Bundeswehr im Wandel
6. Juli 2009
Als die Bundeswehr 1955 gegründet wurde, war die Bundesrepublik schon sechs Jahre alt - und sechs Jahre war darüber gestritten worden, ob es überhaupt zu einer Wiederbewaffnung kommen sollte. Schließlich setzte sich der damalige CDU-Regierung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer gegen die Bedenken durch: Die Bundeswehr wurde am 5. Mai 1955 gegründet. Zeitgleich trat die Bundesrepublik der NATO, dem transatlantischen Militärbündnis, bei.
Ein schweres Erbe
Das Eiserne Kreuz - 1813 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. gestiftet für militärische Leistungen in den sogenannten Befreiungskriegen gegen Napoleon - war lange Zeit eine der höchsten Auszeichnungen Deutschlands. Die Form des Eisernen Kreuzes wurde das Hoheitszeichen der Bundeswehr. Als Orden aber wollte man es nach 1945 nicht wieder aufleben lassen - zu ungut waren die Erinnerungen an den massenhaften Verleih durch das nationalsozialistische Unrechtsregime.
Lange Zeit gab es daher gar keine Auszeichnungen in der Bundeswehr. Erst Anfang der 80er-Jahre regte der damalige Verteidigungsminister Hans Apel an, Bundeswehr-Orden für bestimmte Dienstzeiten zu vergeben.
Was ist Tapferkeit?
Nun, mehr als 50 Jahre nach Gründung der Bundeswehr werden wieder Orden für besondere militärische Verdienste eingeführt. Das "Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit" heißt der neue Orden offiziell. Daneben werden jetzt auch die beiden Ehrenkreuze der Bundeswehr in Silber und Gold unabhängig vom Dienstalter für "hervorragende Einzeltaten" vergeben.
Das sei ein längst überfälliger Schritt, meinen Befürworter wie Ernst Reinhard Beck, CDU-Bundestagsabgeordneter und Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr. Wenn man Soldaten in gefährliche Einsätze schicke, dann müsse man auch die Leistungen der Soldaten öffentlich und sichtbar würdigen.
Schon in der Antike galt Tapferkeit als eine der sogenannten Kardinal- oder Haupttugenden. Aber militärische Tapferkeit - und ihre Auszeichnung durch Orden - sind immer auch eine problematische Angelegenheit. So wurden im Zweiten Weltkrieg Tausende für ihre Teilnahme an einem verbrecherischen Angriffskrieg geehrt.
Von Deutschland an den Hindukusch
Der neue Orden spiegelt den Wandel, den die Bundeswehr seit dem Beginn der 90er-Jahre durchlaufen hat. Aus einer reinen Verteidigungsarmee wurde eine Armee im weltweiten Einsatz, die sich nicht nur an rein humanitären Missionen beteiligt. 1991 hatte es mit einer Minenräum-Aktion im Persischen Golf begonnen, 1999 folgte der erste große NATO-Kampfeinsatz im Kosovo. Seit den Terroranschlägen von 2001 wirkt die Bundeswehr an verschiedenen internationalen Missionen mit - die umstrittenste ist wohl die in Afghanistan.
Seit 2002 ist die Bundeswehr in Afghanistan als Teil der internationalen ISAF-Truppe im Einsatz. Rund 3500 Soldaten sind dort derzeit im Einsatz. 35 Soldaten sind bisher am Hindukusch ums Leben gekommen.
An vier Soldaten, die in Afghanistan dienten, wurden die ersten der neuen Tapferkeitsmedaillen am 7.6.2009 im Kanzleramt in Berlin verliehen. Sie waren nach einem Selbstmordattentat im Oktober 2008 verwundeten Kameraden zu Hilfe geeilt.
"Bürger in Uniform" oder "Lamettabrust"?
Durch die Wiedereinführung von Ehrenzeichen für besondere militärische Leistungen, die auch an der Uniform getragen werden, nähert sich die Bundeswehr auch im Erscheinungsbild ihrer Soldaten anderen Armeen an. Das sei eine ebenso überflüssige wie kritische Entwicklung findet der Münchner Militärhistoriker Detlef Bald, der lange Zeit Wissenschaftlicher Direktor am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr war. Es gäbe keinen vernünftigen Grund, "solche Lamettaberge am Oberkörper zu führen". Zudem ginge dadurch der besondere Charakter der deutschen Streitkräfte, als einer Armee von "Bürgern in Uniform" verloren.
Ob der besondere Charakter der Bundeswehr noch gegeben ist oder ob sie nicht längst eine Armee wie andere auch geworden ist, darüber wird man wohl auch am 6. Juli 2009, dem Tag der Verleihung der ersten Tapferkeitsmedaille der Bundeswehr, wieder trefflich streiten können.
Autor: Rachel Gessat
Redaktion: Kay-Alexander Scholz