1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Vietnams Regierung gegen die Pressefreiheit

30. November 2017

Im Vorfeld des Menschenrechtsdialogs zwischen der Europäischen Union und Vietnam geht die Kommunistische Partei gegen Blogger vor. Sie setzt damit ihre Politik der letzten Jahre fort.

Vietnam Frankreich Pham Minh Hoang Blogger Mathematikprofessor
Bild: Getty Images/AFP/I. Timberlake

Zwei in kurzer Folge getroffene juristische Entscheidungen werfen ein Schlaglicht auf Vietnam. Seit Jahren unterbindet die vietnamesische Regierung die Presse- und Meinungsfreiheit, und das obwohl die aktuelle Verfassung von 2003 die Presse- und Meinungsfreiheit sowie das Recht auf freien Zugang zu Informationen in Artikel 25 festgeschrieben hat.

Am Montag dieser Woche wurde der Umweltaktivist Nguyen Van Hoa in einem Schnellverfahren in der Provinz Ha Tinh zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Am Mittwoch lehnte das Gericht das Berufungsverfahren der Bloggerin Me Nam ab. Wenige Tage zuvor war ihr Anwalt von den Verfahren ausgeschlossen worden. Me Nam war im Juni 2017 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Beide Blogger hatten unter anderem über eine durch ein taiwanesisches Stahlwerk verursachte Umweltkatastrophe gebloggt.

Dass am Samstag (2.12.2017) in Hanoi der Menschenrechtsdialog zwischen der Europäischen Union und Vietnam stattfindet, beeindruckt die vietnamesische Regierung offensichtlich nicht.

Feind der Pressefreiheit

Schon im Vorfeld sah Anna Renzenbrink von Reporter ohne Grenzen (RoG) in Berlin wenig Chancen für die Berufung Me Nams. "Die Aussicht auf Erfolg bei der Berufung sind leider sehr gering bis gar nicht vorhanden." Seit Jahren zählt RoG Vietnam zu den unfreisten Ländern der Welt, was die Pressefreiheit angeht. Aktuell rangiert das Land auf Platz 175 von 180. Mindestens 21 Personen sitzen derzeit wegen ihrer journalistischen Arbeit im Gefängnis. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams  (KPV) Nguyen Phu Trong, wird von RoG eigens erwähnt. "Wir zählen den Parteichef der kommunistischen Partei Vietnams zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit." Auf der Liste sind neben extremistischen Organisationen und Geheimdiensten auch 35 Staats- und Regierungschefs, die in besonderer Weise die Pressefreiheit bekämpfen. So auch Präsident Erdogan aus der Türkei, Venezuelas Präsident Maduro oder Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un.

Die Kontrolle über die veröffentlichte Meinung übt die KPV zum einen aus, indem sie alle Medienunternehmen kontrolliert und zum anderen, indem sie gegen abweichende Meinungen etwa in Sozialen Medien oder Blogs mit großer Härte vorgeht.

Der Blogger Nguyen Van Hoa vor GerichtBild: picture alliance/AP Photo/Vietnam News Agency/C. Tuong

Staatsgelenkte Presse

Viele Medienhäuser sind direkt mit staatlichen Institutionen verbandelt. Die Partei, das Militär und verschiedene Ministerien haben ihre eigenen Sender, Zeitschriften und Webseiten. Darüber hinaus werden alle Rundfunkmedien vom Staat kontrolliert. Alle Zeitungen, Magazine, Verlagshäuser, Internetseiten sowie Fernsehen- und Radiostationen fallen unter die Zuständigkeit des Ministeriums für Information und Kommunikation. Freedom House kommt zu dem Schluss: "Die KPV sieht Medien in erster Linie als Werkzeug, um die Partei- und Staatspolitik zu promoten."

Ein Mittel, um sämtliche Medien auf Linie zu halten, ist ein wöchentlich stattfindendes Treffen, bei dem Redakteure verschiedener Medienhäuser mit Vertretern der zentralen Propaganda-Abteilung der Kommunistischen Partei zusammenkommen, um bereits veröffentlichte und für die kommende Woche geplante Beiträge zu diskutieren. Auf diese Weise wird der Wunsch und Wille der Partei kundgetan, aber es bleibt den einzelnen Redakteuren überlassen, wie sie damit umgehen. Zachary Abuza, schreibt dazu in einer Studie zur Medienfreiheit in Vietnam: "Die größte Bedrohung für die modernen vietnamesischen Medien sind nicht direkte Staatszensur, sondern Selbstzensur."

Blogger als unabhängige Quelle

Viele Vietnamesen misstrauen der Staatspresse, weshalb inoffizielle Nachrichtenportale und Blogs viel gelesen werden und erheblichen Einfluss haben, wie Abuza schreibt. Er fügt hinzu: "Die genaue Zahl der Blogger ist unbekannt, aber es ist sicher, dass ihre Zahl seit 2005 zunimmt und sie immer vernehmbarer werden, wegen der Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik und der Berichterstattung durch die Staatsmedien." Freilich, fügt Abuza hinzu, handelten manche Autoren in den Sozialen Medien und Blogger unverantwortlich, indem sie Fehlinformationen verbreiteten. Doch es gibt oft keine Alternative, wie Anna Renzenbrink von RoG erklärt. "Blogger sind oft die einzige Quelle für unabhängige Nachrichten."

Me Nam wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Laut ihrer Tochter gehe es ihr gesundheitlich schlechtBild: picture alliance/AP Photo

Um abweichende Meinungen im Internet zu unterbinden, nutzt die vietnamesische Regierung verschiedene Artikel des Strafgesetzbuchs: Artikel 88 stellt Propaganda gegen die Regierung unter Strafe stellt, Artikel 79 verbietet umstürzlerische Aktivitäten und Artikel 258 den Missbrauch demokratischer Freiheiten, um die Interessen des Staates zu unterminieren. "Die vietnamesische Regierung nutzt eine Vielzahl vage formulierter Gesetze und Regelungen, um die Inhalte im Internet zu kontrollieren."

Westliche Propaganda

Auch den Bloggern Nguyen Van Hoa und Me Nam wurde Artikel 88 zum Verhängnis. In beiden Fällen protestierten Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch. Sie kritisieren die Paranoia der vietnamesischen Regierung, die ungerechtfertigten hohen Haftstrafen und die Verfahren, die rechtsstaatlichen Standards nicht genügen. Die Beschuldigten sitzen oft monatelang in Untersuchungshaft, das Verfahren wird dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit innerhalb eines Tages durchexerziert.

Seit Nguyen Phu Trong auf dem letzten Parteitag der KPV im Frühjahr 2016 seine Macht festigen konnte, wird die Pressefreiheit verstärkt eingeschränkt. Dabei wird häufig versucht, Blogger und andere Regimekritiker als westliche Agenten zu brandmarken. Die Sorge vor einer "friedlichen Evolution" des Systems durch westliche Akteure ist groß. So erscheint in einer Zeitschrift der Sicherheitskräfte regelmäßig eine Kolumne zu diesem Thema.