Volkskongress: China sucht Lösung in schwierigen Zeiten
6. März 2025
Im Schatten des eskalierenden Handelskonflikts hat in China das Plenum des gesetzgebenden Organs, des Nationalen Volkskongresses, begonnen. Zuletzt traten zusätzliche US-Zölle auf Einfuhren aus China in Kraft. Daraufhin hat Peking seinerseits Strafabgaben auf mehrere landwirtschaftliche Produkte aus den USA ab dem 10. März verhängt.
Dennoch hält Chinas Ministerpräsident Li Qiang am Wachstumsziel von fünf Prozent fest, obwohl US-Präsident Trump mit weiteren Strafabgaben droht. "Das multilaterale Handelssystem erfährt Turbulenzen. Die Handelsbarrieren nehmen weiter zu", sagte Li in seinem jährlichen Rechenschaftsbericht im Parlament. "Das zunehmend komplexe und schwierige externe Umfeld könnte China in Bereichen wie Handel, Wissenschaft und Technologie stärker beeinflussen."
Der Nationale Volkskongress (NVK) tritt einmal im Jahr zu einer Plenarsitzung zusammen. Neben der regierenden Kommunistischen Partei Chinas sind weitere sieben kleinere Parteien vertreten. Allerdings finden dort keine kontroversen Debatten statt. Wegweisende Entscheidungen werden nur pro forma abgesegnet.
Handelskonflikt kein Grund für "Entgleisung"
Premier Li konzentrierte sich in seinem Rechenschaftsbericht auf die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen im Inland. Den Delegierten will er zeigen, dass seine Regierung Antworten auf die dringenden Probleme der Gesellschaft wie steigende Preise, Jugendarbeitslosigkeit und schwache Konjunktur hat. Dennoch wird am Rande des Treffens viel über den Rivalen am anderen Ufer des Pazifiks gesprochen. "Wenn die USA Krieg wollen, sei es ein Zollkrieg, ein Handelskrieg oder irgendeine andere Art von Krieg, sind wir bereit, bis zum Ende zu kämpfen", hieß es Anfang der Woche im Pekinger Außenministerium.
Pekings harte Reaktionen hätten den Eindruck erweckt, dass China "seine Fähigkeit für Gegenmaßnahmen demonstriert", während die tatsächlichen Auswirkungen des Handelskonflikts viel geringer seien als befürchtet, sagte Chenggang Xu vom Center on China's Economy and Institutions der Stanford University.
"US-Präsident Trump hatte während des Wahlkampfs deutlich höhere Strafzölle gegenüber China angekündigt. Nun sind die verhängten Sätze viel niedriger", sagt Xu im DW-Interview. 2024 hatte Trump noch den höchsten Steuersatz - bis zu 60 Prozent - auf chinesische Produkte angedroht. Und deswegen seien die US-Zölle auch kein Thema im Rechenschaftsbericht des Ministerpräsidenten.
"Die Zölle könnten sich kurzfristig stark auf das BIP-Wachstum auswirken. Aber man darf nicht vergessen, dass der Fokus von Staatspräsident Xi Jinping nicht allein auf der Wachstumsrate liegt", sagt Antonia Hmaidi der Berliner Denkfabrik Merics. "Peking konzentriert sich auf langfristige Ziele. Der Wachstumsschub darf nicht, zumindest nach Pekinger Lesart, wegen eines kurzfristigen Konflikts wie um die Strafzölle 'entgleisen'."
Wettbewerbsvorteil durch Künstliche Intelligenz
Im Vergleich zu den Zöllen sei die Volkswirtschaft in China viel schärfer von strengen US-Beschränkungen in Hightech-Sektoren betroffen, glauben Experten. "Die Staatsführung wiederholt immer wieder ihren Anspruch, dass China im Hightech-Sektor wie KI, Umwelttechnologien und Biotech besser werden muss", sagt Hmaidi. Die Führung in Peking glaube, dass sie im laufenden Handelskrieg als Sieger hervorgehen werde.
Der Politologe Xu an der Stanford University erklärt, dass der Fokus auf die Hightech schon lange "nichts Neues" sei. Es habe schon vor zehn Jahren Strategien wie "Made in China 2025" des Vorgängerpremiers Li Keqiang gegeben. Mit dieser Strategie von vor zehn Jahren wollte sich China bis 2025 zu einem weltweit führenden Hersteller von Hightech-Produkten machen.
Nun will der amtierende Premier Li "die Kreativität der digitalen Wirtschaft freisetzen". Seine Strategie: "KI plus". Sein Land werde "die umfassende Anwendung von KI-Rechenmodellen in großem Stil unterstützen und mit Nachdruck intelligente, vernetzte Fahrzeuge mit alternativen Antriebstechnologien, KI-fähige Smartphones und Computer sowie intelligente Industrieroboter entwickeln". Auch die standardisierten Anwendungen mit der letzten Generation des Mobilfunks 5G sollen ausgebaut werden.
Der jüngste Erfolg des chinesischen KI-Unternehmens DeepSeek sei auch ein Beweis für Peking, dass das Land auf dem richtigen Weg sei, sagt Hmaidi. Die USA dürften ihre Exportkontrollen weiter verschärfen, um sicherzustellen, dass China im KI-Bereich nicht die Nase vorne habe.
Ausbleibende Binnennachfrage
Um das Wachstum richtig in Gang zu setzen, müssen die Konsumenten in China mehr Geld ausgeben. Sie sind aber dafür bekannt, mehr Geld auf die hohe Kante zu legen, auch um in der Krisenzeit zahlungsfähig zu bleiben. Die schwache Inlandsnachfrage, der angeschlagene Immobilienmarkt und die hohe Arbeitslosenquote verschärfen wiederum die Krise im wirtschaftlichen Bereich.
Premier Li will nun mehr Schulden machen. Die Staatsschuldenquote, also der Schuldenstand im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP), solle bei vier Prozent liegen, so Li. Das sei ein Prozentpunkt höher als 2024. Die gesamten Schulden beliefen sich auf umgerechnet 205 Milliarden Euro. Die Zentralbank Chinas hat gleichzeitig signalisiert, im Laufe des Jahres den Leitzins zu senken.
Mit einer mäßig lockeren Geldpolitik bereite sich China auf weitere externe Herausforderungen vor, sagt Merics-Expertin Hmaidi. Neue Strafzölle führten automatisch zu steigenden Einkaufspreisen in den USA und sinkenden Exporten aus China. Deswegen solle die Konjunktur mit einem steigendem Binnenkonsum gestützt werden.
Seit 2024 laufen staatliche Aktionen, den Austausch alter Haushaltsgeräte durch energiesparende zu subventionieren. Wer ein E-Auto kauft, darf weiterhin mit öffentlichen Zuwendungen rechnen. Die Hightech-Riesen würden mit gezielten Investmentfonds gefördert, so Hmaidi. Allerdings mache auch der Staat klar, dass es besser sei, wenn die Empfänger der Zuwendung im Inland einkaufen als im Ausland.
China brauche einen strukturellen Wandel, ist Politologe Xu überzeugt. Er sehe jetzt keine "echten Lösungen". "Es wird nur darüber diskutiert, wie die Nachfrage angekurbelt werden kann, ohne das eigentliche Problem anzugehen, wie das Nettoeinkommen der normalen Haushalte erhöht werden kann."
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan