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Der lange Weg zur Lichtschranke

8. Juli 2009

Die Geschichte der Zeitmessung zeigt, wie sehr die Entwicklung der computergestützten Technik den Sport prägt. Wie aus dem einfachen Wettrennen der ewige Kampf mit der Uhr wurde.

100-Meter Sprint der Frauen: Beim Foto-Finsih legen sich alle mit dem Oberkörper nach vorn (picture-alliance)
Im Sprint geht nichts mehr ohne Foto-Finish-Kamera und LichtschrankeBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Sporthistoriker LennartzBild: www.karllennartz.de

Im 18. Jahrhundert ist es soweit. Es gibt die ersten exakten Uhren und Maßeinheiten, um Strecken festzulegen. Ein Meilenstein für die Entwicklung des Sports. "Vorher ist man auf der Kirmes einfach um die Wette gelaufen. Wer Erster war, der hatte gewonnen", sagt Sporthistoriker Karl Lennartz, der die olympische Geschichte erforscht hat. "Aber jetzt, mit Uhren und abgemessenen Strecken, konnte man plötzlich Leistungen vergleichen."

Der Wettlauf gegen die Uhr beginnt

Die Zeit- und Streckenmessung ist der Beginn des modernen Sports, so wie er bis heute besteht. Die Zeitmessung ermöglicht eine Vergleichbarkeit der Leistungen, ohne direkt gegeneinander antreten zu müssen. Plötzlich laufen Sportler nicht mehr nur gegen Sportler, sondern auch gegen die Uhr. Was zählt ist von nun an der Rekord.

"Die Uhren waren allerdings noch nicht sonderlich genau. Deshalb gab es Standardstrecken über eine Meile, zehn Meilen oder 100 Meilen, die sich die Sportler vornahmen", weiß Lennartz. Über diese Distanzen kam es nicht auf die Sekunde an. Erst als die Uhren besser wurden, als man auch Bruchteile von Sekunden stoppen konnte, wurde es für Sportler interessant, auch über 100 Meter Zeiten zu stoppen und auf Rekordjagd zu gehen.

Nur eine Stoppuhr bei Olympischen Spielen

Eine Stoppuhr - hat mittlerweile jeder Hobby-SportlerBild: picture-alliance/ dpa

Im 18. und 19. Jahrhundert waren exakte Uhren noch äußerst selten und vor allem sehr kostspielig. Nur große Sportevents konnten mit genauer Zeitmessung locken. Bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit, 1896 in Athen, gab es gerade einmal zwei Stoppuhren. "Eine war allerdings beschädigt", berichtet Lennartz, "und so musste man mit einer Uhr auskommen."

Was tun? Der Zeitnehmer konzentrierte sich natürlich auf den Ersten und stoppte die Siegerzeit. "So steht in den Ergebnislisten beim Zweiten: Vier Meter hinter dem Ersten. Und beim Dritten: Sechs Meter hinter dem Ersten", hat Lennartz herausgefunden. Ab Platz zwei wurde also geschätzt. Manche Statistiker hätten versucht, die Abstände, die sie in Metern geschätzt hätten, in Zeitabstände umzurechnen, weiß der Sporthistoriker. Die Schätzungen der Zeit des Fünften und Sechsten hatten so oft nichts mehr mit der real gelaufenen Zeit zu tun.

Auf die Plätze, Rauch und los

Diese Vorgehensweise war bis zum Zweiten Weltkrieg gängige Praxis, weshalb viele Landesrekorde, die von weiter hinten platzierten Sportlern erzielt wurden, nie registriert worden sind. Nach dem Krieg änderte sich dies – wenn auch langsam. Karl Lennartz war früher selbst Leichtathlet und erinnert sich, wie es in den 50er Jahren bei Wettkämpfen zuging: "In der Tasche hatte man eine Schaufel, um das Startloch zu graben. Der Starter stellte sich dann immer so, dass die Zeitnehmer am anderen Ende den weißen Rauch der Pistole sehen konnten." Manchmal hätten die Kampfrichter sogar eine schwarze Tafel hinter der Pistole hochgehalten, damit die Zeitnehmer noch deutlicher sehen konnten, wann der Rauch aufsteigt, berichtet der mittlerweile emeritierte Sportwissenschaftler.

Sobald die Zeitnehmer den Rauch sahen, sollten sie die Stoppuhr drücken. Mittlerweile gab es jede Menge Stoppuhren bei Wettkämpfen und so stoppten zwei Kampfrichter den Ersten und die anderen stoppten jeweils einen weiteren Läufer. Waren alle im Ziel, wurden die Zeiten eifrig verglichen. Haben wirklich alle gleichzeitig nach dem Start gedrückt? Liefen die Uhren auch alle exakt? Oft einigten sich die Kampfrichter auf einen Mittelwert ihrer Messergebnisse.

Manchmal glaubten sie ihren Uhren aber auch schlicht nicht. Bestes Beispiel hierfür ist Armin Hary, der bis heute einzige deutsche Sprinter, der über die 100-Meter olympisches Gold gewinnen konnte. In Zürich lief er 1960 die magischen 10,0 Sekunden über die 100-Meter, doch die Kampfrichter glaubten ihren Augen und Uhren nicht. Was tat Hary? Er lief eine halbe Stunde später einfach noch einmal, wieder 10,0 Sekunden und dieses Mal erkannten die Zeitnehmer den neuen Weltrekord an.

Hightech: Beim Anschlag stoppt die ZeitBild: picture-alliance/ dpa

Noch genauer "macht keinen Sinn"

Armin Hary musste 1960 also gleich zweimal Weltrekord laufen, um die Kampfrichter zu überzeugen. Wenig später war so etwas nicht mehr notwendig, denn die Technik entwickelte sich rasant. Der handgestoppten Zeit folgte die elektronische Stoppung, dann gab es zusätzlich die ersten Zielfotos.

Die Messungen von Strecke und Zeit wurden immer präziser. So fiel die Entscheidung über Gold und Bronze über die 400 Meter Lagen im Schwimmen bei den Olympischen Spielen 1972 in München aufgrund eines ausgemachten Zeitunterschieds von einer Tausendstel Sekunde. Später stellte man dann fest, dass die eine Bahn drei Millimeter kürzer war. Umgerechnet in Zeit, hätte also eigentlich der Zweite Gold bekommen müssen. Die Konsequenz: Heute entscheiden im Schwimmen wie in der Leichtathletik Hundertstel, nicht mehr Tausendstel. "Eine noch genauere Zeitmessung als heute über Transponder im Schuh, modernste Foto-Finish-Kameras und Lichtschranken macht in den meisten Sportarten keinen Sinn", findet Lennartz. Technisch wäre die Messung einer Tausendstel Sekunde Unterschied aber möglich.

Autor: Benjamin Wüst

Redaktion: Stefan Nestler

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