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Politik

Visegrad-Staaten: "Für ein besseres Europa"

Gerhard Gnauck
2. März 2017

Die Visegrad-Staaten treten auf ihrem Gipfel in Warschau selbstbewusst auf wie selten zuvor. Sie fordern, dass die Einheit der EU und ihre vier Grundfreiheiten erhalten bleiben. In einem Punkt sind sie aber zerstritten.

Polen | Ministerpräsidenten der Visegrad-Staaten in Warschau
Die Ministerpräsidenten der Visegrad-Staaten: Bohuslaw Sobotka (Tschechien), Viktor Orban (Ungarn), Beata Szydlo (Polen) und Robert Fico (Slowakei) Bild: picture-alliance/dpa/PAP/R. Pietruszka

So geschlossen hat man die Visegrad-Staaten selten erlebt. Auf ihrem Gipfel in Warschau, das derzeit in der Gruppe den Vorsitz führt, richteten die vier Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) klare Forderungen an die übrigen EU-Mitglieder. Geschlossen will die Gruppe auch in den EU-Gipfel Ende März in Rom ziehen. Der Premier der Slowakei, Robert Fico, äußerte eine scharfe Warnung: "Der Stand der Vorbereitungen des Gipfels in Rom, der so wichtig ist für die Zukunft der EU, ist jämmerlich." Es drohe eine Begegnung, bei der am Ende "keine Vision eines Europas der Zukunft, sondern eine Ansammlung individueller, nationaler Interessen herauskommt".

Die Gastgeberin, Polens Regierungschefin Beata Szydlo, hielt eine detaillierte Erklärung vor die Kameras, die in mehreren Punkten die Positionen der Visegrad-Gruppe zusammenfasst. EU-Ratschef Donald Tusk solle auf dieser Grundlage Vorschläge für Rom erarbeiten. "Es geht nicht um mehr oder weniger Europa, sondern um ein besseres Europa", sagte Szydlo.

"Für Rechtsstaat, gegen Protektionismus"

In dem Text nennen die vier Staaten die EU eindeutig das "beste Instrument, um die vor uns liegenden Herausforderungen zu meistern". Sie bekennen sich auch zu ihren Grundwerten wie Demokratie und Rechtsstaat und wenden sich gegen "Protektionismus, sowohl innerhalb wie außerhalb der EU" - offenbar eine Anspielung auf die USA unter Donald Trump. Außerdem solle die EU offen bleiben für "jene Länder, die diese Werte teilen, vor allem die Länder des westlichen Balkans und unsere östlichen Nachbarn".

Auch das Thema "Europa der zwei Geschwindigkeiten" kam zur Sprache. Innerhalb der EU solle jede Form einer engeren Zusammenarbeit "für jeden Mitgliedsstaat offen stehen, um jegliche Desintegration des Binnenmarktes, des Schengen-Raums und der EU selbst absolut zu vermeiden", heißt es im Text. Es gebe noch "großes Potenzial" für eine Vertiefung des Binnenmarktes, etwa in Energiefragen, im digitalen Bereich und bei der Freizügigkeit der Dienstleistungen. Außerdem müssten die nationalen Parlamente und der Europäische Rat, also die Vertretung der Regierungen, gestärkt werden - was offenbar zugleich heißt, dass die EU-Kommission geschwächt werden soll.

"Lebensmittel zweiter Klasse" für Osteuropa?

Ungarns Premier Viktor Orban stützt nach eigenen Worten "zu hundert Prozent" die gemeinsamen Visegrad-Positionen. Ein weiteres Thema des Warschauer Treffens war die unterschiedliche Qualität von Lebensmitteln in Europa. Laut Untersuchungen und Medienberichten bringen Konzerne in den neuen EU-Ländern unter gleichem Namen schlechtere Produkte auf den Markt als in den alten. Diese Produktion "mit zweierlei Maß", so Orban, müsse ein Ende haben. Szydlo sagte, man habe eine gemeinsame Arbeitsgruppe zu dem Thema gebildet und werde es auf EU-Ebene ansprechen.

Zugleich trafen sich in Warschau die Finanzminister der Visegrad-Gruppe und ihre Kollegen aus Südosteuropa sowie EU-Kommissarin Corina Cretu. Die Minister lobten die EU-Kohäsionspolitik, die auch im neuen Finanzrahmen ab 2020 fortgesetzt werden müsse.

Experte: Immer engere Zusammenarbeit in Visegrad-Gruppe

Wird der polnische Politiker Donald Tusk EU-Ratspräsident bleiben? Bild: Reuters/P. Noble

Offenbar findet die oft unterschätzte Visegrad-Gruppe nach und nach zu einer engeren Zusammenarbeit. Jakub Groszkowski, Experte am Zentrum für Oststudien (OSW) in Warschau, sagte im DW-Gespräch, die Visegrad-Staaten würden oft irrtümlich als "monothematischer Verein" gesehen, etwa in der Flüchtlingsfrage. "Aber Visegrad ist inzwischen viel mehr. Die Gruppe ist ein nützliches Instrument für Austausch und Kooperation innerhalb von EU und NATO. Und es gibt viele Formen ihrer Zusammenarbeit, alle Ministerien in diesen Ländern und weitere Institutionen treffen sich regelmäßig und verwirklichen gemeinsame Projekte. Sie unterstützen gemeinsam die Sanktionen gegen Russland, sie helfen auch gemeinsam der Ukraine." Die Gruppe akzeptiere ein "Europa verschiedener Geschwindigkeiten, das es ja längst gibt". Mit ihrer Erklärung richte sie sich aber gegen "abgeschottete, exklusive Clubs" innerhalb der Gemeinschaft und wolle eine gemeinsame Richtung in der Entwicklung der EU-Staaten erhalten.

Nur bei einem Thema wurden Differenzen deutlich: Eine neue Amtszeit für den EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. In Polen gilt Tusk als der gefährlichste politische und persönliche Gegner des Chefs der polnischen Regierungspartei, Jaroslaw Kaczynski, der gegen eine neue Amtszeit ist. "In dieser Frage haben wir in der Visegrad-Gruppe keine gemeinsame Position", sagte der tschechische Premier Bohuslav Sobotka in Warschau.

Verwirrung um Gegenkandidaten zu Tusk

In dieser Woche hatte Polens Regierung überraschend einen Gegenkandidaten für das hohe Amt aus dem Hut gezaubert: Jacek Saryusz-Wolski. Der erfahrene Europa-Abgeordnete gehört paradoxerweise der Bürgerplattform an, also derselben Partei wie Tusk. Dass er offenbar einverstanden war, gegen seinen Parteifreund als Kandidat aufgestellt zu werden, führen Kenner der Materie darauf zurück, dass sich Saryusz-Wolski "innerlich schon lange von seiner Partei entfernt" habe.

Noch verwirrender war, dass sich Saryusz-Wolski seit drei Tagen weigert, seine Kandidatur zu bestätigen oder zu dementieren. Am Donnerstag gelang es einem Journalisten des polnischen Senders TVN24, gemeinsam mit Saryusz-Wolski in Straßburg einen Fahrstuhl zu besteigen. Auch jetzt verweigerte der Politiker jede Antwort und sagte nur: "Journalisten kennen doch so einen Begriff: No comment."

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