1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vom AKP-Skeptiker zum Chefberater

Senada Sokollu22. Juli 2013

Der frühere AKP-Kritiker Yigit Bulut ist der neue Chefberater des türkischen Premierministers Erdogan. Der Journalist ist aber nicht nur für seinen Opportunismus, sondern auch für seine Verschwörungstheorien bekannt.

Yigit Bulut (Foto: Emrah Gürel)
Yigit BulutBild: Emrah Gürel

Als ehemaliger Chefredakteur des regierungsnahen TV-Senders Haber Türk unterstützte Yigit Bulut Erdogans Ansichten während der Gezi-Park-Proteste. So wie Premierminister Recep Tayyip Erdogan machte auch Bulut "die Zinslobby" für die Unruhen im Land verantwortlich. Die Bankiers seien unzufrieden mit der geplanten Senkung des Leitzinses. Dabei habe die Regierung so in erster Linie eine Belebung der Konjunktur beabsichtigt. Die Türkei habe erstmals seit 52 Jahren keine Schulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Das habe einigen Leuten nicht gepasst, so Bulut.

In einer Nachrichtensendung, die während der Proteste vom türkischen Fernsehsender "24TV" ausgestrahlt wurde, betonte Bulut, dass fremde Kräfte versuchen würden, Erdogan durch Psychokinese (Kraft der Gedanken) umzubringen. Auch die Deutschen beschuldigte er, die Proteste angeheizt zu haben. "Seit Monaten macht die Lufthansa Druck, dass der dritte Flughafen in Istanbul nicht gebaut wird." Damit solle verhindert werden, so Bulut, dass viele Millionen Passagiere aus Deutschland die Türkei künftig als Drehkreuz nutzten. Weil die Demonstranten auch gegen den Flughafen protestieren, sei klar, dass sie aus Deutschland aufgestachelt würden, sagte Bulut im türkischen Fernsehen. Seit einer Woche ist er nun Chefberater Erdogans. Über Twitter verbreitet er Kommentare, der Westen wolle den Gezi Park nutzen, um die Regierung zur Kapitulation zu bringen.

Die Proteste in der Türkei seien vom Westen angestacheltBild: Reuters

"Ein schlechtes Vorbild für die junge Generation"

Aydin Özdalga ist Herausgeber von Haber 3, einem der größten türkischen Nachrichtenportale. Yigit Bulut sei ein sehr intelligenter und intellektueller Mensch, der eine sehr gute Ausbildung genossen habe, betont Özdalga. "Das Problem ist, dass sich Bulut über seine momentane politische Meinung nicht sicher ist", so der Journalist. Özdalga betont, dass Bulut in vielen seiner früheren Artikel hart gegen die Erdogan-Regierung gewettert habe. So wie im Jahr 2008 in einem Artikel, der in der Zeitung "Vatan" erschien: "Das System rutscht von der Demokratie in den Faschismus. Ich sorge mich sehr um die Türkei. Die Gefahr ist zu groß. Die AKP sollte abgeschafft werden." Das schrieb Bulut damals.

Doch der Erfolg der AKP habe ihn auf ihre Seite gezogen, so Özdalga. "Er ist ein Mensch, der seinen Vorteil sucht", sagt Özdalga. 2010 fiel Bulut seinen Journalistenkollegen negativ auf, als er bei einem offiziellen Treffen mit Erdogan eine Zensur der Internetmedien durch die staatliche Rundfunkbehörde RTÜK forderte. "Jeder ändert seine Meinung von Zeit zu Zeit. Das ist normal. Aber sobald die AKP an Macht verliert, was früher oder später passieren wird, dann wird Bulut sofort zu einer anderen Partei wechseln", erklärt Özdalga. Und das würde ihn ärgern, denn Bulut sei ein schlechtes Vorbild für die junge Generation. "Klug zu sein, reicht nicht aus. Man muss aufrichtig sein. Wie kann man Buluts politischer Führung vertrauen, wenn er seine politische Meinung ständig ändert?", kritisiert Özdalga.

Durul Türkmen ist Politik-ExperteBild: privat

Innerhalb der AKP-Regierung halte sich die Kritik an der Ernennung Yigit Buluts zum Chefberater Erdogans in Grenzen, sagt Durul Türkmen. Der 33-jährige Politik-Experte berät AKP-Abgeordnete. Er fände zwar, dass man jemandem mit einem politischen Hintergrund hätte auswählen müssen. "Aber eine absolut sinnlose Wahl ist Bulut nicht. Immerhin hat er viel Erfahrung im wirtschaftlichen Bereich", wendet Türkmen ein.

"Niemand streitet mit Erdogan"

Erdogan höre auf seine Ehefrau Emine, behaupten InsiderBild: MIRA/AFP/Getty Images

Der Journalist Cengiz Aktar sieht Erdogan als einen "einsamen Autokraten". Sein Kreis werde von Tag zu Tag kleiner. Doch Erdogan entscheide schließlich alles allein und niemand traue sich, ihm zu widersprechen, so der Journalist. “Wenn man einen Berater hat, dann streitet man auch mit ihm. Aber niemand streitet mit Erdogan", so Aktar.

Auch Aydin Özdalga betont, dass Erdogan nicht auf seine Berater höre. "Er kümmert sich nicht mal um die Reaktionen der Gesellschaft in Bezug auf den Gezi Park. Er würde sich nie eingestehen, dass er Unrecht haben könnte", so Özdalga. Und auch mit dem neuen Chefberater werde sich wohl nicht viel ändern, denn Bulut vertrete jetzt die gleichen Ansichten wie Erdogan. Und er würde nie seinem neuen Chef widersprechen. Deswegen sei er ernannt worden, meint der Herausgeber.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen