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Politik

Viktor Babariko: "Die Machthaber sind unsicher"

Alexandra Boguslawskaja
25. Juni 2020

Ex-Bankmanager Viktor Babariko gilt als einer der aussichtsreichsten Herausforderer des weißrussischen Präsidenten Lukaschenko. Letzte Woche wurde Babariko festgenommen. Kurz vor seiner Festnahme sprach er mit der DW.

Weißrussland | Wiktor Babariko
Viktor Babariko kurz vor seiner Festnahme im DW-InterviewBild: DW

Am 9. August wählt Weißrussland einen neuen Präsidenten. Amtsinhaber Alexander Lukaschenko tritt erneut an - zum sechsten Mal. Die Stimmung im Land ist angespannt: Noch nie gingen die weißrussischen Behörden so hart gegen die möglichen alternativen Präsidentschaftskandidaten vor.

Vor einigen Wochen wurde der bekannte Blogger Sergej Tichanowskij verhaftet. Kurz zuvor hatte er angekündigt, dass er bei den Präsidentschaftswahlen antreten wolle. Am 18. Juni wurde der ehemalige Bankmanager Viktor Babariko unter dem Vorwurf illegaler Geschäftspraktiken festgenommen. Im Falle einer Wahlzulassung wäre Babariko laut unabhängigen Umfragen der aussichtsreichste Herausforderer des autoritär regierenden Präsidenten Lukaschenko. Zwanzig Jahre lang war er Vorstandvorsitzender der Bank Belgasprombank, die dem russischen Konzern Gazprom gehört.

Kurz vor seiner Festnahme sprach Babariko mit der DW unter anderem über die mögliche Reaktion der Behörden auf seine Popularität und über seine Kontakte nach Russland.

DW: Herr Babariko, ein umstrittenes Thema sind Ihre Beziehungen zu Russland. Präsident Lukaschenko hat neulich angedeutet, dass Ihr Wahlkampf von Moskau aus finanziert sein könnte. Sie bestreiten das. Hatten Sie nach der Bekanntgabe Ihrer Präsidentschaftskandidatur Kontakte nach Russland, die Sie in den Augen der Behörden diskreditieren könnten?

Belgasprombank wurde Mitte Juni durchgesuchtBild: Reuters/V. Fedosemko

Ich hatte keinen einzigen persönlichen Kontakt - wie denn auch in Zeiten der Corona-Pandemie! Ich hatte nicht einmal telefonische Kontakte nach dem 12. Mai, als ich meine Kandidatur bekannt gegeben und den Wahlkampf gestartet habe. Und vor dem 12. Mai habe ich mit niemandem über dieses Thema gesprochen.

Was glauben Sie, wird der Kreml Sie unterstützen?

Ich finde es sehr schade, dass Präsidentschaftswahlen in Weißrussland nur unter dem Gesichtspunkt diskutiert werden, ob wir in der Lage sind, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen. Warum muss jemand ständig jemanden unterstützen? Gewinnen wird derjenige, den das weißrussische Volk unterstützt. Ich kämpfe für die Unterstützung des weißrussischen Volkes. Wenn das weißrussische Volk mich unterstützt, sehe ich jede andere Unterstützung aus dem Osten, Westen, Norden oder Süden auch als positiv.

Bei den letzten Wahlen unter Präsident Lukaschenko gab es immer wieder Fälle von Gewalt gegenüber den Kandidaten, es gab Verhaftungen und sogar langfristige Haftstrafen. Ist Ihnen klar, dass auch Ihr Wahlkampf hart werden könnte? 

Unsere Erwartungen wurden diesmal von der Realität sogar übertroffen. Verhaftungen und Willkür der Behörden gab es früher erst gegen Ende des Wahlkampfes oder sogar nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Wir sind überrascht, wie früh die Behörden dieses Mal damit beginnen. Auf der anderen Seite heißt das nur, dass die Machthaber sich heute sehr unsicher fühlen. Sie haben Angst davor, dass das Volk tatsächlich ihre Wahl treffen wird. Und diese Angst ist so groß, dass sie gleich zu Beginn alles Mögliche tun, damit das Volk diese Wahl eben nicht treffen kann. 

Die denken, dass die Menschen sich nicht verändert haben. Sie sehen nicht, dass sich die Menschen in Weißrussland nach der Corona-Pandemie verändert haben. Wir haben schon mit der Unterstützung der Menschen gerechnet, aber wir haben nicht damit gerechnet, dass diese Unterstützung so groß wird. Die Machthaber haben auch nicht erwartet, dass der Wunsch nach Veränderungen bei den Weißrussen so groß ist. Die beste Option wäre zu sagen: "Ich bin müde, ich gehe." Nicht dass ich ihm das raten möchte, aber es wäre einfach gut. 

Der weißrussische Präsident Alexander LukaschenkoBild: picture-alliance/TASS/BelTA/N. Petrov

Sie haben einmal gesagt, dass "das neue Weißrussland die Überreste des alten Regimes wegfegen wird". Wie stellen Sie sich das vor?

Es war eine emotionale Aussage, ein Impuls. Sie sehen, in Weißrussland gibt es ein klares Verständnis dafür, dass dieses Regierungssystem das Land in eine Sackgasse geführt hat. Es gibt zwei Szenarien, wie sich das ändern kann. Das erste sind faire Wahlen und ein würdiger Abgang. Wenn das nicht passiert, müssen wir uns große Fragen bei der Wirtschaft stellen. Wir verstehen sehr gut, dass wir es nicht schaffen, mit eigenen Kräften aus dieser Situation herauszukommen. Und wenn wir nicht alleine da herauskommen, wird jede Hilfe von außen als Verlust der Souveränität betrachtet. Die Weißrussen sind geduldig, das stimmt. Aber wenn sie einmal aufstehen, dann werden alle anderen wegrennen und sich verstecken müssen. Ich hoffe ja immer noch auf eine friedliche Wahl am 9. August.

Glauben Sie wirklich, dass Lukaschenko seine Macht freiwillig abgibt?

Ich kann mir vorstellen, wie man hundert, zweihundert, dreihundert oder tausend Menschen betrügen kann. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie man 3,5 Millionen betrügen kann. Was passiert, wenn fünf- oder zehntausend Menschen in jeder Stadt auf die Straße gehen? Glauben Sie, dass die Regierung sie erschießen wird? Können Sie sich die Sicherheitskräfte vorstellen, die auf ihre Nachbarn und Freunde schießen? Nie im Leben! 

Dabei hat Lukaschenko wiederholt Gewaltanwendung erwähnt, als er zum Beispiel von den Schüssen auf Demonstranten in Usbekistan sprach. Werden weißrussische Behörden ein solches Szenario unterstützen oder nicht?

Ein Großteil der Behörden weiß, was eine Verfassung ist. Sie haben Weißrussland und dem weißrussischen Volk Treue geschworen. Ich glaube, dass das in den Köpfen und Herzen der Offiziere bleibt: Sie können nicht auf unbewaffnete Menschen schießen.

Sollten Sie Präsident werden, mit wem werden Sie überhaupt Beziehungen aufbauen - mit Russland oder mit dem Westen?

Weißrussland first. Ich werde Beziehungen zu Partnern aufbauen, die für Weißrussland von Vorteil sind. Ausgehend davon, dass jeder neue Manager erstmal damit klar kommen soll, was er vorfindet, anstatt es kaputt zu machen. Das Wichtigste ist, Beziehungen zu unseren Hauptpartnern aufzubauen und sich dann vom Rand des Abgrunds zu entfernen, die Souveränität nicht zu verlieren. Wir müssen wirtschaftlich sinnvolle Partnerschaften aufbauen, die uns nicht in Abhängigkeiten führen.

Zurück zur Wahl: Wie schätzen Sie Ihre Chance ein, als Kandidat überhaupt registriert zu werden?

Die Behörden haben gesagt, dass man mir die Zulassung aus informellen Gründen nicht verweigern sollte. Danach haben wir aufgeatmet. Auf formelle Gründe haben wir uns gut vorbereitet. Wenn ich also aus diesen informellen Gründen nicht zugelassen werde, dann hat diese Wahl gar keinen Sinn. Alle sehen doch: Es gibt einen Kandidaten, der Unterschriften sammelt (um zugelassen zu werden – Anm. der Red.). Meine Nichtzulassung würde aus dieser Wahl eine Farce machen und erneut die Verachtung des Volkes bedeuten.

Das Interview führte Alexandra Boguslawskaja.

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