Sarkozys Eurafrika
27. Juli 2007"Dekomplexisierung" - noch so ein Schlagwort. Abstrakt und sperrig. "Das heißt: ohne Komplexe über die Zukunft von Frankreich und Afrika sprechen zu können", erklärt Wolfram Vogel vom Deutsch-Französischen Institut in Paris. Sarkozy sei nach Afrika gereist, um darüber zu sprechen, wie man Entwicklungshilfe vernünftig einsetzt. Ganz ohne Komplexe und offen wolle er eben darüber reden, sagt Vogel.
"Wer soll von Komplexen befreit werden? Frankreich oder Afrika? Es sind hohle Worte", widerspricht der senegalesische Journalist und Schriftsteller Abdou Latif Coulibaly. Kritik kommt auch aus Frankreich selbst: "Sarkozy ist unehrlich, wenn er den Afrikanern Lektionen in Entwicklungspolitik erteilt und gleichzeitig die Intelligenzia aus Afrika stiehlt, indem er eine gelenkte Immigrationspolitik betreibt", lässt die Sozialistische Partei Frankreichs (PS) mitteilen. Viele gut ausgebildete Afrikaner nutzen die Chance, nach Frankreich zu immigrieren, und so fehlen Mediziner, Ingenieure und andere Fachkräfte in ihrer Heimat.
Auch wenn ihm ein moralisierender Unterton vorgeworfen worden sei - Sarkozy wolle doch nur erreichen, dass der afrikanische Kontinent mehr Verantwortung für sich selbst trage, sagt Vogel. "Er möchte sagen: die Kolonialisierung war gewiss keine gute Sache, aber sie ist nicht für sämtliche Missstände auf dem afrikanischen Kontinent verantwortlich."
Zweierlei Maß
Am Donnerstag (26.7.) hatte Sarkozy in der senegalesischen Hauptstadt Dakar gefordert, Afrika und Frankreich sollten eine "erneuerte Partnerschaft eingehen und nicht über die koloniale Vergangenheit grübeln". Stattdessen forderte er mehr Engagement für eine gute Regierungsführung.
Fast zynisch wirkt diese Forderung allerdings in Anbetracht seines Reiseziels am Freitag: Gabun. Das zentralafrikanische Land kann nun wirklich nicht mit guter Regierungsführung glänzen. So gehen Sicherheitskräfte immer wieder brutal gegen Oppositionelle vor, und das Land wird seit 40 Jahren vom selben Präsidenten regiert. Das alles scheint Sarkozy nicht weiter zu stören. Er und sein gabunischer Amtskollege Omar Bongo verstehen sich trotz der Menschenrechtsprobleme im Land bestens. Nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten im Mai rief Sarkozy mit als einen der ersten seinen Freund in Gabun an.
Die Bodenschätze des Landes - Erdöl, Erdgas und Mangan - dürften dabei wohl keine ganz unwesentliche Rolle gespielt haben. "Hier sind so manifeste französische Interessen am Werk, dass ich nicht sehe, dass die Menschenrechtsproblematik sehr stark in den Vordergrund treten kann oder wird", sagt Stefan Brüne vom Institut für Afrika-Studien in Hamburg. Geopolitische Interessen, für die Frankreich bei Menschenrechtsfragen in afrikanischen Ländern auch gern mal ein Auge zudrückt - das sei in der Vergangenheit häufiger vorgekommen, sagt Brüne. Sarkozys extrem umstrittene Aktion, Libyen einen Atomreaktor zu versprechen, passt in dieses Bild. Libyen gilt noch immer als Diktatur, verfügt aber wie Gabun über Öl und Gas.
Mal Freund, mal Feind
Auch wenn Sarkozy von einer "Rupture", einem Bruch mit der Politik der vergangenen Jahre spricht, begegnen viele Afrikaner dem neuen Staatspräsidenten mit Skepsis: "Ich erkenne keine absehbaren Veränderungen in Sarkozys Afrika-Politik. Es wird dasselbe sein wie vorher. Es sind immer Frankreichs Interessen, die die Afrika-Politik bestimmen und nie das Gegenteil", sagt Abdou Latif Coulibaly.
Spätestens seit Sarkozy in seiner Funktion als Innenminister für schwere Unruhen sorgte, indem er die Jugendlichen in den Banlieues mit hohem Migrantenanteil als Gesindel bezeichnet hatte und forderte, man müsse einige Vorstädte mit dem "Hochdruckreiniger säubern", hat er bei vielen Afrikanern einen schweren Stand. Das verschärfte Zuwanderungsgesetz tut sein übriges. "Wenn Sarkozy in Dakar ist, wird er zum Freund der Afrikaner. Wenn er in Paris ist, stigmatisiert er sie und weist sie aus. Er verspricht ein 'Eurafrika', aber in Wirklichkeit will er Europa zu einem Fort der reichen Länder machen", sagt der aus Algerien stammende Generalsekretär der französischen Sozialisten Faouzi Lamdaoui.