders zuckerhaltige Getränke. Diese soll 2027 in Kraft treten und 2028 auf 10 Prozent steigen.

Im vergangenen Jahr warnten Verbände der Alkoholindustrie, die schrittweise Steuererhöhung könnte die Einzelhandelspreise jährlich um mindestens zehn Prozent erhöhen. Vizepremierminister Le Thanh Long, der dieses Gesetz durch das Parlament gebracht hatte, begründete die Steuererhöhung mit Sorgen um die Gesundheit der Menschen in Vietnam.

Höhere Steuern auf Alkohol hindert viele Menschen an dessen Konsum. Kritiker warnen, diese könnten dann auf illegal produzierten Alkohol zurückgreifenBild: godongphoto/Depositphotos/IMAGO

Laut einem Bericht der Abteilung für Präventivmedizin des Gesundheitsministeriums aus dem vergangenen Jahr ist der Alkoholkonsum in den letzten Jahren stetig gestiegen, und zwar von 2,9 Litern Alkohol pro Person im Jahr 2005 auf 7,9 Liter im Jahr 2019.

Dem Bericht zufolge ist Alkohol die zweithäufigste Todesursache in Vietnam. Angela Pratt, Vietnams Vertreterin bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO), teilte in einer Erklärung mit, die Weltgesundheitsorganisation sei "sehr erfreut", dass die vietnamesischen Gesetzgeber eine Win-Win-Politik verfolgt hätten. Ziel sei es, den Konsum von Tabak, Alkohol und zuckerhaltigen Getränken zu reduzieren und auf diese Weise gesundheitliche Schäden und damit verbundene Kosten zu verringern. Gleichzeitig ließen sich auf diese Weise  zusätzliche Einnahmen für wichtige Regierungsprojekte generieren.

Angespannte Staatskasse

2019 führte die Regierung eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Alkohol am Steuer ein. Dies ist Teil ihrer laufenden Bemühungen, die öffentliche Gesundheit zu fördern. Zwar haben die Behörden die Bußgelder für Verkehrssünder mit niedrigem Blutalkoholspiegel schrittweise gesenkt. Doch als sie im vergangenen Jahr das neue Gesetz über Verkehrsordnung und -sicherheit verabschiedeten, behielten die Gesetzgeber die Null-Toleranz-Regel im vergangenen Jahr bei.

Letzten Monat verkündete To Lam, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, die Regierung setze ihre Politik der kostenlosen Krankenhausversorgung für alle Bürger fort. Deren Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 hin 90 Prozent der Bevölkerung kostenlos zu versorgen. Mit dem neuen, voraussichtlich noch diesen Monat verabschiedeten Gesetz zur Krankenversicherung will die Regierung eine allgemeine Krankenversicherung einführen. Dabei soll die Eigenbeteiligung innerhalb eines Jahrzehnts auf einen Satz von rund 20 Prozent aller Gesundheitskosten senken. Derzeit machen die Eigenbeteiligungen 45 Prozent aller Gesundheitsausgaben aus. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich ein Haushalt verschuldet, um die Gesundheitskosten eines Familienmitglieds zu decken.

Billig werden die auf die Reform der Krankenversicherungen gerichteten Ambitionen der Kommunistischen Partei allerdings nicht sein. Dies gilt insbesondere angesichts der dem Land bevorstehenden demografischen Veränderungen. Denn Vietnams Bevölkerung altert schnell. Berechnungen zufolge wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpfen und zugleich der Anteil der Rentner steigen.  Das wird Staatskasse auf beispiellose Weise belasten.

"Alkohol so billig wie kaum sonst in der Region"

"Nach dem Null-Toleranz-Gesetz für Alkohol am Steuer sieht die Regierung in höheren Steuern den logischen nächsten Schritt", sagt Khac Giang Nguyen vom ISEAS - Yusof Ishak Institute in Singapur, im DW-Interview. "Denn Alkohol ist in Vietnam so billig wie kaum irgendwo sonst in der Region."  

Vietnam ist einer der größten Bier-Märkte in Südostasien Bild: godongphoto/Depositphotos/IMAGO

Im vergangenen Monat hatte das Gesundheitsministerium im Rahmen des Gesetzesentwurfs zur Krankheitsprävention zudem die Einrichtung eines entsprechenden Fonds vorgeschlagen. Dieser soll aus staatlichen Mitteln finanziert werden. Zudem könnten zusätzliche Abgaben auf ungesunde Nahrungsmittel und Getränke erhoben werden - ein Ansinnen, das in der Alkoholindustrie abermals die Alarmglocken hat schrillen lassen.

Bedenken der Alkoholindustrie

"Wir sind enttäuscht über die jüngsten Erhöhungen der Sonderverbrauchssteuer", sagt Tim Wallwork, Vorsitzender der Asia Pacific International Spirits and Wines Alliance, der DW. "Ebenso besorgt sind wir über die kumulativen Auswirkungen weiterer Steuererhöhungen. Die Allianz fordert die Regierung auf, Steuerbelastungen zusätzlich zur Sonderverbrauchssteuer zu meiden", so Wallwork weiter. "Damit haben die betroffenen Unternehmen, einschließlich solcher mit lokaler Produktion und langfristigen Investitionen, den nötigen Spielraum, um sich angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen und Unsicherheiten anzupassen, zu erholen und zu wachsen."

Mit dem Zug durch Vietnam

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Der Vietnam Beer Alcohol Beverage Association zufolge sanken die Umsätze im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent. Im Jahr davor waren sie um 7 Prozent zurückgegangen. Rückläufige Umsätze waren einer der Gründe, warum Heineken im Juni 2024 den Betrieb seiner Brauerei in Quang Nam, einer von sechs Brauereien im Land, einstellte.

"Ein klares politisches Signal"

Rund 70 Prozent des Alkoholkonsums in Vietnam würden nicht erfasst, sagt Wallwork. Das liege daran, dass die meisten Menschen weiterhin illegalen und potenziell tödlichen Alkohol tränken. "Weitere Steuererhöhungen bergen zudem die Gefahr, dass Verbraucher zu diesen unregulierten und potenziell schädlichen Produkten greifen und so die öffentliche Gesundheit und die Durchsetzungsbemühungen untergraben."

"Viele der großen Alkoholproduzenten Vietnams wurden privatisiert", sagt Khac Giang vom ISEAS – Yusof Ishak Institute. Dadurch profitiert der Staat nicht mehr unmittelbar von höheren Umsätzen. Das erleichtert es der Regierung, zu handeln, ohne Einnahmeverluste befürchten zu müssen." Auch wenn die Bierverkäufe zurückgingen, könnten höhere Steuern den Mengenunterschied ausgleichen, so Giang. "Dieser Schritt wird also nicht unbedingt den Haushalt belasten. Allerdings sendet die Kommunistische Partei so ein klares politisches Signal."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

David Hutt Journalist mit Fokus auf die Beziehungen zwischen Europa und Südostasien@davidhuttjourno