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Auto und MobilitätDeutschland

Volkswagen: Steckt der deutsche Autobauer in der Krise?

Klaus Ulrich mit Agenturen
29. September 2023

Volkswagen war gemessen am Umsatz im vergangenen Jahr der größte Automobilhersteller der Welt. Ob das 2023 so bleibt, ist fraglich - die Probleme häufen sich.

Ein Schalter mit der Aufschrift «Nothalt» ist am Morgen vor einem Logo am Volkswagen Stammwerk zu sehen
Bild: Moritz Frankenberg/dpa/picture alliance

Die Woche verlief nicht gut für den Volkswagen-Konzern: Eine Razzia wegen überhöhter Betriebsratsgehälter, eine IT-Störung, die weite Konzernteile lahmlegte - dazu der Kampf mit Absatzproblemen auf dem US-Markt, wo sich wegen Logistikproblemen Neufahrzeuge stauen, die nicht an die Händler ausgeliefert werden können.

Doch der Reihe nach. Am Dienstag gab es wegen des Vorwurfs unverhältnismäßig hoher Gehaltszahlungen an Mitglieder des Betriebsrats mehrere Durchsuchungen. Nach Angaben aus Konzernkreisen wurden bei VW mehrere Büros durchsucht und dabei Unterlagen und Daten sichergestellt. Ein VW-Sprecher sagte, der Volkswagen-Konzern kooperiere vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden.

Überhöhte Betriebsratsgehälter bei VW

Hintergrund ist das seit Jahren laufende Verfahren wegen des Verdachts überhöhter Betriebsratsgehälter bei Volkswagen, die bis zum Jahr 2019 bezahlt wurden. Der Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte Anfang dieses Jahres Freisprüche für vier frühere VW-Personalmanager gekippt, denen die Staatsanwaltschaft Untreue vorwirft, weil sie Betriebsräten zu hohe Gehälter bewilligt haben sollen. Jetzt muss das Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig, das die Beschuldigten zunächst freigesprochen hatte, neu aufgerollt werden.

Produktion des VW-Elektroautos ID.3 in ZwickauBild: Sean Gallup/Getty Images

VW hat nach dem BGH-Urteil mehreren Dutzend Betriebsräten die Gehälter gekürzt. Zahlreiche Betroffene klagten dagegen vor dem Arbeitsgericht, fast alle bekamen dort bisher Recht. Von 17 Entscheidungen seien 16 zugunsten der klagenden Betriebsräte ausgegangen, sagte ein Betriebsratssprecher. Daraus sei eine klare Tendenz zu erkennen, dass die Arbeitsgerichte die Sache anders sehen als der Strafsenat des BGH.

Der VW-Betriebsrat kritisierte diese widersprüchliche Rechtsprechung: "Arbeitsrechtlich ist etwas geboten, was gleichzeitig strafrechtlich im Risiko stehen kann." Der Gesetzgeber müsse diesen Zustand mit einer Klarstellung beenden.

IT-Störung mit weltweiten Auswirkungen

Seit Mittwoch kämpft VW mit dem nächsten Problem: Eine schwere IT-Störung, offenbar ein Netzwerkfehler, hatte zu einem umfassenden Produktionsausfall in den VW-Werken und weltweiten Auswirkungen geführt. Ursache: zunächst unbekannt. Später berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Insider, dass sich "untypische Dateninhalte" innerhalb der IT-Strukturen vervielfältigt hätten. Auch die Konzernmarken Audi und Porsche meldeten Probleme. Im Laufe des Donnerstags waren die meisten Probleme behoben. Am Freitagvormittag hieß es dann von VW: "Die Produktion läuft marken- und regionsübergreifend wieder normal. Die IT-Infrastrukturprobleme im Volkswagen-Netzwerk konnten behoben werden, das Netzwerk arbeitet wieder stabil." 

VW-Chef Oliver BlumeBild: Sascha Schuermann/Getty Images

Nach Angaben einer IT-Dienstleisterin, die für die Netzwerke der Unternehmen zuständig ist, handelte es sich um eine weltweite Störung. Auch in VW-Autohäusern hatte es Probleme gegeben. Ein entsprechender Bericht des Handelsblatts wurde in Händlerkreisen bestätigt. Dem Bericht zufolge war neben den VW-Werken in ganz Deutschland auch das US-Werk in Chattanooga im Bundesstaat Tennessee betroffen. Keine Auswirkungen gab es nach Angaben eines Sprechers dagegen bei Skoda in Tschechien.

Wichtig in diesem Zusammenhang: Nach VW-Angeben gebe es keine Anzeichen, dass die Störung durch externe Einflüsse verursacht wurde, sagte ein Sprecher. Man gehe nicht von einem Hackerangriff aus.

"Mehr Sensibilität bei der Netzwerksicherheit"

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mahnte angesichts der Störung bei VW zu mehr Sensibilität für das Thema Netzwerksicherheit. "Wir brauchen hier Sicherheitssysteme, die funktionieren", sagte er in einem Interview. Wenn es zu solchen Störungen wie bei VW komme, müsse das präzise analysiert werden. "Es muss allen klar sein, digitale Infrastrukturen sind kritische Infrastrukturen", so der Minister.

Das VW-Kraftwerk auf dem Gelände vom Volkswagen Stammwerk in WolfsburgBild: Moritz Frankenberg/dpa/picture alliance

Ende August war der japanische VW-Rivale Toyota von einem Totalausfall der Produktion betroffen. Später hieß es, Ursache sei unzureichender Speicherplatz auf Servern gewesen. Bei dem Vorfall habe es sich nicht um einen Cyberangriff gehandelt, wurde betont.

VW: Absatzprobleme auf dem US-Markt

Derweil kämpft Volkswagen auf dem wichtigen US-Markt auch noch mit Problemen beim Absatz. Wie das Handelsblatt berichtet und sich auf Insider-Informationen beruft, bereite vor allem die Logistik Sorgen. Demnach fehlten Eisenbahnwaggons für den Abtransport produzierter VW-Fahrzeuge am mexikanischen Werk in Puebla. Die fertigen Autos stauten sich und könnten nicht an die Händler ausgeliefert werden.

Volkswagen arbeite zwar daran, das Problem zu beheben. Dennoch befürchten Unternehmensinsider, dass VW seine Jahresziele in der Region nicht erfüllen könne. "Unsere Ziele für 2023 wackeln", zitiert das Handelsblatt VW-Quellen. Fehlende Verkäufe im Sommer gefährdeten die Absatzziele. Die höheren Transportkosten auf Alternativrouten belasteten zudem die Profitabilität.

Eigentlich sollte 2023 das Jahr sein, in dem Volkswagen in Nordamerika nach dem Dieselskandal wieder so richtig durchstartet. Bis 2030 sollte sich in der Region der Marktanteil des Konzerns auf zehn Prozent fast verdreifachen. Das Ziel wirke nun noch ein bisschen ambitionierter als bisher.

Absatzziele gesenkt

Im Juli hatte Konzernchef Oliver Blume die weltweiten Konzernabsatzziele für das laufende Geschäftsjahr gekappt. Statt mit mindestens 9,5 Millionen Fahrzeugen rechnen die Wolfsburger nun mit neun bis 9,5 Millionen verkauften Autos, Lkw und Motorrädern. In diesem Zuge waren auch die ambitionierten Absatzziele für Nordamerika gesenkt worden. Insidern zufolge sei aber auch das Erreichen dieser revidierten Ziele alles andere als sicher, schreibt das Handelsblatt.

VW-Betriebsratschefin Daniela CavalloBild: Kevin Nobs/VW-Betriebsrat/dpa/picture alliance

"China, USA, Europa: Bei VW brennt es an allen Ecken und Enden", titelte die Wirtschaftwoche bereits am 22.09.2023 und verwies auf die aktuell schlechten Kennzahlen des Konzerns in den weltweit wichtigsten Automärkten.

VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo sprach kürzlich in einer Rede vor der Belegschaft von einer "Mehrfach-Krise", in der sich VW befinde. Entsprechend lang war die Liste der Probleme, die sie aufzählte: das endliche Verbrennergeschäft, der schleppende Hochlauf der Elektromobilität, aktuelle Lieferengpässe, der Digitalisierungs-Druck sowie die neue Tech-Konkurrenz aus China. "Es ist hier schon der perfekte Sturm, auf den wir zusteuern", sagte Cavallo.

Würden Deutsche chinesische E-Autos kaufen?

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