Der französische Künstler Jean Cocteau liebte Villefranche-sur-Mer an der Cote d'Azur. Und er schenkte dem malerischen Fischerdorf ein Werk, das immer noch Früchte trägt.
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Der französische Maler, Dichter, Romancier, Filmregisseur, Ballett- und Theaterautor (1889-1963) beobachtete gern den Hafen, sein mal gemächliches, mal geschäftiges Treiben. Seit seinen wilden 20er Jahren, als er hier seine Opiumsucht kurierte und, wie er sich ausdrückte, mit seinen Pariser Freunden durch die Ortschaft spukte, ist er immer wieder zurückgekehrt. Er malte die Fischer, lebte mit ihnen und schrieb über sie. Die "beste Zeit" seines Lebens habe er in Villefranche verbracht, verriet er.
Im "Welcome Hotel" logierte Cocteau in Zimmer 22. Das Hotel gibt es noch. Wenn man in dem umgebauten Konvent aus dem 17. Jahrhundert nicht einschlafen kann, muss man keineswegs betrübt sein. Man kann, wie früher Cocteau, vom Balkon, seiner "Opernloge", dem Schaukeln der Wellen zusehen oder dem sanften Quietschen des Lande-Stegs lauschen. Szenen seiner Filme an den Wänden, über dem Bett ein Zitat des Meisters: "De temps en temps il faut se reposer de ne rien faire" (Von Zeit zu Zeit muss man sich mal vom Nichtstun erholen). Hier fand der Vielschreiber und Exzentriker Cocteau den idealen Nährboden für seine Kreativität. Hier entstand auch eines seiner Hauptwerke, "Das Testament des Orpheus"."Orphée" - so nannte er auch jeweils seine drei Boote, die nacheinander folgend hier vor Anker lagen. Heute ankern die Ozeanriesen mit den Tagestouristen am Cap Ferrat. Im Hafen von Villefranche wirken sie wie Fremdkörper. Das Fischerdorf wurde in steiler Lage oberhalb einer der schönsten Buchten der Cote d'Azur gebaut und ist nicht wie aus dem Ei gepellt oder von Promis "verwohnt" wie so viele Orte an der Küste.
Ohne Touristen geht es nicht
Einerseits lebt die 5300-Seelen-Gemeinde von ihrer familiären Atmosphäre. Andererseits besitzt Villefranche-sur-Mer ein Pfund, mit dem es wuchern und das es gegen die große Konkurrenz aus Cannes oder Nizza verteidigen muss: Die Bucht von Villefranche ist mit 350 Hektar der fünftgrößte natürliche Hafen des Landes. Hier können die Ozeanriesen aus Übersee gefahrlos ankern.
"Europa in zehn Tagen" ist zwar nicht gerade die Philosophie, der sich Villefranche verschrieben hat. Aber rund 200.000 Japaner und US-Amerikaner pro Jahr kann sich die Gemeinde einfach nicht entgehen lassen. Zwischen 60 und 70 Prozent von ihnen machen Tagesexkursionen nach Cannes, Nizza und Monaco; andere bleiben lieber ganz an Bord. Etwa jeder fünfte immerhin macht im Städtchen selbst Station. Wer es aber ernst meint mit Villefranche, kommt immer wieder hierher. So wie Jean Cocteau.
Fresken für eine Kapelle
Die Mitglieder der "Prud'hommie des Pecheurs", der Fischerbruderschaft des Ortes, bestärkten ihn in den 1950er Jahren in seiner Idee, die Kapelle St. Pierre an der Hafenmole mit Fresken auszumalen. Das romanische Gotteshaus Saint-Pierre aus dem 14. Jahrhundert zu Ehren des Schutzpatrons der Fischer war damals in einem traurigen Zustand - ein vernachlässigter Abstellraum für Netze und anderes Fischerzubehör.Als Zeichen seiner fast brüderlichen Verbundenheit hat Cocteau sie 1957 komplett ausgemalt, so befremdlich wie faszinierend: mit fünf populären religiösen Szenen, etwa aus dem Leben des Apostels oder mit einer Hommage an die Zigeunerwallfahrt nach Les Saintes Maries de la Mer, die aussehen wie Felsmalereien in einer Meeresgrotte. Bis heute ein Segen für die Fischerbruderschaft des Ortes, die das Kleinod verwaltet. Der Erlös aus den Eintrittsgeldern wird benutzt, um die magere Rente der alten Fischer aufzubessern. Drinnen herrscht strengstes Fotografierverbot. Die Tourismusbeauftragten der Stadt raufen sich darüber die Haare. Den Fischern ist es egal. Es ist ihre Kapelle.
Eine Villa als Gesamtkunstwerk
Villa Santo Sospir
Nicht nur ein Werk von Jean Cocteau hängt hier an der Wand. Alle Wände hat er gestaltet. Heiter, sinnlich, geheimnisvoll. So wie es ihm gefallen hat!
Die Villa ist im Besitz der Familie Melia und befindet sich in der 14, Avenue Jean Cocteau in Saint-Jean-Cap-Ferrat. Besucher können unter visits@santosospir.com per email einen Termin vereinbaren und reservieren. Der Eintritt kostet 15 Euro pro Person.
Auf dem Wandteppich ist die Geschichte von Judith und Holofernes abgebildet. Mythologische Motive, Figuren und Szenen haben Jean Cocteau fasziniert und sind in vielen seiner Werke zu finden.
Der Sonnenkult oder das Haupt des Apollon. Rechts und links Sonnenpriester, die auch als Reminiszenz an die Fischer von Villefranche verstanden werden können.
Die Besitzerin des Hauses, Francine Weisweiller, war eine großzügige Mäzenin. Sie unterstützte Cocteaus Filmschaffen und in ihrem Haus war er ein gern gesehener Gast. Als Dankeschön kreierte er sein erstes Wandgemälde um den Kamin herum.
Rechts ein schlafender Fischer, links ein Einhorn. 2007 wurde die Villa als historisches Denkmal anerkannt. Cocteau drehte hier auch einen Film über das Haus sowie Szenen für "Le Testament d'Orphée".
Das Motiv des gehörnten Schutzgottes der Hirten, ein Mischwesen aus Mensch und Ziegenbock, verwendete Cocteau auch in seinem Film "La Belle et la Bête" - Die Schöne und das Biest - von 1946.
An der gewölbten Decke des Treppenhauses wacht der Schutzgeist des Schlafes in kräftigen Farben. Cocteau sprach von der Villa als "la maison tatouée" - das tätowierte Haus.
Über 13 Jahre schuf Cocteau in der Villa die phantasievollen Fresken, Mosaiken und Wandteppiche. Er galt als führender Kopf der französischen Künstleravantgarde. Als Schriftsteller und Poet, Maler und Filmregisseur war in seiner Zeit der erste Multimediakünstler.
"De temps en temps il faut se reposer de ne rien faire" - ist ein Zitat von Jean Cocteau, das seiner Lebensphilosphie entsprach: Von Zeit zu Zeit muss man sich mal vom Nichtstun erholen!
Zu besichtigen, wenn auch nur auf Anmeldung, ist die Villa Santo Sospir am Cap Ferrat. Sie gehörte Francine Weisweiller, einer Freundin von Jean Cocteau. Er war dort oft zu Besuch und begann 1950 das Anwesen mit Wandmalereien auszuschmücken. Heute steht die Villa unter Denkmalschutz.
Weiter auf den Spuren des berühmten Künstler der Avantgarde lohnt sich der Besuch des Cocteau-Museums in Menton und der Blick in den von ihm gestalteten Hochzeitssaal im dortigen Rathaus.
is/ks (mit kna,villasantosospir.fr)
Sommer so blau - Côte d'Azur
Die Provence mit ihrer berühmten Côte d'Azur zählte im Sommer 2022 zu den beliebtesten Destinationen in Europa. Kein Wunder, denn hier sorgen Strände, Buchten und malerische Städtchen für das perfekte Urlaubsgefühl.
Bild: Global Travel Images/picture alliance
Der Weg ist das Ziel
Wer mit dem Auto die Küstenstraße entlang fährt, den erwarten etwa 250 hinreißend schöne Kilometer zwischen Cassis und Menton. Felsformationen und Sandstrände wechseln sich ab. Buchten laden zu einem Bad ein, kleine Städtchen zu einer Begegnung mit französischer Lebensart. Wie hier der Ort Le Lavandou.
Bild: Boutria Luc/maxppp/picture alliance
Cassis und die Calanques
Im Hafenstädtchen Cassis erwartet Besucher ein Naturerlebnis - der Nationalpark Calanques. Sein Merkmal sind fjordähnliche Buchten, die von zerklüfteten, hohen Felsen umrahmt sind. Von Cassis aus werden Bootsfahrten dorthin angeboten.
Bild: Kreder Katja/prisma/picture alliance
Saint Tropez
Am Strand von Saint Tropez wurde 1955 ein Film gedreht: "Und ewig lockt das Weib" mit Brigitte Bardot. Es war der Startschuss für Bardots Filmkarriere und für die rasante Entwicklung von Saint Tropez. Der verträumte Ort mauserte sich zum Tummelplatz der internationalen Society. Im Sommer ist die Stadt hoffnungslos überfüllt - von Promis, ihren Fans und sonnenhungrigen Touristen.
Bild: Christian Liewig/ABACAPRESS/picture alliance
Saint-Raphaël
Die abwechslungsreiche Küste mit ihren verwunschenen Buchten ist ein beliebtes Revier für Wassersportler. Nur aus der Distanz, vom Meer aus, kann man die ganze Côte d'Azur sehen. Wer das erleben will, sollte in einer der Küstenstädte unbedingt eine Tagestour buchen. Und auch die Häfen an der blauen Küste sind eine Augenweide. Dieser hier gehört zu Saint-Raphaël.
Bild: Valletta Vittorio-AGF/Bildagentur-online/AGF/picture alliance
Corniche d'Or
Corniche bedeutet Klippenstraße. Die "Corniche d'Or" - goldene Klippenstraße - zwischen Fréjus und Mandelieu gilt als eine der schönsten Strecken der Côte d'Azur. Sie heißt so, weil die Felsen in der Sonne intensiv rot und golden leuchten. Vorsicht ist angebracht: Die überwältigenden Ausblicke lassen die Autofahrer immer wieder unvermittelt auf die Bremse treten.
Wer Cannes hört, denkt sofort an das berühmte Filmfestival. Sein magisches Zentrum ist jedes Jahr der Boulevard de la Croisette. Hier stehen die schicken großen Luxushotels. Der Bau der Flaniermeile Croisette 1868 läutete die Verwandlung des ehemaligen Fischerdorfes Cannes ein. Es legte eine Blitzkarriere hin und wurde Lieblingsdomizil des europäischen Adels - mit Sonnengarantie.
Bild: Mandoga Media/picture alliance
Antibes und Picasso
1946 lebte der spanische Maler Pablo Picasso drei Monate in einem renovierungsbedürftigen Schloss in Antibes. Malereien, Zeichnungen, Bildteppiche und Keramiken - zahlreiche Werke, die er dort schuf, schenkte er später der Stadt. Die machte aus dem Schloss 1966 ein Picasso-Museum. Besucher können hier sehr gut nachvollziehen wer und was den Ausnahmekünstler in Antibes inspirierte.
Bild: Fraser Hall/robertharding/picture alliance
Nizza
Der fünf Kilometer lange Stadtstrand mit dazugehöriger Flaniermeile, der "Promenade des Anglais" ist Nizzas Wahrzeichen. Sie wurde im 19. Jahrhundert für die betuchten Winterurlauber aus Großbritannien erbaut. Heute freuen sich Jogger, Radler und Spaziergänger über die kluge Investition. Einen guten Blick auf Nizza samt Strand und Promenade hat man vom Colline du Château über der Altstadt.
Was liegt mitten in Frankreich und ist doch völlig eigenständig? Monaco. Der glamouröse Stadtstaat zwischen Nizza und Menton ist der zweitkleinste Staat der Welt. Seit 1955 wird er alljährlich zum Schauplatz für den Formel-1-Zirkus. Beim Großen Preis von Monaco verwandeln sich die normalen Straßen in eine höllisch anspruchsvolle Rennstrecke.
Bild: HOCH ZWEI/picture alliance
Menton
In Menton machen hauptsächlich Franzosen und Italiener Urlaub. Fernab vom Rummel von Cannes oder Nizza. Menton ist authentisch und entspannt. Im Winter ist das malerische Städtchen der wärmste Ort an der Côte d'Azur. Zitrusfrüchte gedeihen hier besonders gut. Was immer im Februar mit einem farbenfrohen Zitronenfest gefeiert wird.