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Volkswagen-Chef Herbert Diess tritt zurück

Jan Schwartz | Alexander Hübner Reuters
22. Juli 2022

VW-Konzernchef Herbert Diess und der Aufsichtsrat des Autobauers hätten "einvernehmlich" auf einen Trennung geeinigt. Nachfolger wird der Chef der Sportwagen-Tochter Porsche, Oliver Blume.

Herbert Diess | Vorstandsvorsitzender von Volkswagen
Herbert Diess stand seit 2018 an der Spitze des VW-KonzernsBild: Moritz Frankenberg/dpa/picture alliance

Mehrmals war Volkswagen-Chef Herbert Diess nur knapp seinem Sturz entgangen, jetzt muss der streitbare Konzernchef dem jüngeren Kronprinz Oliver Blume weichen. Der 63-Jährige wird zum 1. September von Blume ersetzt, der zugleich Chef der Sportwagen-Tochter Porsche bleiben soll, wie der Wolfsburger Autobauer am Freitag nach einer Aufsichtsratssitzung mitteilte. Vor allem der Zeitpunkt für den Führungswechsel war überraschend. Laut Insidern kam der Anstoß zur Trennung von Diess von den VW-Eigentümerfamilien Porsche und Piech, die dem Österreicher in Auseinandersetzungen mit dem mächtigen Betriebsrat immer wieder den Rücken gestärkt hatten. Diess seien auch die Probleme der Software-Tochter Cariad angelastet worden - das Herzstück des geplanten Umbaus des Wolfsburger Autobauers zu einem datengetriebenen Mobilitätsanbieter war Chefsache.

Diess suchte oft die Konfrontation

Der ehemalige BMW-Manager Diess führt Volkswagen seit gut vier Jahren. Er hatte sich immer wieder mit den Betriebsräten überworfen. Sein brachiales Umsteuern auf die Elektromobilität sorgte für Streit mit den Arbeitnehmern, die um die Arbeitsplätze bangten. Die Familien hätten gesehen, dass es so nicht mehr weitergehe, sagten mehrere mit den Beratungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. "Diess ist unverbesserlich", sagte einer von ihnen. Er habe Volkswagen zum Positiven verändert. "Aber seine Kommunikation ist miserabel."

Diess' aufbrausendes Auftreten im Aufsichtsrat hatte die Erben von "Käfer"-Entwickler Ferdinand Porsche schon früher befremdet. Technische Probleme beim neuen Golf oder dem ersten wichtigen Elektroautomodell ID.3, die Schwäche des wichtigen China-Geschäfts und Verzögerungen beim Aufbau von Cariad kamen hinzu. die Liste von Managementfehlern, die man Diess zur Last legte, wurde immer länger. Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer erklärte, die Ablösung von Diess zeige auch, welche Riesen-Herausforderung das "Software Defined Car" für traditionelle Konzerne sei. "Autobauer werden Tech-Unternehmen, wie Google, Apple, Microsoft - oder sie werden abhängig von den Software-Schwergewichten."

Generationswechsel

Volkswagen sprach von einem Generationswechsel. Blume ist neun Jahre jünger als Diess. Er soll auch nach einem möglichen Börsengang von Porsche, der für den Herbst geplant ist, beide Autobauer in Personalunion führen. Bei Volkswagen in Wolfsburg - mehr als 500 Kilometer vom Sitz der Sportwagen-Tochter in Stuttgart entfernt - soll ihn Finanzvorstand Arno Antlitz entlasten, der als Chief Operating Officer (COO) künftig auch für das Tagesgeschäft verantwortlich zeichnet.

"Oliver Blume hat in verschiedenen Funktionen im Konzern und mehreren Marken seine operativen und strategischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt", sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Der 54-Jährige führe die Porsche AG seit sieben Jahren "wirtschaftlich, technologisch und kulturell mit großem Erfolg". In den Konzernvorstand war Blume 2018 aufgerückt. Von ihm erhofft sich der Aufsichtsrat einen neuen Ton im Vorstand und eine harmonischere Zusammenarbeit: "Blume soll mit dem gesamten Vorstand die Transformation weiter vorantreiben - mit einer Führungskultur, die den Teamgedanken in den Mittelpunkt stellt", hieß es in der Mitteilung. Diess waren immer wieder Alleingänge vorgeworfen worden. Ende 2021 konnte der Streit mit dem Betriebsrat nur mit Mühe beigelegt werden - schon damals musste Diess Macht abgeben. Nachdem nun die Familie auf Distanz ging, sei der Burgfrieden von damals hinfällig geworden, sagte ein weiterer Insider.

Aktie gibt deutlich nach

Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat begrüßten den Führungswechsel: IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sagte, Volkswagen müsse auch sozial Vorbild bleiben. Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo betonte, beim Umbau müssten alle Beschäftigten von VW mitgenommen werden. "Die heutigen Entscheidungen zahlen darauf ein." Die Anleger weniger positiv: Im Späthandel gaben die Volkswagen-Aktien 2,6 Prozent nach.

Aufsichtsratschef Pötsch, der die börsennotierte Porsche Automobil Holding führt, würdigte Diess' Verdienste um den Umbau des Konzerns: Er "hat eindrucksvoll bewiesen, mit welchem Tempo und mit welcher Konsequenz er tiefgreifende Transformationsprozesse umsetzen kann", sagte er. "Dabei hat er das Unternehmen nicht nur durch extrem schwieriges Fahrwasser gesteuert, sondern auch strategisch grundlegend neu ausgerichtet."

"Happy Holidays!"

Diess selbst zog ein positives Fazit. Unter dem Titel "Happy Holidays!" hatte er sich am Freitag mit einem LinkedIn-Beitrag in die Werksferien verabschiedet - ohne auf einen bevorstehenden Abschied einzugehen: "Ich bin mit unserer Performance in den meisten unserer Geschäftsfelder sehr zufrieden", schrieb Diess. Einige Voraussetzungen, etwa der Chip-Nachschub, sollten sich im zweiten Halbjahr verbessern. "Ich habe keinen Zweifel, dass wir in den nächsten Monaten weiter Schwung aufnehmen."

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