Fast zehn Jahre lang haben britische Forschende für eine Visualisierung der Beziehung aller 2,2 Millionen bekannten Spezies gebraucht. Herausgekommen ist eine Art "Google Earth der Biologie".
Bild: onezoom.org
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Fast zehn Jahre lang haben zwei britische Biologen alle zur Verfügung stehendende Daten zusammengetragen: Jetzt ist der "Baum des Lebens" vollständig. Er zeigt spielerisch und beeindruckend zugleich, wie alle 2,2 Millionen bekannten Spezies auf dieser Erde miteinander in Beziehung stehen oder standen, denn viele Spezies sind bereits ausgestorben.
Auf der interaktiven Seite unter OneZoom.org kann man immer tiefer in die einzelnen Verflechtungen einsteigen und stufenlos alles Leben auf diesem Planeten erkunden.
Wer sich in dem weit verzweigten Baum nicht gleich zurecht findet, kann auch über ein Suchmenü nach einer bestimmten Spezies fahnden und wird sich vermutlich wundern, wo sie zu finden ist und mit wem sie verwandt ist.
Für die Visualisierung ordneten Rosindell und der Evolutionsbiologe Yan Wong von der Universität Oxford die Arten nach ihrer genetischen Verwandtschaft (Phylogenie) und nicht nach der traditionellen Taxonomie an, weil dies die Evolutionsgeschichte besser widerspiegele.
Denn die traditionelle Klassifizierung wie "Fische" spiegeln beispielsweise nicht die wahren Beziehungen zwischen den Arten wider, da Säugetiere mit einigen Fischen enger verwandt sind als einige Fische untereinander.
Visualisierung dank Big Data
Begonnen haben die beiden Biologen ihr Projekt 2012 mit gerade mal 5000 Säugetierarten, mittlerweile umfasst ihr "Tree of life" 2,2 Mio. Spezies, wovon für 85.000 Spezies ein Foto im Baum-Projekt hinterlegt ist.
Die Visualisierung ordnet die Arten nach ihrer genetischen Verwandtschaft (Phylogenie) und nicht nach der traditionellen Taxonomie anBild: onezoom.org
All die in Datenbanken vorhandenen Informationen einzugeben, wäre per Hand unmöglich gewesen. Und so haben die beiden Biologen neue Algorithmen entwickelt und Big Data aus verschiedenen Quellen einbezogen.
"Zwei Millionen Arten können sich wie eine zu große Zahl anfühlen, um sie zu visualisieren, und kein Museum oder Zoo kann sie alle aufnehmen! Aber unser Tool kann helfen, alle Arten der Erde darzustellen und den Besuchern die Möglichkeit geben, sich mit ihrer Notlage zu identifizieren, erläutert James Rosindell.
Denn alle bekannten Spezies werden in dem Baum durch ein Blatt symbolisiert. Jedes Blatt enthält die wissenschaftlichen und gebräuchlichen Namen einer Art (in mehreren Sprachen), und wenn man auf den Namen klickt, erhält man weiterführende Informationen sowie den Zugang zu genetischen Informationen über die jeweilige Spezies.
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Verschiedene Farben je nach Zustand der Spezies
Die Farbe des Blattes zeigt dabei, wie es um die Spezies bestellt ist: Ist das Blatt grün, geht es der Spezies gut, ist es rot, so ist die Spezies gefährdet. Und ist das Blatt schwarz, so ist diese Spezies bereits ausgestorben.
"Wir haben hart daran gearbeitet, den Baum für jeden leicht zugänglich zu machen, und wir hoffen, dass wir damit auch eine wichtige Botschaft vermitteln können: dass ein großer Teil unserer biologischen Vielfalt bedroht ist", so Biodiversitätsforscher Rosindell.
Sehr viele Blätter aber sind grau, weil nur sehr wenig über diese Spezies bekannt ist. "Es ist erstaunlich, wie viel Forschungsarbeit noch zu leisten ist", so Evolutionsbiologe Wong.
Wer das Projekt finanziell unterstützen will, um diese Wissenslücken zu schließen, kann eine Art "adoptieren". Bislang haben 800 Personen eine Patenschaft übernommen, die es ihnen auch ermöglicht, einen Namen oder eine Botschaft auf dem Blatt der jeweiligen Art zu hinterlassen.
Ranking der populärsten Spezies
Amüsant ist auch die Auswertung der "populärsten Spezies" anhand der aufgerufenen englischsprachigen Wikipedia-Seiten. Wenig überraschend liegt der Mensch, die selbst ernannte "Krönung der Schöpfung", beim menschengemachten Internet ganz weit oben. Aber der Wolf und Hunde sind ihm dicht auf den Fersen. Es folgen sechs Affenarten. Katzen dagegen liegen trotz der beliebten Katzenvideos nur auf Platz 12.
Wenig überraschend: Bei uns Menschen ist der Mensch die populärste Spezies Bild: onezoom.org
Zu den beliebtesten Pflanzen gehören laut diesem Ranking Cannabis, gefolgt erstaunlicherweise von Kohl. Bei den Pilzen führt der Fliegenpilz die Liste an, bei den Fischen die Bachforelle.
Was spaßig klingt, hat aber auch einen ernsten Hintergrund, so die beiden Biologen: "Der Beliebtheitsindex hat das Potenzial, Informationen über Erhaltungsmaßnahmen zu liefern, insbesondere dann, wenn Beweise für ein erhöhtes oder vermindertes öffentliches Interesse erforderlich sind", schreiben die Forscher in ihrer Arbeit.
Unterstützung der Artenvielfalt
Denn das Projekt soll nicht nur Wissenschaftlern helfen, neue Muster in der Natur zu entdecken. Die beiden Biologen hoffen, dass der fertige Baum des Lebens auch zum Beispiel in Museen oder Zoos gezeigt wird, damit möglichst viele eine Vorstellung von der gewaltigen Artenvielfalt bekommen und sich für ihren Erhalt einsetzen.
"Wir hoffen, dass jetzt, da dieses Projekt abgeschlossen und verfügbar ist, viele Veranstaltungsorte daran interessiert sein werden, es zur Ergänzung ihrer bestehenden Ausstellungen zu nutzen", so Rosindell.
Biene oder Hummel? Hornisse, Wespe? Wer brummt denn da - und warum sind sie so wichtig?
Kopf, Brust, Hinterleib, Hautflügel haben alle. Und doch sind die Insekten vielfältig unterwegs: als Arbeiter, Adelige, Haustier, Dienstleister, Naturschützer, soziales Wesen, Einzelgänger. Unersetzlich und gefährdet.
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm
Fleißige Bienen: sie bestäuben hunderte Blüten pro Tag
Die Honigbiene (Apis mellifera) ist die bekannteste Art der Hautflügler. Weltweit gibt es neun verschiedene Honigbienenarten. Dazu kommen noch 30.000 Wildbienenarten. Sie fliegen bis zu 1000 Blüten am Tag an, bei Honigbienen sind es etwa 300. Bienen tragen Blütenpollen weiter zu anderen Pflanzen und ermöglichen deren Fortpflanzung. 80 Prozent aller Blütenpflanzen werden durch Insekten befruchtet.
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Komplexes Familiensystem
Das domestizierte Honigbienenvolk lebt in einem "Staat". Jede Biene hat bestimmte Aufgaben: Arbeitsbienen reinigen den Bienenstock, versorgen den Nachwuchs, sammeln Nektar, Pollen, Wasser. Ihr Leben ist so anstrengend, dass sie nach 42 Tagen sterben. Die männlichen Drohnen haben nur eine Aufgabe: die Begattung der Königin. Dank riesiger Facettenaugen erkennen sie ihre Majestät im Flug.
Bild: DW/Muhammad Mostafigur Rahman
Königin ohne Mann
Sie ist deutlich größer als ihr Hofstaat und steht im Mittelpunkt. Ihre einzige Aufgabe von März bis August: Nachwuchs produzieren. Bis zu 1200 Eier legt sie pro Tag und kann drei bis vier Jahre alt werden. Die Ammenbienen, die die Brut aufziehen, wählen beizeiten einige Eier der alten Königin aus und ziehen eine heran, die zu deren Nachfolgerin bestimmt wird.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/K. Wothe
Flüssiges Gold vom kleinsten Nutztier
Honig besteht aus 200 Inhaltsstoffen. Das Bienenvolk braucht die Nahrung in Notzeiten. Die Sammlerbienen fliegen in Frühling und Sommer unermüdlich zu Blüten und Blättern, saugen Nektar und Honigtau, die Ausscheidungen von Blattläusen, sammeln Blütenpollen. Den fertigen Süßstoff schätzt auch der Mensch: Er züchtet Bienen und erntet den Honig. Immerhin bekommen die Tiere Ersatz: Zuckerwasser.
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Der Trend zum bestechenden Haustier
Imkern ist in. Ob New York, London oder Berlin: Viele Menschen betreiben Bienenzucht als Hobby. Und retten Bienen, die auf dem Land durch immer mehr pestizidvergiftete Felder, rieisige Monokulturen und blütenlosen Hecken immer weniger Nahrung finden. Städte hingegen bieten reichlich Nahrung, denn in Parks, Schrebergärten, auf Dachterrassen, Brachflächen blüht immer etwas.
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Wirtschaftsfaktor Wildbiene und Co.
Blütenpflanzen stellen den einen großen Teil der biologischen Vielfalt dar, Bestäuber wie diese Hummel den anderen: Sie transportieren Pollen von einer Blüte zur nächsten und ermöglichen so die Fortpflanzung und den Ertrag vieler Obst- und Gemüsearten. Dank ihnen wachsen Lebensmittel im Wert von 235 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Wildbienen sind Einzelgänger und produzieren keinen Honig.
Bild: picture alliance/blickwinkel/R. Guenter
Scheue Hornissen, angriffslustige Wespen
Wespen und Hornissen haben schlanke, leuchtend gelbe Körper. Wespen stürzen sich - ohne Einfluss auf ihre Taille - mit Vorliebe auf Kuchen, süße Getränke oder gegrilltes Fleisch. Hornissen, fast doppelt so gross, erbeuten häufig vorkommende Insekten: Mücken und Fliegen. Im Gegensatz zu den pingeligen Bienen bestäuben Hornissen, Hummeln und Wespen Blüten auch bei Wind, Regen und kühlem Wetter.
Bild: picture-alliance/imageBROKER/F. C. Robiller
Fliegt auf Obst und Gemüse
Diese Erdhummel saugt Flüssignahrung ein und verteilt sie mit dem Rüssel. die Vegetarierin wird sogar in Gewächshäusern gehalten, um Blütenpollen von Beeren, Kernobst und Tomaten zu verteilen. Sie beißt sich an den Blüten fest. Dabei vibrieren ihre Muskeln so stark, dass die Pollen herausgeschüttelt werden. Die Hummel ist rundlicher als die Biene - ebenfalls behaart und bernsteinfarben bis braun.
Rund 40 Prozent der in Deutschland beheimateten 560 Wildbienenarten sind vom Aussterben bedroht oder gefährdet. Zum Überleben brauchen sie: Baumaterialien wie Lehm, Sand, Erde, Holzschnipsel, Pflanzenreste. Nistplätze auf sandigen Böden, in Totholz oder verholzten Stängeln - in sonniger und trockener Lage. Und ein umfangreiches Pflanzenbüffet mit ungefüllten Blüten von März bis September.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
Tierheim allein lockt keine Wildbiene rein
Insektenhotels haben Konjunktur. Doch solche Lebensräume nützen nichts ohne passende Vegetation. Steinwüsten und monotone Rasenflächen schaden. Pestizide schädigen Nervensystem und Fortpflanzungsfähigkeit der Bienen. Sie brauchen zum Überleben und zum Erhalt der Artenvielfalt bunte Wildblumen. Übrigens: Wildbienen beißen Vögel oder Frösche weg oder sondern ätzende Flüssigkeiten zum Schutz ab.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/fotototo
Eine Lobby für alle Bienen
Honigbienen werden von ihren Imkern geschützt. Dagegen wissen die meisten Menschen wenig über die Notwendigkeit der Wildbienen und ihre Lebensbedingungen. Einer UN-Studie zur biologischen Vielfalt zufolge sind weltweit bis zu 40 Prozent der Insektenarten vom Aussterben bedroht. Gäbe es die kleinen Bestäuber nicht, müsste der Mensch ihre Arbeit tun - per Hand. Unvorstellbar mühsam und teuer.