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Virtuelle Großmacht – in Schweden boomt der Markt für Computerspiele

Alexander Budde14. April 2008

Im spärlichen Licht der Monitore sitzen sie an langen Tischreihen mit wild verkabelten Computern. Lässige Körperhaltung, Kopfhörer auf den Ohren - die 15.000 Computerfreaks auf der größten Computerspiel-Party der Welt.

AP Photo/Midway
Computerspiele mit möglichst viel Action und Gewalt - in Schweden ein Renner. Selbst die Politik setzt sich für die Spiele ein.Bild: AP/Midway

"Dreamhack" – so heißt das schwedische Computerfestival, das es sogar schon in das Guiness-Buch schaffte. Kein Wunder: Schweden hat sich dank liberaler Gesetze und einer technikbegeisterten Bevölkerung zu einem Zentrum der Computerspiel-Industrie entwickelt. Selbst das Gesundheitsministerium lobt Computerspiele, weil sie angeblich die Reaktionsfähigkeit, Spracherwerb und Teamgeist der Jugendlichen förderten. Eine umstrittene Meinung.

Bomben, Waffen und Blut: Computerspiele, die positiv wirken?

Rico Rodriguez ist ein Held, ein Geheimagent, der im Alleingang die Bananenrepublik San Esperito von ihrem Diktator befreien muss. Rico Rodriguez ist der Held des Computerspiels "Just Cause". Der Spieler lässt Fäuste fliegen, Gewehre knattern und reichlich Sprengstoff in die Luft fliegen. Ausgedacht hat sich dieses Spiel ein baumlanger Schwede mit rotem Kurzhaarschnitt, Sommersprossen und Stoppelbart: Linus Blomberg. Und der weist jegliche Gewaltverherrlichung von sich. "Das Spiel ist eine Satire auf die US-Politik. Der Diktator hat zwei eklige Söhne und es gibt eine Menge Parallelen zu den Vorgängen im Irak. Aber hier ist alles so maßlos übertrieben, das kann man gar nicht ernst nehmen."

Blomberg ist gerade einmal Mitte 30 und hat bereits vor fünf Jahren die Firma Avalanche gegründet, die mittlerweile eines der größten Produktionsstudios für Computerspiele in Europa ist. In einem verglasten Bürogebäude im Herzen des Stockholmer Szeneviertels Södermalm werden die Ballerspiele produziert. 150 Leute arbeiten hier: Programmierer, Grafiker, Klangdesigner und Drehbuchschreiber. Im Schnitt sind 60 bis 70 Leute zwei Jahre lang mit der Entwicklung eines Spiels beschäftigt, so dass eine Produktion auch schnell 15 bis 20 Millionen Euro kosten kann. Und nicht alle Spiele fahren Gewinne ein, betont Blomberg.

Vor dem Spielen, steht das Testen

Das Herzstück der Firma ist die Testabteilung. Hier werden Spielsequenzen auf Herz und Nieren geprüft. Es kommt häufig vor, dass irgendwo die Grafik zerrt oder Rechner abstürzen. Blomberg testet auch selbst Spiele - und das schon ziemlich lange: "Mein Bruder und ich, wir haben unsere ganze Jugend in einem dunklen Kabuff vor dem Computer verbrach. Von Alkohol und Mädchen blieben wir so verschont. Unsere Eltern waren nicht immer nur begeistert. Sie haben aber bald eingesehen, dass unser Hobby auch ziemlich lehrreich und nützlich für die Zukunft war."

Computer-begeisterte junge Leute wie Blomberg gibt es viele in Schweden. So wie er schaffen es auch einige vom Hobby zum Beruf, denn die Computerspiele-Branche wächst rasant in Schweden und könnte der erfolgreichen Musikindustrie des Landes schon bald den Rang ablaufen. Begabte Informatiker, Medientechniker und Spieldesigner werden oft schon von der Uni abgeworben.

Computerfestivals für die Freaks und Profis

Fünf Autostunden von Blombergs Avalanche Studios entfernt, im südschwedischen Jönköping, finden sogar regelmäßig Computer-Festivals wie die "Dreamhack" statt. Hier lässt die umworbene Zielgruppe ihrer Leidenschaft für Ballerspiele freien Lauf.

Die Spieler sitzen an den langen Tischreihen, vor Tausenden Monitoren an wild verkabelten Computern. Maik Ulmer ist einer von ihnen, der gern mit seinem virtuellen Gewehrlauf auf streitsüchtige Avatare zielt – vor allem auf den Treffen. "Man besiegt den Gegenspieler. Und man hört drei Reihen weiter wie einer aufspringt. Nicht so wie im Internet, so alleine. Man merkt wirklich, dass man da mitten drin ist."

Sind Computerspiele wirklich harmlos?

Auch in Schweden wird über die Auswirkungen von Killerspielen auf die jugendliche Psyche diskutiert. Doch anders als in Deutschland sind Computerspiele in Schweden gesellschaftsfähig. Gut ein Viertel aller Jugendlichen zwischen 13 und 20 Jahren spielt täglich am Computer, stellte der unabhängige schwedische Medienrat in einer Studie fest. Für einen Zusammenhang zwischen echter und virtueller Gewalt sehen die Experten bislang keinen wissenschaftlichen Beleg.

Auch Linus Blomberg verfolgt die deutsche Debatte, hat aber kein Verständnis dafür. "In meiner Jugend waren es die Videos – da gab es auch die Sorge, dass die Leute verrohen, wenn sie zu viel Rambo gucken. Die Aufregung hat sich längst gelegt, zumal sich heute kaum noch jemand für rohe, stumpfsinnige Gewalt begeistern kann." Mit seinem Unternehmen will er nun durch Märchen und komplexe Fantasiewelten neue Zielgruppen gewinnen – Frauen und Senioren zum Beispiel. Doch bis es so weit ist, wüten Actionhelden wie Rico Rodriguez weiter über die Bildschirme und lassen die Kassen der Erfinder kräftig klingeln.

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