Vogelgrippe in Deutschland: Ausbreitung in Europa befürchtet
22. Oktober 2025
Der gefürchtete Erreger HPAIV breitet sich gerade in Deutschland stark aus. Das Kürzel steht für "hochpathogenes aviäres Influenzavirus" - umgangssprachlich: Vogelgrippe. Die Zahl von Ausbrüchen in Geflügelhaltungen im Oktober sei sprunghaft gestiegen, teilte das zuständige Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Greifswald mit. In seiner aktuellen Risikoeinschätzung hat es das Risiko für Ausbrüche in Geflügelhaltungen von "gering" auf "hoch" gesetzt und das für Wildvögel von "moderat" auf "hoch".
Besonders auffällig: Mehrere ostdeutsche Bundesländer melden seit einigen Tagen eine erhöhte Sterblichkeit von Kranichen. Mehr als 100 tote Tiere waren in der vergangenen Woche am Stausee Kelbra an der Landesgrenze von Sachsen-Anhalt und Thüringen entdeckt worden. An der Müritz in Mecklenburg-Vorpommern wurden am Wochenende ebenfalls Dutzende tote Kraniche geborgen, wie der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte berichtete.
Die Staatliche Vogelschutzwarte Brandenburg rechnet mit einer erheblichen Zunahme von Todesfällen bei Wildvögeln durch Ansteckung mit der Vogelgrippe. Bislang würden allein in Brandenburg die Verluste bei Kranichen auf mehr als 1000 Tiere geschätzt, teilte das Landesumweltministerium am Mittwoch in Potsdam mit. Wie in anderen Bundesländern sei auch in Brandenburg der Ausbruch der Wildtierseuche bei Kranichen in dieser Größenordnung bislang einmalig.
Experten rechnen mit weiterer Ausbreitung
Die Seuche treffe die Kraniche auf dem Höhepunkt ihres Herbstzuges in den Süden. Dabei komme es auf den Rastplätzen wie dem Linumer Bruch zu den größten Ansammlungen der Tiere im Jahresverlauf. Daher sei "mit einer signifikanten Zunahme weiterer Todesfälle sowie einer raschen Verbreitung in Mitteleuropa und auf dem weiteren Zugweg" Richtung Frankreich und Spanien zu rechnen. Die Verbreitung der Infektion bis hin zu den spanischen Überwinterungsgebieten der Kraniche sei eine mögliche Entwicklung.
In eingesandten Kranichproben aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen konnten die Virologen am Friedrich-Loeffler-Institut den Vogelgrippe-Erreger des Subtyps H5N1 nachweisen, eine besonders krankheitserregende Virusvariante. Ein größeres Kranichsterben habe es in der Vergangenheit unter anderem in Israel und Ungarn gegeben, sagte FLI-Sprecherin Elke Reinking der Deutschen Presse-Agentur.
Mit einer weiteren, möglicherweise großflächigen Ausbreitung von HPAIV-Infektionen müsse in nächster Zeit gerechnet werden, warnt das Institut. Schon jetzt seien nicht nur Kraniche betroffen. "Andere wilde Wasservogelarten wie Enten oder Gänse zeigen unter Umständen geringere Krankheitssymptome einer HPAIV-Infektion, auch weil sie bereits eine Teilimmunität entwickelt haben könnten."
Hochansteckende Krankheit
Die Vogelgrippe, auch Geflügelpest genannt, ist eine hochansteckende und bei vielen Vogel- und Geflügelarten rasch tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Für Menschen ist sie Experten zufolge nicht gefährlich.
Das FLI empfiehlt als Schutzmaßnahme die schnelle Entfernung von Wildvogel-Kadavern durch Expertenteams, um weitere Infektionen vor allem von Aasfressern wie Krähen, Raben, Seeadlern oder Füchsen zu vermeiden. Die Bevölkerung sollte Kontakte mit erkrankten oder verendeten Wildvögeln meiden, hieß es weiter. Geflügelhaltern wird dringend empfohlen, Kontakte des Geflügels zu Wildvögeln zu minimieren und so das Risiko einer Einschleppung der Krankheit zu verhindern.
In Geflügelhaltungen in verschiedenen Bundesländern wurden bereits Fälle registriert, etwa in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Niedersachsen und Thüringen. Die hohe Zahl an betroffenen Geflügelbetrieben hänge mit der aktuellen Wildvogeldichte und den Zugbewegungen zusammen, so FLI-Sprecherin Reinking. Im Oktober seien bereits über 15 betroffene Geflügelbetriebe registriert worden. Im gesamten September seien es vier gewesen. Warum es in dieser Saison so viele Fälle gebe, sei noch unbekannt. Das Virus werde am FLI noch genetisch analysiert.
Bei einem Ausbruch werden eine Schutzzone von drei Kilometern und eine Überwachungszone von zehn Kilometern um den betroffenen Hof eingerichtet. Innerhalb der Schutzzone dürfen die Tiere den Stall nicht mehr verlassen, zudem müssen strenge Hygienemaßnahmen umgesetzt werden. Innerhalb der Überwachungszone müssen die Tiere der zuständigen Behörde gemeldet und genau beobachtet werden. Geflügel, Fleisch und Eier dürfen beide Zonen nicht verlassen.
AR/jj (dpa, epd, afp)
Redaktionsschluss: 17.00 Uhr (MESZ) - dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.