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Politik

"Argentinien hat schwere Fehler gemacht"

Cristina Papaleo
1. September 2018

Die gegenwärtige Krise in Argentinien ist auch eine Folge von Präsident Macris Wirtschaftspolitik. Das Land sei aber noch weit von der Krise des Jahres 2001 entfernt, meint der Volkswirt Heinz Mewes im Gespräch mit DW.

Argentinien, Buenos Aires:  350000 Menschen protestieren auf den Straßen
Bild: picture-alliance/C. Santisteban

Deutsche Welle: Der argentinische Präsident, Mauricio Macri, hatte von seinen Wählern und von vielen Experten viel Vorschussvertrauen bekommen, um Maßnahmen gegen einige chronische Probleme der argentinischen Wirtschaft zu treffen. Zum Beispiel die Bekämpfung des Schwarzmarktes für Devisen, oder die Anpassung der Steuerpolitik. Aber heute kostet ein Dollar fast 40 Pesos, die Zentralbank Argentiniens verkaufte 330 Millionen US-Dollar und erhöht den Leitzins auf sagenhafte 60 %. Die argentinische Bevölkerung macht sich große Sorgen um ihre Zukunft und fürchtet das Schlimmste. Warum bekommt die Regierung Macri diese Krise nicht in den Griff?

Heinz Mewes: Die aktuelle Krise in Argentinien hat mehrere Ursachen. Dazu zählen zweifellos die langanhaltende Dürre, die zu Problemen in der Landwirtschaft und zu Exportausfällen führte, die Rezession in Brasilien, dem wichtigsten Exportmarkt für Argentinien, und schließlich die Lira-Krise in der Türkei und die Sorge vor international steigenden Zinsen, die dazu führten, dass sich Investoren aus Emerging Markets zurückzogen. Aber auch die argentinische Regierung hat schwere Fehler gemacht und die Märkte verunsichert.

Was war denn der schwerste Fehler?

Macri hat zu Beginn seiner Amtszeit die richtigen Entscheidungen getroffen, indem er zuerst die Beziehungen zu den Gläubigern und den internationalen Finanzmärkten normalisiert hat. Ferner wurden Maßnahmen eingeleitet, um die Staatsverschuldung und das Haushaltsdefizit durch den Abbau von Subventionen zu senken. Auf diese Weise sollte die Inflation bekämpft werden, die von der Vorgängerregierung immer geleugnet wurde. Das Problem dabei war, dass der Abbau von Subventionen zu höheren Preisen, zum Beispiel für Energie, führt und so die Bekämpfung der Inflation erschwert.

Heinz Mewes: "Haushaltssanierung konsequent fortsetzen"Bild: Gian Frederik Mewes

Ein Kardinalfehler wurde Ende 2017 gemacht, als die Regierung feststellte, dass sich die Inflation nicht wie erwartet verringerte, und stattdessen die Inflationsziele lockerte. Diese Entscheidung hat viele Investoren zweifeln lassen, ob die Regierung ihre Reformversprechen wirklich umsetzt und den Peso massiv geschwächt.

Konnte er diesen Fehler nicht korrigieren, um das Vertrauen der Bevölkerung und der Finanzwelt zurückzugewinnen?

Er hat versucht, die Fehler zu korrigieren, indem er in Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds Reformen vereinbart hat, um das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. Viel waren allerdings der Meinung, dass das Hilfeersuchen an den IWF zu früh kam und die Märkte noch mehr verunsicherte. Aus meiner Sicht war die Entscheidung richtig und notwendig.

Welche konkreten Maßnahmen kann Macri treffen, um zu vermeiden, dass Argentinien nochmals in eine gefährliche Wirtschaftskrise wie im Jahre 2001 gerät?

Die Regierung muss den eingeschlagenen Weg der Haushaltssanierung konsequent fortsetzen, auch um den Preis einer Rezession. Eine Wiederholung der Krise von 2001 sehe ich derzeit nicht. Die Zentralbank verfügt über Devisenreserven in Höhe von 55 Milliarden Dollar, und aus dem aktuellen Kreditprogramm mit dem IWF stehen weitere 45 Milliarden Dollar zur Verfügung. Das ist ein stattliches Reservepolster.

Könnte die Krise auch auf andere lateinamerikanische Länder übergreifen?

Eine Rezession in Argentinien dürfte auch das Wirtschaftswachstum in Brasilien dämpfen. Macri muss mit den Gewerkschaften verhandeln, die mit einem neuen Generalstreik drohen, und muss trotzdem an den Reformplänen festhalten. Auf jeden Fall steht Argentinien vor schwierigen Monaten.

Dr. Heinz Mewes war lange Jahre Chefvolkswirt der Dresdner Bank Lateinamerika und ist heute Herausgeber des "Lateinamerika Finanzmarkt-Monitor". 

Das Gespräch führte Cristina Papaleo