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Hängt der Zahlungsverkehr in Europa ab von US-Unternehmen?

30. April 2025

Visa, Mastercard, Paypal - US-Unternehmen dominieren den bargeldlosen Zahlungsverkehr in vielen Ländern der EU. Die Europäische Zentralbank warnt vor dieser Abhängigkeit. Was aber sind die Alternativen für Europa?

Kreditkarten Visa und Mastercard
Ist Europa abhängig von Visa und Mastercard? Der Zahlungsverkehr ist das Öl auf den Zahnrädern des Binnenmarktes und wenn dieses Öl fehlt, dann drehen sich diese Zahnräder nicht mehr vernünftigBild: Boris Roessler/dpa/picture-alliance

Seit Donald Trump erneut an der Macht ist, wird überall besorgt geschaut, wo Abhängigkeiten von den USA bestehen und ob sie gefährlich werden könnten. In den Blick gerät dabei auch der digitale Zahlungsverkehr.

Christine Lagarde, die Direktorin der Europäischen Zentralbank (EZB) ist alamiert. "Wir müssen diese Verwundbarkeit mindern und sicherstellen, dass es ein europäisches Angebot gibt - für alle Fälle. Man kann nie wissen…", sagte sie kürzlich in einem Interview mit Newstalk. "Es ist wichtig, digitale Zahlungen unter unserer Kontrolle zu haben."

Unterschiedliche Abhängigkeit in der EU

In Europa werden sehr viele Zahlungsvorgänge bargeldlos gemacht. Von den bargeldlosen Zahlungen im ersten Halbjahr 2024 wurden 56 Prozent per Karte durchgeführt. Das waren mehr als 40 Milliarden Transaktionen, so die EZB. Beim Blick auf den Zahlungsverkehr zwischen Konsumenten und Unternehmen zeigt sich, dass die einzelnen EU-Länder in unterschiedlichem Maß abhängig von amerikanischen Kartenzahlungssystemen wie Visa oder Mastercard sind.

Einige Länder wie Irland oder die Niederlande haben sich nach Angaben der EZB in totale Abhängigkeit von Visa und Mastercard begeben. Andere, wie Deutschland oder Frankreich haben eigene Kartenzahlungssysteme implementiert und hängen somit weniger von US-Unternehmen ab. In Deutschland hat die Girocard (früher EC-Karte) einen Marktanteil bei Kartensystemen von über 70 Prozent. In Frankreich haben nationale Kartensysteme einen Anteil von fast 80 Prozent.

Wie groß ist das Problem wirklich?

Einer, der einen kritischen Blick auf diese Zahlen wirft, ist Hugo Godschalk, ein Berater, der seit rund 40 Jahren im Bereich Zahlungsverkehr tätig ist. Er betont, wenn man sich den europäischen Gesamtzahlungsverkehr anschaue, also auch Transaktionen zwischen Unternehmen mit einbeziehe, würde wertmäßig weniger als ein Prozent über US-Systeme abgewickelt. "Da kann man natürlich nicht von einer Dominanz reden", so der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens PaySys Consultancy.

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Auch das Argument der EZB, bei grenzüberschreitenden Zahlungen würden nationale Systeme nicht funktionieren, stimme nur für den Kauf an der Kasse im Ausland, aber nicht für den Onlinehandel innerhalb Europas, so Godschalk.

Pay per App

Aber auch an anderer Stelle ist Europa verwundbar. Neben Kartenzahlungen werden immer öfter Einkäufe per Handy mittels Apps beglichen. Hier dominieren ebenfalls Produkte von US-Technologiekonzernen wie Apple Pay, Google Pay oder PayPal. Diese Zahlungen machten schon fast ein Zehntel der Transaktionen im Einzelhandel aus, wie Philip Lane, Chefökonom der EZB bei einem Vortrag in Irland im März sagte. Das jährliche Wachstum sei hier zweistellig.

Diese US-Konzerne unterliegen den Regulierungen und geopolitischen Interessen der US-Regierung. Auch Datenschutz und die Kontrolle über Zahlungsdaten sind problematisch, da viele Transaktionen über Server in den USA laufen und damit der US-Gesetzgebung unterliegen. "Diese Abhängigkeit setzt Europa dem Risiko wirtschaftlichen Drucks und Zwangs aus und hat Auswirkungen auf unsere strategische Autonomie", warnte Lane.

Russlands Lösung für die EU?

Was für Europa bisher nur ein Gedankenspiel ist, wurde in Russland nach dem Angriff auf die Ukraine 2022 zur Realität. Im März 2022 stellten Visa, Mastercard, American Express und Paypal ihre Geschäfte in Russland ein. Doch Wladimir Putin hatte vorgesorgt.

"Er hat schon vor Jahren angeordnet, dass das Processing der inländischen Transaktionen mit Visa und Mastercard innerhalb von Russland stattfinden soll", erklärt Godschalk. Das heißt: Die Autorisierung der Zahlung, das Clearing und das Settlement erfolgen über russische Prozessoren. Damit konnte auch weiterhin mit von russischen Banken ausgestellten Visa und anderen Kreditkarten innerhalb Russlands bezahlt werden - allerdings nicht im Ausland.

In Russland kann man mit Bargeld zahlen, muss man aber nicht - Wladimir Putin hat vorgesorgtBild: ANTON VAGANOV/REUTERS

Das könnte auch eine vorübergehende Lösung sein für Europa, meint Godschalk. In diesem Fall müssten Zahlungen nicht mehr über Visa oder Mastercard laufen. So könnten US -Unternehmen innereuropäische Kartenzahlungen nicht boykottieren. 

Kurzfristig funktioniert so etwas allerdings nicht. Auf europäischer Ebene eine entsprechende Richtlinie oder Verordnung zu erstellen, würde mindestens 2 bis 3 Jahre dauern, vermutet Godschalk.

Warten auf den digitalen Euro

Godschalk hält die Warnungen der EZB vor der Abhängigkeit im Zahlungsverkehr als Verkaufsargument für die Idee des digitalen Euros. Der digitale Euro ist Geld der Zentralbank, ebenso wie Bargeld, und damit risikofrei.

Das digitale Geld auf Bankkonten ist dagegen Geschäftsbankengeld, also von den Banken geschaffenes Geld. Theoretisch ist es weniger sicher, denn geht die Bank Pleite, wäre das Geld weg. Praktisch sichert aber die Einlagenversicherung der Banken die Kunden vor so einem Verlust.

Das Projekt digitaler Euro wird von der EZB seit 2021 vorangetrieben. Seit Juni 2023 liegt dazu ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission dem Europäische Parlament vor. Eine Entscheidung fehlt bis heute. Sie aber muss das Rahmenwerk liefern, unter welche Bedingungen der digitale Euro kommt, beispielsweise ob alle Banken verpflichtet sind, ein digitales Eurokonto anzubieten und ob die Händler das akzeptieren müssen. Daher ist auch die Einführung des Digitalen Euro ungewiss und wird im Zweifel noch Jahre dauern.

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Bislang seien weder die Banken begeistert, da ihnen Teile ihres Geschäfts weggenommen werde, und auch für die Konsumenten gebe es keine überzeugenden Gründe, auf ein neues System zu setzten, so Godschalk.

Bezahlsystem Wero noch in den Anfängen

Ein eigenes europäisches Zahlungssystem als Konkurrenz zu US-amerikanischen Systemen will auch die European Payments Initiative (EPI) einführen. Dafür haben sich Ende 2020 europäische Zahlungsdienstleister und Banken aus mehreren Ländern zusammengeschlossen. 

Ihr neues Bezahlsystem Wero ist im Juli 2024 gestartet. Einige deutsche Banken ermöglichen bereits mobile Zahlungen mit Wero. Anders als bei normalen Überweisungen braucht es bei Wero keine 22-stellige Kontonummer (IBAN) des Empfängers. Für die Geldübertragung kann eine Mobiltelefonnummer oder E-Mail-Adresse genutzt werden - ähnlich wie bei Paypal.

Eine europäische Alternative zu Bezahl-Apps aus den USA gibt es noch nichtBild: Tim Brakemeier/picture-alliance/dpa

Das Problem ist nur: Wer kennt schon Wero? Bei einer Umfrage im Auftrag des Vergleichsportals Verivox Ende Oktober 2024 haben fast 90 Prozent der 1000 in Deutschland Befragten angegeben, dass sie nicht wissen, was Wero ist.

Und ein eigenes europäisches Kreditkartensystem?

Bleibt die Frage, warum es Europa kein eigenes Kreditkartensystem parallel zu den amerikanischen aufstellt. "In der Vergangenheit gab es mehrere Anläufe, um ein europäisches Kartensystem zu etablieren", sagt Godschalk. Aber gerade in Deutschland und Frankreich sei das Interesse an großen Investitionen in ein europäisches Kartensystem gering gewesen, weil der Umfang der grenzüberschreitenden Transaktionen relativ gering ist. Doch am Ende wurden diese Systeme verkauft - ausgerechnet an US-Unternehmen.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion